idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
18.03.2009 12:16

Wieso der Hund nicht umkippt

Manuela Heberer Referat Öffentlichkeitsarbeit
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Biologe der Universität Jena entwickelt Computermodell zur Fortbewegung von Hunden

    Jena (18.03.09) Kleine Reflektoren leuchten an jedem Gelenkpunkt der braunen Terrier-Dame, die zügig über das Laufband trabt. Acht Kameras nehmen jede ihrer Bewegungen detailgenau auf. Unter ihren Füßen liegen Sensorplatten und messen, mit welcher Kraft sie auftritt. Die dreidimensionalen Bilder der Infrarothochgeschwindigkeitskameras hat Martin Groß akribisch ausgewertet, jede Gelenkbewegung analysiert, jeden Winkel der Gelenke ausgerechnet, jede Schrittlänge bestimmt. Aus den experimentellen Daten hat er ein Computermodell entwickelt, mit dem er die Fortbewegung des Hundes nachstellen kann. "Ich wollte herausfinden, wie der Hund seinen Gang stabilisiert und kontrolliert", so Groß, der die Untersuchungen im Rahmen seiner Diplomarbeit bei Prof. Dr. Martin S. Fischer am Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena durchgeführt hat. Dafür arbeitete er intensiv mit der Arbeitsgruppe von Dr. André Seyfarth im Lauflabor zusammen.

    Seinem Computermodell legte Martin Groß das Prinzip des sogenannten Feder-Masse-Modells zu Grunde, bei dem sich am oberen Ende einer Feder ein Massepunkt befindet, der den Körperschwerpunkt beschreibt. "Dabei geht man davon aus, dass sich ein Bein wie eine elastische Feder verhält, also in der Flugphase gestreckt und damit länger, in der Bodenphase durch die Beugung kürzer ist", erklärt der Jenaer Wissenschaftler. Um die Vierbeinigkeit zu untersuchen, hat der Biologe sein Computermodell um eine Feder erweitert, so dass sich an einer Körpermasse, sozusagen dem Rumpf des Hundes, vorne und hinten je eine Feder befindet. Das reiche zur Simulation aller vier Beine zunächst aus, weil sich im Trab stets zwei Beine, also Vorder- und Hinterbein der jeweils gegenüberliegenden Seite, auf dem Boden befinden.

    Am Computer testete er, wie viele Schritte sein Modell bei einem Tempo von zwei Metern pro Sekunde stabil laufen kann. Das war auch die Geschwindigkeit, mit der die Hunde-Dame auf dem Laufband getrabt ist, umgerechnet etwa 7 km/h. "Obwohl ich alle Parameter durchgetestet habe, war nach maximal 18 Schritten Schluss und mein Modell fiel um", so Groß. Wenn er die Geschwindigkeit jedoch auf drei Meter pro Sekunde erhöhte, waren mehr als 50 Schritte ohne Sturz möglich. Das sei wie mit einem angeschobenen Fahrrad, sagt Martin Groß. "Bei hoher Geschwindigkeit rollt es stabil, wenn es zu langsam wird, kippt es um."

    Wenn jedoch der Trab bei geringen Geschwindigkeiten instabil ist, wieso kippt der Hund nicht um? "Das Modell zeigt, dass es gewisse Kontrollmöglichkeiten geben muss, die den Körper des Hundes im Trab stabil halten", so Groß. Aus seinen experimentell gewonnenen Daten konnte er dafür die Drehung des Schwungbeins ausmachen, die sich in einem kurzen Rückwärtsschwingen vor dem Aufsetzen auf den Boden äußert. Außerdem fand er mit Hilfe seines Modells, dass die gleichzeitige Änderung der Beinsteifigkeit durch Muskelkontraktion bzw. -entspannung eine Rolle spielt.

    "Das Besondere an dem von Martin Groß entwickelten Computermodell ist die Möglichkeit der Vorhersage von natürlichen Strategien zur Bewegungsstabilität", sagt Dr. André Seyfarth vom Lauflabor der Jenaer Universität. Das sei im Gegensatz zu Zweibeinern bei vierbeinigen Tieren bis jetzt kaum untersucht worden.

    Für die Präsentation seiner Ergebnisse hat Martin Groß vor einigen Tagen bei einem internationalen Workshop in Jena einen Posterpreis erhalten. Jetzt werden sie in das EU-Projekt "Locomorph" am Institut für Sportwissenschaft der Universität Jena einfließen, in dem der Übergang vom zweibeinigen zum vierbeinigen Gang untersucht wird. Seit Februar ist der Biologe dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Er kann sich gut vorstellen, in diesem Rahmen ähnliche Untersuchungen mit Hunden zu machen, die nur auf drei Beinen laufen können, weil sie zum Beispiel durch einen Unfall eines ihrer Beine verloren haben. "Es wäre interessant zu erfahren, wie der Körper auf solche gravierenden Veränderungen reagiert und wie er seine Kontrollstrategien für ein stabiles Laufen anpasst", so Groß. "Das könnte durchaus auch Rückschlüsse auf Anpassungsstrategien beim Menschen zulassen."

    Kontakt:
    Dipl.-Biol. Martin Groß
    Institut für Sportwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Dornburger Str. 23, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 945733
    E-Mail: martin.gross[at]uni-jena.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-jena.de


    Bilder

    Am Körper des Airedale-Terriers sind reflektierende Markerpunkte befestigt, deren Positionen bei der Bewegung des Hundes auf dem Laufband durch acht Kameras kontinuierlich aufgenommen wurden.
    Am Körper des Airedale-Terriers sind reflektierende Markerpunkte befestigt, deren Positionen bei der ...

    None

    Aus den Positionen der Markerpunkte hat Martin Groß ein dreidimensionales Computermodell entwickelt, mit dem die Bewegung des Hundes nachgestellt werden kann.
    Aus den Positionen der Markerpunkte hat Martin Groß ein dreidimensionales Computermodell entwickelt, ...
    Foto u. Abb.: Martin Groß/FSU
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Sportwissenschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Am Körper des Airedale-Terriers sind reflektierende Markerpunkte befestigt, deren Positionen bei der Bewegung des Hundes auf dem Laufband durch acht Kameras kontinuierlich aufgenommen wurden.


    Zum Download

    x

    Aus den Positionen der Markerpunkte hat Martin Groß ein dreidimensionales Computermodell entwickelt, mit dem die Bewegung des Hundes nachgestellt werden kann.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).