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05.02.2009 12:52

Spektakuläre Kalenderfunde schließen Forschungslücke

Katrin Czerwinka Referat Öffentlichkeitsarbeit
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Präsentation einer Faksimileausgabe historischer Kalender an der Uni Jena (12.02.)

    Jena (05.02.09) Sie sind nur etwa 16 x 20 Zentimeter groß und doch von unsagbarem Wert für die Literaturwissenschaft und Kulturgeschichte. Die jährlich neu verfassten Schreibkalender aus dem 17. Jahrhundert besaßen als Massenmedium bereits in der frühen Neuzeit eine herausragende Bedeutung im Alltagsleben der Menschen. Neben der Bibel und dem Betbuch waren sie die am weitesten verbreiteten und am häufigsten gebrauchten Druckschriften. Im vorangestellten Kalendarium und in einem zweiten Kalenderteil, dem sogenannten Prognostikum, waren Beiträge von astrologischen Texten bis Kurzgeschichten abgedruckt. In den Schreibspalten und auf unbedruckten Blättern wurden handschriftliche Eintragungen vorgenommen, die heute kulturhistorisch nicht zu unterschätzen sind.

    Dr. Klaus-Dieter Herbst von der Friedrich-Schiller-Universität Jena gelangen im Rahmen eines durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts am Institut für Deutsche Presseforschung der Universität Bremen unter Leitung von Prof. Dr. Holger Böning zwei spektakuläre Funde. Im Stadtarchiv Altenburg entdeckte der Jenaer Wissenschaftshistoriker den verschollen geglaubten ersten vollständigen Jahrgang des "Europäischen Wundergeschichten Calenders". Die Bedeutung dieses Fundes wurde von dem Historiker und Buchhändler Dr. Klaus Matthäus erkannt, der in seiner Arbeit zur Geschichte des Nürnberger Kalenderwesens bereits die dort erschienenen, bislang bekannten Simplicianischen Kalender behandelt hatte. Einen bisher völlig unbekannten Simplicianischen Schreibkalender für 1675 aus Molsheim fand Herbst kurz darauf in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin, wo die Leihgabe der Sammlungen des Berlinischen Gymnasiums zum Grauen Kloster (Streitsche Stiftung) aufbewahrt wird.

    Mit den Funden konnte das Vorhaben, drei vollständige Jahrgänge (1670-1672) des "Europäischen Wundergeschichten Calenders" und den Molsheimer "Schreib-Kalender" für 1675 in einer Faksimileausgabe herauszugeben, realisiert werden. Die im Verlag Palm & Enke erscheinende Edition wird am 12. Februar um 18.00 Uhr (Senatssaal des Universitätshauptgebäudes, Fürstengraben 1) in Gegenwart des Prorektors für Lehre und Struktur der Universität Jena Prof. Dr. Kurt-Dieter Koschmieder und des Präsidenten der Grimmelshausen-Gesellschaft Prof. Dr. Peter Heßelmann von der Universität Münster erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.

    Ob Johann Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1621/22-1676) als Verfasser des "Ewig-währenden Calenders" auch mit dem "Europäischen Wundergeschichten Calender" des Simplicius Simplicissimus in Verbindung gebracht werden kann, ist eine der noch offenen Fragen in der Grimmelshausen-Forschung. Während neuere Forschungen einen Zusammenhang ablehnen, hat sich die Situation nach den Funden entschieden geändert. "Durch die neuen Fundstücke spricht immer mehr dafür, dass Grimmelshausen der Autor war", weiß Dr. Klaus-Dieter Herbst. Matthäus und Herbst, die Herausgeber der Faksimileausgabe, legen in begleitenden Aufsätzen dar, dass die simplicianischen Texte mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der Feder von Grimmelshausen stammen. "Wenn andere Experten diese Ansicht bestätigen, so handelt es sich bei der Entdeckung um eine Sensation für die Literaturgeschichtsschreibung wie auch für die Kulturgeschichte. Einzelne Aspekte rücken in ein völlig neues Licht und müssen neu überdacht werden", so Prof. Dr. Klaus Manger vom Institut für Germanistische Literaturwissenschaft der Universität Jena.

    Seit nunmehr 200 Jahren sind Wissenschaftler den ungeklärten Fragen der Grimmelshausen-Forschung auf der Spur. "Die Kalenderfunde bringen nicht nur Licht in das Dunkel, sondern zwingen dazu, bisherige Annahmen grundsätzlich zu überprüfen", ist sich Dr. Klaus Matthäus sicher. Sollten die Kalendertexte wirklich von Grimmelshausen stammen, seien diese gleichzeitig eines der letzten authentischen Zeugnisse des deutschen Schriftstellers.

    Kontakt:
    Dr. Klaus-Dieter Herbst
    Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena
    Bibliotheksplatz 2, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 940039
    E-Mail: klaus-dieter-herbst[at]t-online.de

    Dr. Klaus Matthäus
    Burgbergstr. 33 d, 91054 Erlangen
    Tel.: 09131 / 26709
    E-Mail: kl.matthaeus[at]t-online.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-jena.de


    Bilder

    Der Jenaer Wissenschaftshistoriker Dr. Klaus-Dieter Herbst und der Verleger Dr. Klaus Matthäus (v.l.).
    Der Jenaer Wissenschaftshistoriker Dr. Klaus-Dieter Herbst und der Verleger Dr. Klaus Matthäus (v.l. ...
    Foto: Anne Günther/FSU
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    Das Titelblatt der Faksimileausgabe.
    Das Titelblatt der Faksimileausgabe.
    Foto: Klaus-Dieter Herbst
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Der Jenaer Wissenschaftshistoriker Dr. Klaus-Dieter Herbst und der Verleger Dr. Klaus Matthäus (v.l.).


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    Das Titelblatt der Faksimileausgabe.


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