Medienmitteilung der Uni Bayreuth, Nr. 84/97, 1. Dezember 1997
Praesident Prof. Ruppert beim 22. Jahrestag
BEKENNTNIS ZU SCHNITTSTELLEN-PHILOSOPHIE UND STAENDIGER STAERKEN-SCHWAECHEN-ANALYSE
Studiengaenge mit "kompetenz-Modulen"
Bayreuth (UBT). Der Wunsch nach aussagekraeftigen Verhaeltniszahlen fuer die zukuenftige Mittelverteilung, ein Bekenntnis zur "Schnittstellen-Philosophie" in Forschung wie Lehre, eine fortlaufende Staerken-Schwaechen-Analyse zur Optimierung des Angebotes sowie ein deutliches Bekenntnis zur internationalen sowie gleichzeitig regionalen Rolle seiner Hochschule hat die Rede des neuen Bayreuther Universitaetspraesidenten Professor Dr. Dr. h. c. Helmut Ruppert beim 22. Jahrestag der Universitaet Bayreuth am vergangenen Samstag gepraegt. In einer Zeit, in der die Hochschulstruktur einem laufenden Wandel unterzogen werde, sehe er vier Punkte, sagte Ruppert, die besonders positiv fuer die Entwicklung der Hochschulen seien: Die finanzielle Eigenverantwortung und Autonomie, die eine Staerkung der Effizienz und der Wirtschaftlichkeit einschliesse, mehr Wettbewerb und Profilbildung, Reformmassnahmen im Personalbereich seien schliesslich bessere Foerderungsmoeglichkeiten fuer den wissenschaftlichen Nachwuchs sowie die Optimierung von Lehre und Studium.
Hinsichtlich der durch das neue Hochschulgesetz zu erwartenden neuen Zuteilungskriterien fuer die staatlichen Finanzmittel wuensche sich die Universitaet als Kriterien Vergleichszahlen, die das Verhaeltnis von Erstsemester zu Absolventen, die Zahl der Studierenden, die innerhalb der Regelstudienzeit studierten, die Zahl der erfolgreich abgeschlossenen Promotionen und der eingeworbenen Drittmittel beschrieben. In allen diesen Vergleichszahlen schneide die Universitaet Bayreuth hervorragend ab, unterstrich Professor Ruppert.
Unmissverstaendlich sprach sich der Praesident fuer eine fachuebergreifende Forschung aus. An der Universitaet Bayreuth muessten laufend Diskussionen stattfinden, welche Projekte gemeinsam angegangen werden koennten. Professor Ruppert: "Insofern ist die Universitaet nicht nur ein Forschungstraeger, sondern auch eine Art Forschungsfoerderungsorganisation, die laufend Mittel aus ihrem Etat fuer solche Projekte zur Verfuegung stellen muss". Seit Gruendung der Universitaet habe der Gedanke der "Schnittstellen- Philosophie" an vorderster Stelle gestanden, betonte Professor Ruppert. Dies habe sich bewaehrt und muesse auch weiterentwickelt werden. Dazu gehoere aber auch bei einer relativ kleinen Universitaet die genaue Ueberlegung, welche neuen Wissenschaftler hinzugewonnen werden sollten. Eigentlich muessten die Berufungsverfahren nicht nach traditionellem Muster erfolgen, sondern nach den Prinzipien der Wirtschaft, wo "Head-Hunter" losgeschickt wuerden, um die besten Koepfe fuer die vakante Stelle zu finden.
Hinsichtlich der Lehre habe die Universitaet Bayreuth die besten Erfahrungen mit Studiengaengen gemacht, die zwischen den Fakultaeten laegen. Dies gelte etwa fuer die Diplomstudiengaenge Geooekologie und Sportoekonomie. Moderne Studiengaenge muessten 60 % Grundlagen der Fachwissenschaft, 20 % Spezialisierung und Vertiefung und zu weiteren 20 % eine allgemeine Kompetenzvermittlung enthalten, sagte der Praesident. Diese letzteren 20 % sollten aber nicht ueber ein antiquiertes und undefiniertes Studium Generale erworben werden, sondern im Rahmen von klar beschriebenen, zielorientierten Angebotsmodulen, die in den Studiengang eingebaut werden. Die Kompetenzen koennten sozial- gesellschaft-licher, landeskundlicher, interkultureller oder zusaetzlich sprachliche-landeskundliche Natur sein. Ein solches "Kompetenz-Modul" koennen man den Studierenden spaeter auch im Zeugnis bescheinigen. Deutlich machte der Praesident, dass die Studierenden nicht nur Nachfrager nach Leistungen seien, "die sie mit Recht von den Hochschullehrern erwarten", sondern auch Mitstreiter fuer Forschung an ihrer Universitaet. Der Stellenwert einer Universitaet sei ganz stark vom Verhaeltnis der Hochschullehrer und Mitarbeiter zu ihren Studierenden gepraegt, verdeutlichte Professor Ruppert, was auch den Stellenwert der Hochschule in der Oeffentlichkeit ausmache. Insofern wuerden Lehrerfolge Kriterien der Wertschaetzung, was sich auf das Image der Hochschule u. a. bei Rankings auswirkt.
Deutlich machte der neue Universitaetspraesident, dass er an einem "Klima fruchtbarer Unruhe" an der Universitaet Bayreuth sehr interessiert ist. Die ueberschaubare Groesse und die Situation der Campus- Universitaet boeten dafuer gute Voraussetzungen, sagte Praesident Ruppert. Es freue ihn, dass er in den ersten zwei Monaten seiner Taetigkeit eine grosse Gespraechs- und generelle Bereitschaft gefunden habe, Neues zu denken. Dies gelte fuer alle Gruppen seiner Hochschule. Notwendig sei heutzutage staendige Zielabsprachen im Sinne von staendigen Staerken-Schwaechen- Analysen zu machen. Dies gelte insbesondere bezueglich internationaler wissenschaftlicher Standards wie auch im Hinblick der Anziehungskraft auf Studierende und Wissenschaftler. Die Devise dabei sei "gestalten statt verwalten".
Deutlich machte der Praesident, dass die Rolle der Universitaet sowohl im nationalen und internationalen Kontakt liege, ihre Rolle innerhalb ihrer Region aber genauso wichtig einzuschaetzen sei. Sie sei dort ein "Innovationskern" fuer die gesamte Region. Die Zusammenarbeit mit der regionalen und ueberregionalen Wirtschaft, Verbaenden und Institutionen habe eine hohe Prioritaet. Es gehe aber nicht allein darum, Ideen aus der Universitaet nach aussen zu tragen, sondern auch darum, Verbuendete der Universitaet von aussen zu gewinnen.
Die Universitaet muesse ihre Leistungen aktiv an eine wachsende regionale, nationale und internationale Interessenschaft weitergeben, betonte Professor Ruppert. Eine solche "Vermarktung" fuehre zu Wertschaetzung von aussen und dies wiederum bedeute eine hoehere Identifikation der Professoren, Mitarbeiter und Studierenden mit ihrer Universitaet, fuer die Absolventen fuer bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und fuer die Universitaet selbst zu einem positiven Feedback ihrer Absolventen.
Zuvor hatte der Physiker Professor Dr. Helmut Buettner seinem Amtsnachfolger und dritten Praesidenten der Universitaet Bayreuth die silberne Amtskette "als die letzte Last der letzten sechs Jahre" ueberreicht und in einer kurzen Ansprache betont, trotz schlechterer Rahmenbedingungen fuer die Hochschulen lohne es sich heutzutage nach wie vor, in die Bildung zu investieren. Dazu muessten die notwendigen Gespraeche verstaerkt gefuehrt werden.
In einer Grussadresse sagte der Vorsitzende der Bayerischen Rektorenkonferenz, der Erlanger Rektor Professor Dr. Gotthard Jasper, "in schwieriger Zeit" nehme die BRK den neuen Bayreuther Praesidenten mit offenen Armen auf. Im Hinblick auf ein Kooperationsabkommen, das von Rupperts Vorgaenger Professor Buettner angeregt wurde und die drei fraenkischen Hochschulen in Erlangen, Bamberg und Bayreuth betrifft, meinte Jasper, hinsichtlich der praktischen Umsetzung bestuende an mancher Stelle seiner Hochschule "Skepsis" ueber eine intensive Kooperation. Die Zeit verlange aber eine solche Zusammenarbeit.
Vor dem Hintergrund der laufenden studentischen Proteste sagte bei dem Festakt die Vorsitzende des Studentischen Konvents, die Ethnologie-Studentin Hiltrud Chlosta, auch in Bayreuth sei die Situation fuer die Studenten nicht so, wie sie sein sollte, etwa im Bereich der Bibliothek "in erster Linie kluge Verwaltung des Mangels". Dennoch sei in Bayreuth einiges anders. Es gebe nur wenige Vorlesungen, in denen die Hoersaele die Studierenden nicht fassten, die Landesfoerderung der strukturschwachen Region Oberfranken sowie die sehr erfolgreiche Drittmittelwerbung der Universitaet habe die finanzielle Bilanz verbessert und der Stellenabbau falle vergleichsweise harmlos aus. Der grosse Vorzug "unserer relativ kleinen Universitaet" liegt im persoenlichen Umgang miteinander, in der Einfachheit der Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden, zwischen Verwaltung und Universitaet, sagte Frau Chlosta.
Denkbar sei in der Universitaet Bayreuth nur ein Protest, der sich gegen die nachgeordnete Prioritaet der Bildung richte. Ein solcher Protest sollte allerdings nicht nur von den Studierenden, sondern auch von den Lehrenden unterstuetzt werden, forderte die Konventsvorsitzende.
Wie Professor Ruppert forderte sie eine Bindung der Mittelvergabe an die Zahl der Studierenden innerhalb der Regelstudienzeit und hinsichtlich eines effizienten Studiums die Ausarbeitung angemessener Pruefungsordnungen, eine Aufgabe, derer sich Professoren und Studenten gleichermassen stellen muessten. Allerdings, so fuhr Frau Chlosta fort, koenne nur zuegig studieren, wer finanziell abgesichert sei. Die studentische Forderung nach ausreichender BAfoeG-Foerderung sei "ein Zwilling" der Forderung nach Einhaltung der Regelstudienzeit.
Die Vorsitzende des Studentischen Konvents wies darauf hin, dass Multimedia einen zukuenftig einen hohen Rang in der Wissensvermittlung bekommen werde und nach studentischen Umfragen bereits heute ein Defizit in der EDV-Ausbildung vorhanden sei. Ausserdem stellte sie die Frage, wie die geplante Einfuehrung des Studiendekans, der ganz oder teilweise in Lehre und Forschung mit seiner Arbeitskraft wegfalle, kompensiert werde.
Frau Chlosta plaedierte fuer mehr Dialog und Zusammenarbeit, wozu die Studierenden bereit seien und forderte die Professorenschaft auf, die Studierenden in die Pflicht zu nehmen, an der Verbesserung der Universitaet mitzuarbeiten.
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