IN GULLIVERS GARTEN: WINZIGE TOMATEN BESCHLEUNIGEN DIE GENTECHNIK BEI PFLANZEN
REHOVOT, Israel. _ 10. Dezember 1997: Eine winzige Tomate mit Spitznamen "Mikro-Tom" hat moeglicherweise eine grosse Karriere in der Gentechnik vor sich. Die Lilliput-Pflanze, die Dr. Avraham Levy vom Weizmann-Institut in Rehovot (Israel) fuer die Wissenschaft gezuechtet hat, ist der Angelpunkt einer neuen Methode, welche die Entschluesselung des Pflanzengenoms und die Bestimmung und den Gebrauch kommerziell einsetzbarer Gene beschleunigen koennte.
Die Methode, fuer die ein Patentantrag gestellt wurde, wird in einem Artikel in der Dezemberausgabe der Zeitschrift The Plant Journal beschrieben und auf ihrer Titelseite angekuendigt.
Gemeinsam mit dem Doktoranden Rafi Meissner vom Weizmann-Institut und Dr. Yoni Elkind von der Hebraeischen Universitaet Jerusalem nahm Dr. Levy von der Abteilung Pflanzenwissenschaft einige Veraenderungen an Mikro-Tom vor _ einer unscheinbaren Pflanze, die fuer Stadtbewohner mit begrenztem Gartenraum gezuechtet wurde -- um die Mutagenese, die Bildung von mutierten Pflanzenstaemmen, zu beschleunigen.
Genetiker brauchen Mutanten zur Funktionsbestimmung einzelner Gene. Levys Mikro-Tom, der doppelt so haeufig Fruechte traegt wie herkoemmliche Tomatenstraeucher -- produziert Mutanten in der Haelfte der Zeit. Drastisch reduziert wird ausserdem der Platzbedarf im Gewaechshaus, wo die mutierten Pflanzenstaemme gezuechtet werden, was wiederum die Arbeit mit grossen Pflanzenpopulationen erheblich erleichtert.
Levys Methode macht es ausserdem leichter, die Mutanten zu analysieren. Heutzutage werden Pflanzen meist mit Chemikalien oder radioaktiver Strahlung zur Mutation angeregt. Die daraus entstehenden, willkuerlichen Mutationen lassen sich nur schwer auf einen bestimmten Punkt im pflanzlichen Gencode zurueckfueren. Die neue Technik markiert das Pflanzengenom mit leicht erkennbaren genetischen "Etiketten", die es Levy ermoeglichen, die genaue Stelle, an der eine Mutation stattgefunden hat, zu erkennen.
Diese "Etikettierung" und der Einsatz grosser Pflanzenpopulationen ermoeglichen die Identifizierung der Funktion jedes Pflanzengens. "Wenn wir bisherige Techniken fuer die Schaffung von Mutationen mit einem Lotteriespiel vergleichen, sagt Levy, dann sind wir nun in der Lage, alle Lose zu kaufen."
Massgeschneidertes Obst und Gemuese
Hoehere Pflanzen wie Tomaten haben ungefaehr 50.000 Gene. In den meisten Faellen konnten sie noch nicht bestimmten Eigenschaften zugeordnet werden _ Eigenschaften wie Form, Geschmack oder Naehrgehalt, die fuer jede einzelne Pflanzenart typisch sind.
In juengster Zeit hat der wissenschaftliche Fortschritt die Bestimmung der Gene und ihrer Funktion erleichtert, was die Schaffung eines genetischen "Supermarktes" in Aussicht stellt, in dem Pflanzenzuechter aus Tausenden von Eigenschaften auswaehlen und genetisches Material fuer die Zuechtung genau ihrer Wunschpflanzen bekommen koennten.
Bevor jedoch solch ein Supermarkt seine Tore oeffnet, muss jede Eigenschaft aus dem "Inventar" in einer isolierten, lebenden Pflanze produziert werden -- ein Prozess, der die Arbeit mit riesigen Pflanzenpopulationen voraussetzt. Man schaetzt, dass man zur Identifikation aller Gene im Tomatengenom ueber 100.000 Tomatenpflanzen untersuchen muesste.
Grosse Plaene fuer das Mini-Ding
Levy ging das Problem mit einem Minimal-Programm an. Die Mikro-Tom-Pflanze, die nur 5-10 cm hoch wird, rueckt eine gross angelegte Analyse des Tomatengenoms erstmals in greifbare Naehe, da es den Zeit- und Kostenaufwand fuer die Arbeit mit grossen Pflanzenpopulationen enorm reduziert. Mit dem Mikro-Tom kann Levy bis zu 1000 Pflanzen pro Quadratmeter ziehen, im Gegensatz zu fuenf Pflanzen pro Quadratmeter bei normalen Tomaten _ eine Verringerung des Platzbedarfs also um 99%.
Der schnelle Wachstumszyklus von Mikro-Tom ermoeglicht Levy und seinem Team die Kultivierung von vier Generationen pro Jahr -- im Gegensatz zu den herkoemmlichen zwei.
Sobald die Gene isoliert und ihre Funktionen mit Hilfe der Minipflanze bestimmt sind, koennen die gewuenschten Gene auf Tomatenpflanzen von Normalgroesse transferiert werden.
Springende Gene knacken den Code
Levy analysiert die Genfunktionen seiner Minitomaten mit Hilfe eines Naturphaenomens, das vor einem halben Jahrhundert die Nobelpreistraegerin Barbara McClintock entdeckte. McClintock war Pionierin bei der Erforschung "springender Gene" _ genetischem Material, das in Mais gefunden wurde und spontan von Pflanze zu Pflanze weitergegeben wird.
Springende Gene, auch "Transposone" genannt, sind genetische "Joker", die fuer die scheinbar willkuerliche Farbverteilung an den Kolben der indianischen Maispflanzen verantwortlich sind.
Als Levy besondere, gentechnisch hergestellte Transposone in seine Mikro-Tom-Tomaten einschleuste, machten sie durch sogenanntes "Knockout" die natuerlichen Gene "unschaedlich" und fuegten sich selbst an ihrer Stelle in den genetischen Code ein.
Diese durch Transposone verursachten Mutationen fuehren dazu, dass bestimmte Eigenschaften der Tomaten _ Farbe, Groesse oder Zuckergehalt _ veraendert werden, was einen Hinweis darauf gibt, wie das Gen unter normalen Umstaenden funktioniert. Eine Genmutation, die eine Tomatenpflanze mit gelben Blaettern hervorbringt, laesst zum Beispiel darauf schliessen, dass dieses Gen normalerweise fuer das Blattgruen verantwortlich ist.
Sobald eine Mutation im Mikro-Tom hervorgerufen wird, kann das genetische Material stabilisiert werden, um die Transposone davon abzuhalten, weiter zu springen und unerwuenschte Mutationen zu erzeugen.
Volltreffer mit Tomaten
Levys Methode schleust ausserdem eine biologische Struktur ein, mit der die Wissenschaftler feststellen koennen, ob ein Transposon erfolgreich in das Zielgenom uebernommen wurde. Dies wird durch den Einsatz von "Reportergenen" ermoeglicht -- genetischem Material, das ein erkennbares Signal aktiviert, wenn das Transposon an seine vorherbestimmte Stelle "gehuepft" ist.
Levys Transposone enthalten ein Reportergen, das den Code fuer beta-glucuronidase enthaelt - ein Enzym, das Zellen nach einer einfachen chemischen Behandlung blau faerbt. Dieser "Reporter" wird aktiviert, wenn das Transposon in ein Gen springt. Wenn sich eine Zelle also im Test blau faerbt, weiss man, dass die Mutation erfolgreich war. Darueber hinaus laesst sich der Faerbungseffekt an bestimmten Teilen der Tomatenpflanze lokalisieren -- der Frucht zum Beispiel, oder den Blaettern - so dass Wissenschaftler jenen Teil der Pflanze identifizieren koennen, in dem das mutierte Gen exprimiert wird.
Das von Levy in das Erbgut geschmuggelte Material ist darueber hinaus so gross, dass man es nicht verfehlen kann: Die von ihm erzeugten Transposone sind fast 5.000 Basen lang. Das erleichtert den Wissenschaftlern die Bestimmung ihrer genauen Stelle im Tomatengenom.
Ein grosser Wurf - nicht nur mit Tomaten
Levys Technik war fuer die Anwendung bei Tomaten bestimmt, einer der wichtigsten Nutzpflanzen der Lebensmittelindustrie. Die Methode kann jedoch auf alle Nutzpflanzen angewendet werden, bei denen Landwirte an der Entwicklung neuer, auf dem Markt erfolgreicherer Sorten interessiert sind.
Mit dem Abschluss dieser Studie ist Mikro-Tom reif fuer die kommerzielle Anwendung, und verschiedene Firmen haben bereits ihr Interesse an Levys neuen Methoden bekundet. Unterdessen schaffen Levy und sein Team mit der Mikro-Tom-Methode neue Mutanten, anhand derer sich die nuetzlichen Eigenschaften der Tomate genetisch bestimmen lassen.
Dr. Levy ist Inhaber des David & Pauline Segal Career Development Chair. Die Studie wurde zum Teil vom Pflanzengenom-Zentrum des israelischen Wissenschaftsministeriums gefoerdert.
Ein Patentantrag fuer die in dieser Pressemitteilung beschriebene Methode wurde ueber Yeda Research and Development Co., dem Zweig fuer Technologietransfer des Weizmann-Instituts, gestellt.
Presseanfragen richten Sie bitte an Luba Vikhanski, Tel. 972 8 934 3855 E-mail: rrluba@wis.weizmann.ac.il
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