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16.03.2001 13:10

Ressourcenschonung - Demontagefabrik rettet vor dem Schredder

Ramona Ehret Stabsstelle Kommunikation, Events und Alumni
Technische Universität Berlin

    Nr. 5, Wissenschaftsdienst "Forschung aktuell" der TU Berlin, 2. Jg. /Nr. 1/März 2001

    Ressourcenschonung
    Demontagefabrik rettet vor dem Schredder

    - Bilder vorhanden -

    Wissenschaftler aus neun Fachgebieten der Technischen Universität Berlin und der Hochschule der Künste entwickeln gemeinsam eine "Demontagefabrik". Roboter sollen in Zukunft mit Spezialwerkzeugen alte Haushaltsgeräte und Motoren zerlegen, um deren wertvolle Komponenten umweltschonend weiter zu verwenden. In einer Pilotanlage nehmen Roboter mit Hilfe speziell entwickelter, anpassungsfähiger Werkzeuge Waschmaschinen auseinander. Fahrzeugmotoren und andere Konsumgüter sollen bald folgen.

    Was da als buntes Granulat aus dem Schredder rieselt, war einstmals eine Waschmaschine. Glas, verschiedene Metalle, Beton, Kunststoffe - alles wird vermischt, zerkleinert oder verbrannt, wenn's die alte Maschine nicht mehr tut. Auch die eigentlich noch brauchbaren Teile wie Motor, Pumpe oder Magnetventile. Eine enorme Verschwendung von natürlichen Ressourcen, weil die geeigneten Werkzeuge und Anlagen zur Demontage fehlen. Wissenschaftler aus neun Fachgebieten der Technischen Universität Berlin und der Hochschule der Künste widmen sich daher der Aufgabe, gemeinsam eine "Demontagefabrik" zu entwickeln. Roboter sollen in Zukunft mit Spezialwerkzeugen alte Haushaltsgeräte und Motoren zerlegen, um deren wertvolle Komponenten umweltschonend weiter zu verwenden.
    "Was man heute im Konsumgüterbereich demontieren kann, wird überwiegend manuell gemacht. Das ist schmutzige, gefährliche und teilweise körperlich sehr schwere Arbeit", erklärt Dipl.-Ing. Bahadir Basdere, kommissarischer Geschäftsführer des Sonderforschungsbereiches 281 "Demontagefabriken zur Rückgewinnung von Ressourcen in Produkt- und Materialkreisläufen", der jährlich mit drei Millionen Mark von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wird. Er beschäftigt sich u. a. mit der Realisierung eines Pilot-Demontagesystems. "Die Waschmaschine zum Beispiel enthält ein Schwingsystem von 40 bis 60 Kilogramm Gewicht. Das kann ein Mann gar nicht ständig von einem Demontagetisch zum anderen hieven." 21 Wissenschaftler, die unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Günther Seliger, Sprecher des Sonderforschungsbereiches, seit 1995 an der Entwicklung arbeiten, können mittlerweile ein funktionsfähiges Pilot-Demontagesystem vorweisen. Im Versuchsfeld des Produktionstechnischen Zentrums im Spreebogen nehmen Roboter mit Hilfe speziell entwickelter, anpassungsfähiger Werkzeuge Waschmaschinen auseinander. Fahrzeugmotoren und andere Konsumgüter sollen bald folgen, berichten die Projektbearbeiter Jens-Peter Härtwig und Thomas Keil.
    Gerade die Anpassungsfähigkeit der Werkzeuge und die notwendige Flexibilität bereitete der Demontage bislang Schwierigkeiten. Immerhin sieht eine Waschmaschine nach 15-jährigem Gebrauch meist nicht mehr so aus, wie nach dem Kauf. Rost verhindert das einfache Entschrauben, Originalteile sind von Fachleuten und Hobbybastlern mehr schlecht als recht ersetzt worden, Beulen zieren das ehemals gute Stück. Greif-, Entschraub- oder Entlötwerkzeuge, entwickelt zum Demontieren von Originalteilen, würden ihre Angriffspunkte, Schraubköpfe und die ursprüngliche Kabellage nicht mehr vorfinden und wären mit ihrer Aufgabe überfordert.
    Genau hier haben die TU-Wissenschaftler ihren Ansatz gesehen und bereits einiges geleistet. Besonders stolz sind sie auf ein Entschraub-Werkzeug, das in der Lage ist, sich an Schraubverbindungen aller Art anzupassen und diese zu lösen. Kreuz- und Schlitzschraubköpfe, runde, sechseckige, verrostete, versenkte und beschädigte Schrauben bereiten diesem fast serienreifen Werkzeug keine Probleme. Ähnlich arbeitet der sogenannte Spann-Igel-Greifer. Er kann das Bauteil ergreifen und halten, auch wenn es bereits vollkommen verbeult oder beschädigt ist. Das "Dodekapod", ein ebenfalls neu entwickeltes Spann- und Manipulationssystem, kann die Demontageobjekte im Arbeitsraum der Roboter oder Werker in jeder beliebigen Lage anordnen. Mit 12 Linearachsen ausgestattet, weist das "Dodekapod" eine hohe Anzahl von Freiheitsgraden auf, um das Objekt in die günstigste Position zu bringen.
    Um den sinnvollsten und wirtschaftlichsten Aufbau des gesamten Demontagesystems herauszufinden, haben die Ingenieure 30 verschiedene sogenannte Layout-Varianten simuliert und deren Nutzwerte analysiert. Kriterien für die Bewertung waren unter anderem Flexibilität, Kosten und Arbeitsschutz. Sie entschieden sich schließlich für die Variante 29: An einen zentralen Drehtisch schließen sich sternförmig sechs Transportbänder an, die die Waschmaschine vom manuellen zum automatisierten Arbeitsbereich "weiterreichen". Drei Knickarmroboter mit einer Traglast von 60 und 150 Kilogramm sind so angeordnet, dass sie an mehreren Stationen gleichzeitig arbeiten können. Ein einheitliches System ermöglicht ihnen den Werkzeugwechsel, so dass alle Roboter theoretisch mit allen Werkzeugen arbeiten können. Der mittlere Roboter lässt sich, da er auf Schienen montiert ist, auf einer Breite von vier Metern individuell positionieren. Außerdem können die Roboter per elektronischem Datenaustausch miteinander kommunizieren und sich schnell gemeinsam auf veränderte Verhältnisse einstellen. Das ist natürlich besonders wichtig, wenn man es mit Produkten zu tun hat, die jedes Mal etwas anders aussehen.
    Unterstützung bei ihren Versuchen bekommen die Wissenschaftler von der Firma Bosch-Siemens Hausgeräte GmbH. Interessiert sind aber auch Unternehmen, die beispielsweise mit diesem Demontagesystem gern hochwertige Komponenten aus Fahrzeugmotoren zurückgewinnen möchten. Andere Unternehmen wünschen sich die automatisierte Demontage von Lichtmaschinen oder Anlassern. Diese Erfolge haben auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft bei der Begutachtung im letzten Jahr beeindruckt. Schon seit 1995 finanziert sie das Vorhaben. "Zum Glück sieht es auch weiterhin gut aus,", freut sich Basdere, "die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat unser Projekt zur weiteren Förderung empfohlen und finanziert uns mindestens bis Dezember 2003."
    Patricia Pätzold-Algner (pp)

    Datenbank
    Ansprechpartner: kommissarischer Geschäftsführer des Sonderforschungsbereiches 281 "Demontagefabriken zur Rückgewinnung von Ressourcen in Produkt- und Materialkreisläufen", Bahadir Basdere, Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb der Technischen Universität Berlin
    Kontakt: PTZ II, Pascalstr. 8-9, 10587 Berlin, Tel.: 030/314-24457, Fax: 030/314-22759, Prof. Dr.-Ing. Günther Seliger, E-Mail: seliger@mf.tu-berlin.de, Dipl.-Ing. Bahadir.Basdere, Bahadir.Basdere@mf.tu-berlin.de, Internet: http://www.tu-berlin.de/sfbs/demontage/
    Projekt: Realisierung eines Pilot-Demontagesystems innerhalb des Sfb 281
    Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft

    6500 Zeichen, Texte und Bilder kann man unter www.tu-berlin.de/forschung-aktuell abrufen


    Weitere Informationen:

    http://www.tu-berlin.de/forschung-aktuell


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Maschinenbau, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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