Welche Funktionen müssen Bibliotheken der Zukunft erfüllen? Haben Bibliotheken gegen die Google Buchsuche oder die aggressive Verkaufspolitik der Verlage überhaupt eine Chance? Ist eine Kooperation von staatlich finanzierten Bibliotheken und kommerziellen Informationsanbietern unausweichlich? Auf dem Podiumsgespräch anlässlich des 90. Geburtstages der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften - Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft diskutierten am vergangenen Sonntag Forscher, Google und Wikipedia zentrale Fragen rund um die Informationsbeschaffung im 21. Jahrhundert.
Am 1. Februar 2009 feierte die Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften - Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft (ZBW) ihren 90. Geburtstag mit einem Festakt. Höhepunkt dieses Festaktes war eine Podiumsdiskussion zu dem Thema: "Googeln Sie noch oder lesen Sie schon? - Wissensmanagement der Zukunft - Die Rolle von Bibliotheken, sozialen Netzwerken und Suchmaschinen". Sebastian Moleski, Geschäftsführer des Wikimedia Deutschland e.V., Stefan Keuchel, Pressesprecher der Google Germany GmbH, Prof. Dr. Rainer Kuhlen, Lehrstuhlinhaber für Informatik und Informationswissenschaft an der Universität Konstanz sowie Prof. Dr. Joachim Wolf, Lehrstuhlinhaber für Organisation an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, diskutierten in einem lebhaften Wortwechsel die Zukunft wissenschaftlicher Bibliotheken im 21. Jahrhundert.
Professor Kuhlen nahm während des Gespräches insbesondere den Staat in die Pflicht, der durch die Novellierung des Urheberrechts und die damit verbundene Monopolschaffung wissenschaftliche Bibliotheken ins Steinzeitalter der Informationsversorgung zurückdränge. Weitere Bedrohungen der Spezies Bibliothek seien der zunehmende Einzug von Digital Rights Management Systemen, die verhinderten, dass Bibliotheken ihre elektronischen Daten frei anbieten können, sowie die starke Konzentration kommerzieller Informationsanbieter. Von den derzeit rund 290 wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland, so Kuhlens Befürchtung, würden unter diesen Bedingungen nur die wenigsten die kommenden zehn Jahre überleben. Stefan Keuchel von Google Germany zog dafür auch die Bibliotheken selbst in die Verantwortung, die versäumt hätten, rechtzeitig auf den Zug der digitalen Zukunft aufzuspringen. Es stünde infrage, ob das Medium Buch, das erst seit 400 Jahren zur Informationsvermittlung genutzt wird, auch die nächsten 400 Jahre das wichtigste Medium für diesen Zweck sei.
Um im Wettkampf um die Informationsführerschaft an die Spitze zu kommen, müssten Bibliotheken Akademiker/inne/n die Einschätzung der Güte einer Publikation erleichtern und sich stärker als Kompetenzpartner für die Wissenschaft positionieren, erklärte Sebastian Moleski von Wikimedia Deutschland. In einem höheren Maß an zeitüberdauernder Zuverlässigkeit sah auch Professor Wolf die zentrale Funktion der Bibliothek der Zukunft. Bibliotheken sollten Qualitätsfilter im Informationsdschungel sein und die Fülle an wissenschaftlichen Publikationen intellektuell kanalisieren. Des Weiteren, so Wolf, sei es sinnvoll, weltweit zu kooperieren und starke Verbünde zu schaffen. Nicht zuletzt läge eine wichtige Rolle von Bibliotheken darin, Forschungsdatensätze für die Nachnutzung weiterführender wissenschaftlicher Tätigkeit zur Verfügung zu stellen.
Professor Rietschel, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, der die ZBW angehört, bescheinigte der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften - Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft (ZBW) dass sie auf dem Weg zur Bibliothek 2.0 bereits gut aufgestellt sei. Die ZBW digitalisiert wichtige wirtschaftshistorische Bestände. Als eine von acht Verhandlungsführerinnen kauft die ZBW im nationalen Auftrag der DFG wirtschaftswissenschaftliche Nationallizenzen ein und ermöglicht somit Forschenden, Studierenden und wissenschaftlich Interessierten bundesweit den kostenlosen Zugang zu Datenbanken, digitalen Textsammlungen und elektronischen Zeitschriften aus der Wirtschaftswissenschaft. In ihrem digitalen Archiv speichert die ZBW sämtliche Arbeitspapiere der deutschen Wirtschaftsforschung und bietet diese über Suchmaschinen wie Google an.
Für die kommenden Jahre hat sich die ZBW zum einen die Bibliometrie auf die Fahnen geschrieben und Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen unterschiedliche Qualitätsfilter an die Hand geben, mit denen diese die Güte der gefundenen Treffer beurteilen können. Zum anderen hat sich die ZBW zum Ziel gesetzt, die Informationskompetenz ihrer Nutzerinnen und Nutzer zu stärken. Nur geschulte Rechercheure können ein qualitativ hochwertiges Angebot angemessen nutzen und relevante Forschungsergebnisse identifizieren. Zum dritten sollen Aufsätze durch Forschungsprimärdaten komplettiert werden.
Als Dienstleister für Bildung und Forschung fördert die ZBW bereits seit vielen Jahren die Open-Access-Bewegung und somit den freien Zugang zu wissenschaftlicher Forschungsliteratur. Zusammen mit dem Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel gibt die Zentralbibliothek das E-Journal Economics heraus, eine interaktive elektronische Zeitschrift für Wirtschaftswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen aus aller Welt, die von renommierten Wirtschaftsforschern begutachtet wird. Im Beirat der Zeitschrift finden sich die Nobelpreisträger George A. Akerlof, Gary S. Becker, James J. Heckman, Eric Maskin, Robert Mundell und A. Michael Spence. Im Rahmen von NEREUS, dem europäischen Netzwerk wirtschaftswissenschaftlicher Bibliotheken, bietet die ZBW unter dem Namen Economists Online zusammen mit Partnern einen Online-Zugang auf die Veröffentlichungen von rund 1.000 weltweit führenden Ökonomen. Zahlreiche Projekte werden dabei global vernetzt bearbeitet. Die ZBW kooperiert mit namhaften Partnern sowie zahlreichen Bibliotheken und wirtschaftswissenschaftlichen Institutionen von Weltrang.
Podiumsdiskussion anlässlich des Festaktes zum 90. Geburtstag der Deutschen Zentralbibliothek für Wi ...
Foto: David Nonnenmacher
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v.l.n.r.: Thomas Fischermann (Die Zeit), Professor Dr. Joachim Wolf (CAU), Sebastian Moleski (Wikime ...
Foto: David Nonnenmacher
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
fachunabhängig
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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