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13.03.2009 13:17

Auf der Suche nach einer neuen Universalgrammatik: Deutsch-britisches Forschungsprojekt bewilligt

Luise Dirscherl Referat Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    Sprache, so die seit 400 Jahren vorherrschende Sichtweise, ist ein Ausdrucksmittel für von ihr unabhängige Gedanken. Sprachliche Zeichen stehen stellvertretend für den bezeichneten Gegenstand und sind dabei arbiträr, also willkürlich, mit diesem verknüpft - eine Verbindung, die durch Übereinkunft und Konventionen reguliert wird. Es gibt jedoch eine ältere sprachwissenschaftliche Tradition aus dem 13. Jahrhundert, für die Sprache nicht arbiträr ist. Das neue Forschungsprojekt "Uncartesianische Linguistik" knüpft an diese Tradition an und will zeigen, dass Sprache eben nicht Gedanken ausdrückt, sondern diese vielmehr erst generiert.

    Vor diesem Hintergrund wollen Forscherinnen und Forscher der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und der Durham University, Großbritannien, gemeinsam eine neue Konzeption von Universalgrammatik erarbeiten. Unterstützt werden sie dabei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und ihrem britischen Pendant Arts & Humanities Research Council (AHRC). An der LMU ist Professor Elisabeth Leiss, Lehrstuhl für Germanistische Linguistik, verantwortlich, an der Durham University leitet Professor Wolfram Hinzen das Projekt.

    Dass Sprache die Gedanken widerspiegelt und ausdrückt ist ein wesentlicher Aspekt der so genannten Axiomatik, die der vom Sprachwissenschaftler Noam Chomsky als "Cartesianischen Linguistik" bezeichneten Tradition zu Grunde liegt. Entscheidend in dieser Tradition ist eine gewisse Autonomie des Denkens gegenüber der Sprache: Sprache "übersetzt" die Leistungen des Verstands oder der Vernunft, die den "Inhalt" für Sprache bereitstellt, wohingegen die Sprache selbst nicht mehr als ihre materielle oder phonetische Seite ist. Sprache wird darüber hinaus als ein System von Zeichen betrachtet, die in einer arbiträren Beziehung zu den ausgedrückten Gedanken stehen. Diese Gedanken haben eine von Sprache unabhängige Existenz, sie sind bestimmt durch die Gesetze der Logik und Vernunft, nicht der Grammatik.

    In einer "idealen" Sprache würde demgegenüber Grammatik und Logik gleichgesetzt sein. Genau das war eine Zielsetzung der Allgemeinen oder Philosophischen Grammatiken, die in großer Zahl seit dem 17. Jahrhundert publiziert wurden. Sie zielten darauf ab, die Einheit der Grammatiken menschlicher Sprachen zu bewahren gegen die aufstrebende Tradition der nationalen Philologien.

    Das Projekt "Uncartesianische Linguistik" dagegen will an eine alternative universalgrammatische Tradition anknüpfen: diejenige der so genannten modistischen Grammatiken, die um das 13. Jahrhundert aufkamen. Sie zielten auf eine philosophische Begründung grammatischer Kategorien ab. Ihnen zufolge spiegelt sich die Struktur des Seins in der Struktur der Sprache wider und zwar in allen Sprachen auf dieselbe Weise. In der Tradition dieser frühen universalistischen Grammatiken betrachtet das deutsch-britische Projekt Sprache als nicht-arbiträr und somit als nicht willkürlich gesetzt: Die Ordnung des sprachlichen Zeichens ist die Ordnung des Denkens, so die Leitidee. Beide Ordnungen spiegeln Ordnungsprinzipien der Wirklichkeit wider.
    Modistische Grammatiken waren "philosophisch" in dem Sinn, dass Sprache die Weise ist, in der wir zum Wissen von der Welt gelangen. Modistische Sprachphilosophie ist damit eine "Abbildungs-" oder "Widerspiegelungstheorie" der Sprache, doch zusätzlich versehen mit einer elaborierten Grammatiktheorie, welche Grammatik als Instrument der perspektivischen Darstellung von Welt definiert. Grammatik ist somit das Instrument, mit dem wir systematisch strukturierte Perspektiven von der Welt kodieren. Sprache stellt ein Format bereit, mit dem die Welt erst erfasst und in ein humanspezifisches kognitives Format gebracht werden kann.

    An diese Grundüberlegungen knüpft das Projekt "Uncartesianische Linguistik" an. Ziel ist es, Linguistik und Philosophie nahtlos miteinander zu verbinden, um so systematisch eine neue philosophische Perspektive auf die Sprache zu entwickeln.

    Ansprechpartner:
    Prof. Dr. Elisabeth Leiss
    Lehrstuhl für Germanistische Linguistik
    Tel.: 089 / 2180-2339
    E-Mail: e.leiss@germanistik.uni-muenchen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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