idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
09.01.2009 13:49

UDE: Strukturwandel im ländlichen China

Ulrike Bohnsack Pressestelle
Universität Duisburg-Essen

    Das Wohlstandsgefälle zwischen Stadt und Land gehört zu den größten Problemen, die das starke Wirtschaftswachstum in China verursacht hat. Die Zentralregierung versucht gegenzusteuern, aber mit welchen Mitteln? Das untersuchen Prof. Dr. Thomas Heberer und René Trappel vom Institut für Ostasienwissenschaften der Universität Duisburg-Essen (UDE) in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt. Am Beispiel der Landkreise Laixi (Provinz Shandong) und Suining (Provinz Sichuan) gehen sie den sozialen und politischen Veränderungen nach. Gerade sind die beiden Wissenschaftler von einer mehrwöchigen Forschungsreise aus Nord- und Südwestchina zurückgekehrt.

    "Von der Mao-Ära bis in die 1990er Jahre, als die Volksrepublik primär agrarwirtschaftlich geprägt war, haben die Bauern für die Städte die notwendigen Ressourcen erwirtschaften müssen", sagt Prof. Heberer. "Nun soll es umgekehrt sein: Die leistungsstarken Städte finanzieren die Entwicklung des armen ländlichen China mit. Allerdings geht es nicht ohne umfassende staatliche Eingriffe und sozialstaatliche Begleitung, wenn man den ländlichen Raum modernisieren will."

    Die Regierung rüttelt hierfür an alten Strukturen, konnten die Wissenschaftler der UDE feststellen: Sie schwächt traditionelle Dorfgemeinschaften bzw. löst sie auf, indem sie diese zum Beispiel in neue Dorfprojekte umsiedelt oder stadtnahe in den urbanen Raum eingemeindet; Clan- und Sippenverbände wiederum verlieren an Einfluss, weil ländliche Arbeitskräfte in die prosperierenden Küstenregionen abwandern; Landbewohner, die ihren Boden verloren haben, dürfen sich in Gemeinde- und Kreisstädten ansiedeln. Zugleich wird die ländliche Flächennutzung neu organisiert und damit kommerzialisiert und industrialisiert. Bodenrechte werden verkauft oder langfristig verpachtet, es entstehen Wirtschaftsparks und Gewerbegebiete. Die kleinteilige, familienbasierte Landwirtschaft verliert an Bedeutung, während Landverluste und abhängige Lohnbeschäftigung zunehmen. Gleichzeitig versucht die Zentralregierung politische Impulse zu setzen und baut ein Sozialwesen im ländlichen Raum auf in Form eines kooperativen Krankenversicherungssystems.

    In Laixi wird vor allem die Infrastruktur verbessert, traditionelle Bauernhäuser sind städtischen Reihenhäusern oder großen Wohnblocks gewichen. Um die Bauern für den Verlust von Boden zu entschädigen, werden ihnen Sozialleistungen, das heißt medizinische Versorgung und Rente, gewährt. In Suining, das bis zu 90 Prozent seiner Arbeitskräfte durch Abwanderung in die Küstengebiete verloren hat, bilden Rückkehrerprogramme einen Schwerpunkt. Mit entsprechenden Anreizen sollen fähige Kräfte als Investoren und Dorffunktionäre zurückgeholt werden. Da spezielle Ressourcen für eine Wirtschaftsentwicklung, zum Beispiel Bodenschätze, fehlen, setzt man in Suining auf den Tourismus und eine "grüne Landwirtschaft". Außerdem möchte man Modellstadt für Begrünung werden.

    Zwei interessante Entwicklungen haben Heberer und Trappel bei ihrer Feldforschung in China ausgemacht: "Anders als in früheren Zeiten der Volksrepublik geht es der Führung nicht um eine kollektivitätsorientierte Transformation. Vielmehr sieht sie die alten Dorfstrukturen und deren traditionelle Gemeinschaften als Hemmnis an. Zudem sucht die Regierung einen Ausgleich zwischen ländlicher und städtischer Bevölkerung - unter anderem dadurch, dass sie ein einheitliches Beschäftigungssystem sowie ein berufliches Ausbildungssystem für die Landbewohner schafft und ländliche Arbeitskräfte künftig genauso entlohnen will wie städtische."

    Wie gut die Umgestaltung tatsächlich gelingen wird, wird auch davon abhängen, ob der Zentralstaat die Korruption im ländlichen Raum in den Griff bekommt: Stimmenkauf bei Dorfwahlen, Bestechung von Dorfkadern, um z.B. an Boden für Industriezwecke heranzukommen, oder das Unterschlagen der ohnehin sehr geringen Bodenabfindungen durch lokale Funktionäre sind weit verbreitete Phänomene und gehören zum System.

    Weitere Informationen: Prof. Dr. Thomas Heberer,
    Tel. 0203/379-3727, thomas.heberer@uni-due.de
    René Trappel, Tel. 0203/379-1072, rene.trappel@uni-due.de

    Redaktion: Ulrike Bohnsack, Tel. 0203/379-2429

    Hinweis für die Redaktionen:
    Fotos zur Bebilderung stellen wir Ihnen unter folgendem Link zur Verfügung
    www.uni-due.de/de/presse/pi_fotos.php


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-due.de/localpolitics/


    Bilder

    Kleinteilige Familienwirtschaft, wie hier in Suining, soll nach dem Willen der Regierung bald der Vergangenheit angehören.
    Kleinteilige Familienwirtschaft, wie hier in Suining, soll nach dem Willen der Regierung bald der Ve ...

    None

    Pläne für moderne Stadthäuser in Suining.
    Pläne für moderne Stadthäuser in Suining.

    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Kleinteilige Familienwirtschaft, wie hier in Suining, soll nach dem Willen der Regierung bald der Vergangenheit angehören.


    Zum Download

    x

    Pläne für moderne Stadthäuser in Suining.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).