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09.01.2009 23:15

Zertrümmerte Grundfesten des Bismarck-Mythos

Klaus P. Prem Presse - Öffentlichkeitsarbeit - Information
Universität Augsburg

    Nach Hans-Ulrich Wehler in der ZEIT attestiert jetzt auch Johannes Willms in der SZ der monumentalen Quellenedition des Augsburger Historikers Josef Becker zum Krieg von 1870/71, eine aus nationalpädagogischen Gründen über Jahrzehnte hinweg sorgsam gepflegte Legende quellengesättigt unhaltbar gemacht zu haben.

    Zu der erst spät begonnen Ausleuchtung der mit der deutschen Nationalgeschichtsschreibung im allgemeinen und mit der Bismarck-Hagiographie im besonderen verbundenen Abgründe habe der Augsburger Neuhistoriker Josef Becker, bis 1998 Inhaber des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Augsburg, "einen nichts weniger als exemplarischen Beitrag" geleistet, schreibt Johannes Willms im Dezember 2008 in seiner in der Süddeutschen Zeitung erschienenen Rezension des im Ferdinand Schöningh Verlag publizierten letzten Bandes von Beckers dreibändiger, "Bismarcks spanische Diversion 1870 und der preußisch-deutsche Reichsgründungskrieg" betitelter Edition der "Quellen zur Vor- und Nachgeschichte der Hohenzollern-Kandidatur für den Thron in Madrid 1866 - 1932". Die Bände 1 und 2 dieser insgesamt rund 1900 Seiten umfassenden Edition sind bereits im Jahr 2002 erschienen.

    Ein durch Verschweigen, Zensur, Manipulation und glatte Lüge zusammengepfuschter Bismarck-Mythos

    Becker erzwinge mit diesem Werk "eine Revision des sehr vorteilhaften Bildes, das Historiker über Generationen von Bismarck gemalt haben"; er zeige im Detail, wie dieses Bild "durch Verschweigen, Zensur, Manipulation und glatte Lüge zusammengepfuscht wurde" - von Akteuren und Zeugen des Geschehens, aber auch von solchen, die später politische Verantwortung getragen haben, und vor allem von Historikern, "die ihre Pflicht zur Aufklärung parteiischem Interesse, wenn nicht gar dem Fetisch der Staatsraison unterordneten". Mit dem von ihm gesammelten und edierten Dokumentenmaterial, das den damaligen preußischen Ministerpräsidenten und späteren deutschen Reichskanzler deutlich als denjenigen identifiziere, der den deutsch-französischen Krieg von 1870/71 bewusst und gezielt herbeigeführt habe, zertrümmere Becker, so Willms, "die Grundfesten, die dem längst in Riesenhafte gewachsenen Bismarck-Mythos Halt und Festigkeit gaben".

    "... wie es eigentlich gewesen" versus nationalpädagogische Pflicht

    Nach der Niederlage in zwei von Deutschland angezettelten Weltkriegen sei es 1945 ff. gewissermaßen eine nationalpädagogische Pflicht gewesen, Bismarck als Lichtgestalt darzustellen, um nach diesen verstörenden, die Nation in ihren Grundfesten erschütternden Erlebnissen sein vermeintliches Vorbild zum Zweck nationaler Identifikation erneut zuzurichten. "Josef Beckers akribische Quellensammlung", so Willms' Fazit, "zerstört den Kern dieser Mystifikation und erzwingt damit eine umfassende Revision des noch immer gängigen Bismarck-Bildes, indem sie unbeirrt der Rankeschen Maxime folgt, 'bloß zu zeigen, wie es eigentlich gewesen'."

    1864, 1866, 1870, 1914, 1939

    In seiner Beurteilung trifft Willms sich mit Hans-Ulrich Wehler, der unter dem Titel "Das Ende einer Legende" bereits im Juni vergangenen Jahres in seiner Besprechung von Beckers Werk in der ZEIT zu dem Schluss gekommen ist: "Der Krieg von 1870/71 ist der letzte Krieg gewesen, den Deutschland gewonnen hat. Mit Beckers Dokumentation steht fest, dass er in die Kontinuität der 1864, 1866, 1914, 1939 von Deutschland provozierten Kriege gehört, mithin keineswegs das Ausnahmebeispiel eines aufgezwungenen Verteidigungskriegs darstellt. Becker hat die letzte große Legende aus dem Umfeld dieser Kriege zwischen 1864 und 1945 mit empirisch erdrückenden Beweisstücken endgültig ad acta gelegt. Das ist eine imponierende Leistung quellengesättigter historischer Argumentation."
    ______________________________

    Josef Becker (Hg.), Bismarcks spanische "Diversion" 1870 und der preußisch-deutsche Reichsgründungskrieg. Quellen zur Vor- und Nachgeschichte der Hohenzollern-Kandidatur für den Thron in Madrid 1866-1932, Ferdinand Schöningh Verlag 2002 und 2007
    o Band I: Der Weg zum spanischen Thronangebot Spätjahr, 1866 - 4. April 1870, 2002, LXXXVI + 538 Seiten, 31 s/w Abb., ISBN 978-3-506-70718-5
    o Band II: Aus der Krise der kleindeutschen Nationalpolitik in die preußisch-französische Julikrise 1870, 5. April 1870 - 12. Juli 1870, 2002, 641 Seiten, ISBN 978-3-506-70719-2
    o Band III: Spanische "Diversion", "Emser Depesche" und Reichsgründungslegende bis zum Ende der Weimarer Republik, 12. Juli 1870 - 1. September 1932, 2008, XXXV + 638 Seiten, 11 s/w-Abb., ISBN: 978-3-506-70720-8


    Bilder

    Mit einer Unterbrechung von acht Jahren, in denen er Präsident der Universität Augsburg war, hat sich der Neuhistoriker Prof. Dr. Dr. h. c. Josef Becker über mehr als drei Jahrzehnte hinweg der Vor- und Nachgeschichte des Kriegs von 1870/71 gewidmet und die Ergebnisse dieser Forschungen nun auch im dritten und letzten Band einer rund 1900-seitigen Quellenedition vorgelegt.
    Mit einer Unterbrechung von acht Jahren, in denen er Präsident der Universität Augsburg war, hat sic ...
    Foto: UBA-Fotostelle
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Mit einer Unterbrechung von acht Jahren, in denen er Präsident der Universität Augsburg war, hat sich der Neuhistoriker Prof. Dr. Dr. h. c. Josef Becker über mehr als drei Jahrzehnte hinweg der Vor- und Nachgeschichte des Kriegs von 1870/71 gewidmet und die Ergebnisse dieser Forschungen nun auch im dritten und letzten Band einer rund 1900-seitigen Quellenedition vorgelegt.


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