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21.02.2001 17:32

Erhalt des Fächerspektrums hat Vorrang

Ullrich-Eberhardt Georgi Stabsstelle für Presse, Kommunikation und Marketing
Universität Siegen

    Erste Stellungnahme zu den Empfehlungen des Expertenrates

    In der Universität Siegen ist der Bericht des Expertenrates in einer gemeinsamen Sitzung von Rektorat und Vertretern der Fachbereiche intensiv erörtert worden. Ungeachtet der Empfehlungen des Expertenrates sehen die Vertreter der Hochschule nur in dem Erhalt und dem Ausbau des vorhandenen Fächerspektrums eine Chance, im nationalen und internationalen Wettbewerb der Universitäten und Fachhochschulen auf Dauer zu bestehen. Im Rahmen des mit dem nordrhein-westfälischen Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung (MSWF) 1999 abgeschlossenen "Qualitätspaktes" hat die Universität - Gesamthochschule Siegen bereits dargelegt, wie die auf sie entfallende "Sparquote" von insgesamt 86 Stellen erbracht werden kann, ohne dass bestehende Fachbereiche geschlossen werden müssen.
    Die vom Expertenrat vorgeschlagene Einstellung ganzer Fachbereiche in Siegen ist für die Hochschule daher nicht nachvollziehbar. Dies gilt umsomehr, als z.B. im Fachbereich Chemie in den letzten zwei Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen wurden, das Lehr- und Forschungsprofil durch die Einrichtung der Studienrichtung "Bau- und Werkstoffchemie" und die Bildung von Schwerpunkten in den Bereichen "Bauchemie", "Biomaterialien" sowie "Nano- und Mikrochemie" zu schärfen. Ähnliches gilt für den Fachbereich Physik, der einen internationalen Masterstudiengang "Imaging Physics" eingerichtet hat, der federführend an einem vom Bundesbildungsministerium geförderten Netzwerk zur Reform des Physikstudiums beteiligt ist und in der Forschung erfolgreich eine Umorientierung von der Elementarteilchenphysik hin zu einer "Hochtechnologie-Physik" eingeleitet hat. Beide Fachbereiche sind eng in die auch vom Expertenrat positiv bewertete Profilbildung in der Forschung in den Bereichen "Sensorik", "Struktur und Eigenschaften der Materie" sowie "Neue Werkstoffe für die Hochtechnologie" eingebunden. Eine Profilbildung, die ohne die Existenz eines Chemie- und eines Physik-Fachbereichs nicht gelingen kann.
    Ein ähnlicher Widerspruch findet sich in den Empfehlungen des Expertenrates auch im Bereich der Lehrerbildung. Die Universität Siegen begrüßt die Aussagen des Expertenrates, dass die Lehrerbildung in Siegen ein wichtiger Bestandteil des Ausbildungsprofils ist und dass das praxisnah konzipierte Lehrerbildungszentrum überregionalen Vorbildcharakter habe. Wie die Lehrerausbildung für alle Schulstufen sichergestellt und ausgebaut werden kann, wenn gleichzeitig die Lehramtsstudiengänge Chemie und Physik gestrichen werden, dazu äußern sich die Experten nicht.
    Auf völliges Unverständnis stoßen in der Hochschule die Empfehlungen des Expertenrates zum Fachhochschulstudiengang Architektur/Städtebau. Dieser Studiengang ist seit Jahren zu 100% ausgelastet, er ist in der Region verankert, sowohl was die Studierenden betrifft, von denen 60% aus der Region stammen, als auch im Hinblick auf die Begleitung und Initiierung stadtgestalterischer und stadtplanerischer Projekte. Hier wäre sicherlich eine Empfehlung, den Studiengang - wie für den Fachbereich Bauingenieurwesen vorgeschlagen - in einen Universitätsstudiengang umzuwandeln, die logischere Folge aus dem Postulat gewesen, reine Fachhochschulstudiengänge an Universitäten aus strukturellen Gründen nicht länger für opportun zu halten.

    Seitens der Universität Siegen werden alle Anstrengungen unternommen, um in den bevorstehenden Gesprächen mit dem MSWF eine Umsetzung dieser Empfehlungen des Expertenrates zu verhindern. Dies bedeutet nicht, dass kritische Hinweise und Anmerkungen zu einzelnen Studienangeboten und Fachbereichen einfach ignoriert werden sollen. Ganz im Gegenteil: hier werden eingehende Prüfungen erfolgen müssen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen sein, um Fehlentwicklungen zu korrigieren und notwendige Neustrukturierungen zu befördern.

    Die Empfehlungen des Expertenrates zur künftigen Struktur der Universitäten-Gesamthochschulen sind ebenfalls Gegenstand intensiver Diskussionen gewesen. Dem Urteil, dass die für die Gesamthochschulen typischen "integrierten Studiengänge" insgesamt nicht erfolgreich gewesen seien, kann sich die Universität-Gesamthochschule Siegen nicht anschließen. In den zahlenmäßig größten Fachbereichen Wirtschaftswissenschaften, Maschinenbau und Elektrotechnik gab es über die Jahre hinweg immer einen Anteil von 35-45% der Studierenden, die den praxisorientierten Kurzzeitstudiengang gewählt haben. Zutreffend ist, dass einige erst über den Umweg eines Scheiterns im wissenschaftlichen Langzeitstudiengang zum kürzeren Studienzweig gefunden haben, aber ist das nicht besser, als Studienabbrecher zu produzieren?
    Die Hochschule ist dennoch bereit, konsekutive, also aufeinander aufbauende Studiengangsmodelle in allen bisher integrierten Studiengängen einzuführen und dabei auch das anglo-amerikanische Bachelor-/Mastersystem einzubeziehen. Inwieweit auch die bisherigen Magisterstudiengänge in den Geistes- und Sozialwissenschaften nach diesem Muster "umgestrickt" werden können, bedarf noch eingehender Untersuchungen.
    Unbedingt aufrechterhalten werden muss nach Meinung der Hochschule ein weiteres Charakteristikum der Universitäten-Gesamthochschulen: die Möglichkeit, auch Studierenden, die "nur" über die Fachhochschulreife verfügen, einen unmittelbaren Zugang zu wissenschaftlichen Studiengängen zu eröffnen. In Siegen verfügen 25% der Studierenden über eine andere Hochschulzugangsberechtigung als das Abitur; etwa ebenso viele haben bereits eine berufliche Ausbildung absolviert. Die Empfehlung des Expertenrates an die Politik, Voraussetzungen für den Erhalt dieses 'Sonderwegs' zu schaffen, wird daher ausdrücklich begrüßt.
    Der Vorschlag, auch für den Bereich der Lehrerbildung gestufte, aufeinander aufbauende Studiengänge als Modellversuch zu erproben, stößt in Siegen eher auf Skepsis. Nicht nur wegen des Modellcharakters, sondern vor allem wegen der räumlichen Nähe der Universität Siegen zu den Nachbarländern Hessen und Rheinland-Pfalz. Dorther kommen nicht nur viele Studierende, dorthin orientieren sich auch viele unserer Absolventen. Ob eine einseitig von NRW vorgenommene Änderung der Lehrerausbildung dort auf Gegenliebe stossen würde, darf zumindest bezweifelt werden.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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