Gästebuch des Kapitäns Daniel Steen dokumentiert die Anfänge der Kreuzfahrten im Mittelmeer - Deutsche Levante-Linie rüstete schon vor 1900 seine Frachter mit komfortablen Passagierkabinen aus - Deutsches Schiffahrtsmuseum erwarb historisch wertvollen Nachlaß des beliebten Kapitäns
Info-Service Nr. 06/01 vom 15.03.2001
Der wahre Dichter fasste sich kurz und prosaisch
Gästebuch des Kapitäns Daniel Steen dokumentiert die Anfänge der Kreuzfahrten im Mittelmeer - Deutsche Levante-Linie rüstete schon vor 1900 seine Frachter mit komfortablen Passagierkabinen aus - Deutsches Schiffahrtsmuseum erwarb historisch wertvollen Nachlaß des beliebten Kapitäns
"Zum Dichter bin ich nicht geboren", bekannte Ulrich von Versen, seines Zeichens Kaiserlicher deutscher Botschafter, und reimte sich dennoch im Gästebuch des Dampfers "Therapia" eine zweiseitige Eloge auf die Überfahrt von Cospoti nach Piräus vom 20. bis 23. April 1902 zusammen. Besonders pries er darin den "Therapia"-Kapitän Daniel Steen. Fünf Jahre später und viele Seiten weiter in dem dicken Band fasste sich ein wahrer Dichter als Passagier auf dem Dampfer "Galata" der gleichen Reederei wesentlich knapper und prosaischer, kam aber zu einer ähnlichen Grundaussage: "Dankbar für glückliche, unvergessliche Fahrt, ihrem Kapitän Steen", schrieb der damals hochberühmte, noch heute viel gespielte Dramatiker Dr. Gerhart Hauptmann am 6. Mai 1907 in Konstantinopel. Das Gästebuch, in dem noch viele andere Zitate zu finden sind, gehört zu Daniel Steens Nachlass, den Archivleiter Klaus-Peter Kiedel kürzlich in einem Hamburger Antiquariat kurzentschlossen für das Deutsche Schiffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven erwarb. Für die Forschung ein Glücksgriff, wie sich schon beim ersten Sichten des umfangreichen Materials ergab.
Den Schifffahrtshistorikern kommt entgegen, dass Steen nicht nur sein Gästebuch hinterließ, sondern ein umfängliches Konvolut an weiteren Schriftstücken, Dokumenten und Fotoalben, darunter auch sein Tagebuch, an dem der beliebte Kapitän während der Fahrtzeit von 1899 bis 1910 in diesem Seegebiet emsig, akribisch genau und in feinstem Sütterlin schrieb, zwar immer wieder manches Persönliche, aber auch viel Wissenswertes und bislang nicht Erforschtes über die Anfänge der Kreuzschifffahrt im Mittelmeer. Schnell wird offenkundig: Mit dem Einsatz ihrer Schiffe wie der "Stambul", der "Therapie" und der "Galata", die als Frachter auch mit komfortablen Passagiereinrichtungen ausgestattet waren, etwa vergleichbar mit den Kombi-Frachtern der sechziger und siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts, schrieb die Deutsche Levante-Linie in Hamburg mit an den ersten Kapiteln der Geschichte des Kreuzfahrtgeschäftes, eines Geschäftes, das später so richtig boomen sollte und das heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, gerade zu neuen Höhenflügen ansetzt. Bemerkenswert: Vor hundert Jahren rekrutierten sich die Kreuzreisenden, wie die Aufzeichnungen belegen, ausschließlich aus den Schichten der besser Betuchten, heute würde man sagen: der Schönen und Reichen. Heute offerieren die Reedereien auch Angebote, die sich die Mittelschicht leisten kann.
Die Gesellschaft an Bord war schon damals bunt gemischt und international: in der Mehrzahl Deutsche, aber auch Engländer, Franzosen und - wie die Damen Francis C. Lowell und Cornelia P. Lowell, die in ihrer Eintragung vom 28. April 1907 Boston, Massachusetts, als ihre Heimatstadt angeben - Amerikaner. Viele waren von der ersten Reise so begeistert, dass sie möglichst schnell wieder eine zweite buchten. Zu ihnen gehörte Laura Rommel, eine Witwe aus München. Als die Passagiere selbst das Heft in die Hand nahmen und am 12. Oktober 1899 auf der "Stambul" eine "Maltesische, Mittelländische, Musikalisch Deklamatorische Soirée" veranstalteten, mithin ein buntes Programm mit viel Musik, Rezitationen und einem plattdeutschen Vortrag von Kapitän Steen höchstpersönlich, das mit einer "Photographischen Aufnahme bei Magnesiumlicht" und einem Feuerwerk ausklang, verkaufte Laura Rommel die Programmzettel. Der Reinertrag war für einen wohltätigen Zweck bestimmt. Ein Jahr später agierte sie als Taufpatin für den Neubau "Therapia", den Daniel Steen als sein nächstes Schiff übernahm. Ihr Taufspruch begann mit den Worten: "Wie das Glas, so mög'n zerschellen, schadlos an dir Sturm und Wellen." Den schrieb sie dann am 21. Dezember 1901 zur Erinnerung an den Taufakt mit folgender weiterer Widmung in das Gästebuch: "An Bord der 'Therapia' dem verehrten Herrn Kapitän Steen während der Erstling-Frühlingsfahrt zur freundlichen Erinnerung."
Wer es auch war, ob Johann Gottfried Herzog von Mecklenburg am Ende einer "wunderbar schönen Reise von Stambul nach Hamburg" im Jahre 1901, ob die fünf Mitglieder eines französischen Damenkränzchens, die sich für eine "charmante réception" (eine charmante Aufnahme also) bedankten, ob die Herren Imhoff-Pascha und Auler-Pascha, die ihren Namensanhang "Pascha" für ihre Verdienste um die Türkei erhalten hatten und nach der Reise befanden, "an Bord der 'Stambul' lebt sich's fein bei deutschem Lied und deutschem Wein", ob der Kaiserliche Gesandte Arco Valley und der mit ihm reisende Kaiserliche Generalkonsul Lüders, stets richtet sich der Dank zuvörderst an den Kapitän Daniel Steen. Für Klaus-Peter Kiedel steht schon nach dem ersten Blättern im Gästebuch fest: "Das muss ein besonders angesehener Mann gewesen sein, ein tüchtiger Seemann ohnehin, aber auch ein liebenswürdiger und charmanter Gastgeber."
Mit welchen Angeboten die Deutsche Levante-Linie ihre Kunden anlockte, lässt sich aus dem Eintrag von Generalarzt Dr. Selle "Leibarzt seiner Majestät des Königs von Sachsen", ablesen, der in Begleitung seiner Gattin Hanna Selle, geborene Buch, auf der "Therapia" den exzellenten Service an Bord schätzen lernte. In seinem Eintrag vom 6. November 1906 beschrieb er, wie beide eine Kreuzreise - und eine solche war es, wie die Namen der angelaufenen Häfen verraten, im wahrsten Sinne des Wortes - erlebten: Sie hätten auf "der genussreichen herrlichen Fahrt von Hamburg über Genua, Tunis, Malta, Alexandrien, Beirut, Jaffa, Smyrna, Constantinopel, Corfu etc. nach Venedig" für acht Wochen das Schiff als "ihre zweite liebe Heimat" empfunden.
Porträt des Kapitäns Daniel Steen
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Die "Therapia" im Hafen von Genua
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Verkehr / Transport
überregional
Organisatorisches
Deutsch
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