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22.01.2001 15:47

Abgegeben, eingesammelt, vorgelegt: Unwörter 2000

Ulrike Rolf Presse und Kommunikation
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig

    Ende Oktober 2000 erging von Braunschweiger und Magdeburger Germanisten der Ruf ans Sprachvolk, es solle seine Unwörter nennen, kurz vor Weihnachten wurde die Aktion »Unwörter 2000« beendet. In nur zwei Monaten sind mehr als tausend Unwörter in der Sammelstelle des Seminars für deutsche Sprache und Literatur der Technischen Universität Braunschweig abgegeben worden, es haben sich weit über sechshundert Sprecherinnen und Sprecher ihrer Unwörter entledigt. Das ist für diese kurze Laufzeit im Vergleich zur aktion »Unwort des Jahres«, die über das ganze Jahr andauert, sehr viel.

    Erste Ergebnisse liegen den Germanisten jetzt vor, und diese Ergebnisse geben den Sprachforschern Recht. Der Begriff des »Unworts« ist in der Bevölkerung tatsächlich weitaus vielfältiger, bunter, ja auch sprachlich kenntnisreicher als vergleichbare Aktionen bislang glauben machen wollen. Während beispielsweise beim »Unwort des Jahres« nur der ethisch-moralische Aspekt Beachtung findet, möchten die Braunschweiger und Magdeburger Germanisten ihre Unwörter wesentlich breiter definiert wissen: Es waren auch Wörter gefragt, die nicht als ästhetisch oder nicht als formal-korrekt empfunden werden.

    Angeführt wird die Liste der Unwörter von dem politischen Fahnenwort Leitkultur (159 Nennungen), gefolgt von Kampfhund (55) und Öko-Steuer (14) auf Platz zwei und drei sowie brutalstmöglich (13), Kid(s) (13) und Hotline (12) auf den Plätzen vier bis sechs.

    Nachgereicht wurde von dem Dichter Robert Gernhardt, im Rahmen einer Lesung in der Aula der TU Braunschweig am 18. Januar 2001, das aus dem Italienischen entlehnte Wort Graffiti - aus grammatischen Gründen: Weil es als Singular gebraucht (der eigentlich Graffito lautet) und dazu ein Plural Graffitis gebildet werde.

    Die Begründungen, die den verurteilten Wörtern von ihren Einsendern mitgegeben wurden, lassen auch Rückschlüsse auf sprachkritische Maßstäbe der Bevölkerung zu:
    - da kommen moralisch-ethische und sprachlogische Kriterien zum Vorschein,
    die zum Beispiel bei Leitkultur den Ausschlag für die Verurteilung geben;
    - da wird, wohl von Hundeliebhabern, wegen der diskriminierenden Pauschalisierung die Bildung Kampfhund als sachlich unangemessen bewertet;
    - da sind auch Ablehnungen der Sache verantwortlich für die Ablehnung des Wortes, wie zum Beispiel das Wort Öko-Steuer, das zugleich wegen seiner im Vergleich zu Lohn- und Einkommenssteuer missverständlichen Bildung an den Pranger gestellt wird;
    - da wird brutalstmöglich als unlogische, unschöne und unnötige Steigerung kritisiert;
    - da sorgen, wie bei Kid(s), morphologische (Fremdwort) und lautliche (wegen der Anlehnung an Rehkitz) Worteigenschaften für negative Einstellungen zum Wort;
    - oder da gibt, etwa bei Hotline, die sachlich unpassende Bedeutung des Fremdworts (verwendet für eine beliebige Telefonverbindung) sowie sein inflationärer Gebrauch Anlass zur Klage.

    Die zahlreichen sprachkritischen Begründungen, die die Einsender mit den Unwörtern abgaben, werden in einem abschließenden wissenschaftlichen Bericht im Frühjahr bekannt gemacht. Dieser Bericht wird auch die Fülle der eingesandten »unwortlichen« Störenfriede, wie etwa smsen, Knackpunkt, Big Brother ans Tageslicht bringen.

    Der Unwörterschatz ist unter der Adresse http://www.tu-bs.de/institute/germanistik/unwo2000.html im Internet veröffentlicht.

    Weitere Informationen sind bei Dr. Jörg Kilian telefonisch unter 0531/391-3519 oder bei Thorsten Griesbach unter 0531/391-3517 bzw. 0174/7546289 zu erhalten.


    Weitere Informationen:

    http://www.tu-bs.de/institute/germanistik/unwo2000.html


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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