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20.03.2001 16:38

Referate und Diskussionen zu BSE - Rinder- oder Menschenwahn?

Ole Lünnemann Referat Hochschulkommunikation
Universität Dortmund

    "Die neuen Seuchen: BSE / AIDS / Hepatitis C - Artefakt oder Realität" - Zu diesem Thema spricht am morgigen Mittwoch (21.03.2001) der Kieler Internist Dr. Claus Köhnlein. Eingeladen hat der Club Interdisziplinärer Gesprächskreis "Wissenschaft und Verantwortung" an der Universität Dortmund.

    Die Veranstaltung findet um 19 Uhr in der Fachhochschule Dortmund, Sonnenstraße 96, statt. Beteiligt sind das "Studium Generale" der FH, die Regionalgruppe Dortmund der Ärzteorganisdation IPPNW sowie das "Forum Gesellschaft und Politik".

    Eine zweite Vortrags- und Diskussionsveranstaltung folgt am 11. Mai, ebenfalls um 19 Uhr in der Fachhochschule. Dann referiert der Ernährungswissenschaftler Dr. Nicolai Worm (Berg) zur Frage: "Zwischen BSE-Ängsten, Fastfood und Diätwahn - Wie sieht artgerechte menschliche Ernährung aus?"
    Diskussion mit Halbwissen und Ängsten

    Die Diskussion in der Öffentlichkeit, den Medien, aber auch in "der Wissenschaft" und in der Politik wird durch eine verstärkte Verbreitung von Halbwissen, Ängsten und Phantasien bestimmt. Verunsicherung der Verbraucher, Existenzbedrohung der Landwirte, und eine Politik, die das BSE-Problem durch ein populistisches Schauschlachten im wahrsten Sinne des Wortes "totschlagen" will, sind die Folge. Zunehmend stellt sich die Frage, wo denn die "Wahnsinningen" sind.

    Die zwei Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen sollen helfen, den Prionen-Nebel zu lichten. Sie wollen informieren über die Epidemiologie von BSE und die Aussagekraft der "Test-Seuche" ("Einzeltier-Erkrankung oder Seuche?") und fragen nach gesunder Ernährung in Verbindung mit gesunder Lebensweise stellen ("Müssen wir jetzt alle Vegetarier werden?").

    Zur Veranstaltung mit Dr. med. Claus Köhnlein
    Der Skandal um BSE kostet zigtausenden von Rindern das Leben, verunsichert die Verbraucher und wird wahrscheinlich gravierende Folgen für die weitere Entwicklung der Landwirtschaft mit sich bringen. In all der Panik blieb jedoch unbeachtet, daß sich BSE in Deutschland in einem ganz ent-scheidenden Punkt von den BSE-Fällen in Großbritannien unterscheidet: Hierzulande ist bislang kein einziges Rind an BSE erkrankt. Während wir es bei BSE in Großbritannien mit einer manifesten Erkrankung zu tun haben, handelt es sich bei BSE in Deutschland um den "histologischen Nachweis" einer krankmachenden Disposition.

    Der Kieler Internist Claus Köhnlein beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den sogenannten neuen Seuchen: AIDS, BSE und Hepatitis C. Zu BSE stellt er fest: "Zunächst einmal sollten wir uns eines klarmachen: Es gibt in Deutschland keine einzige 'verrückte Kuh'. Was wir haben, das sind einzelne Tiere, die positiv auf BSE getestet worden sind." Köhnlein zur Gemeinsamkeit dieser neuen Seuchen: "Diese neuen großen Seuchen unterscheiden sich von den alten Seuchen der Vergangenheit wie Pest, Cholera, in einem Punkt ganz wesentlich: Die Zahl der Betroffenen ist vergleichsweise klein. Während die alten Seuchen ganze Städte ruinierten, ist die Zahl der tatsächlich Erkrankten bei den 'neuen großen Seuchen' verschwindend klein. So sehen wir bei AIDS 2000 'Neuinfektionen' (HIV-Antikörper-Positive) pro Jahr und 600 Todesfälle, die Hepatitis C hat zu keiner signifikanten Zunahme von Leberzirrhosen geführt und was BSE betrifft, so haben wir zurzeit noch nicht einen einzigen klinischen Erkrankungsfall in unserem Land, während die Presse seit Wochen von einer BSE-Krise bzw. Epidemie redet."

    Tatsächlich seuchenartig ist Köhnlein zufolge nur die Ausbreitung von Antikörpertests, die im Falle von BSE einen mutmaßlichen Erreger dingfest zu machen glauben, dem als Eiweiß das fehlt, was ein Krankheitserreger braucht - einen Mechanismus um sich fortpflanzen zu können. Den BSE-Test hält Köhnlein deshalb für Unfug: "Wenn man nicht weiß, wie ein Erreger etwas infiziert und man nicht nachweisen kann, dass er dazu überhaupt in der Lage ist, worauf soll man dann testen? Auf die Möglichkeit, dass es Anzeichen für die Bestätigung einer Vermutung gibt." Ohne Erreger könne es keinen Test geben, der beweist, dass die Kuh tatsächlich krank würde. Kein Erreger - keine Infektionskrankheit.

    Köhnlein sieht, wie andere Ärzte und Wissenschaftler auch, BSE als mögliche Folge von Phosmet. Das ist ein Nervengift, dass in England die Kühe vor der Dasselfliege schützen sollte. Die legt ihre Eier ins Rückenmark der Rinder. Dort sollen dann die Larven schlüpfen. Diesen Fliegen sollte Phosmet den Garaus machen. 1985, dem Jahr der ersten BSE-Fälle, wurden die britischen Bauern per Gesetz verpflichtet, das Nervengift ihren Rinder zur Fliegenabwehr über den Rücken zu schütten. Ende der Achtzigerjahre wurde die Insel vom Rinderwahn überschwemmt. Köhnlein hat, was Phosmet betrifft, eine wichtige Entdeckung gemacht: "Der Phosmet-Paragraph wurde 1992 gestrichen. Seit diesem Zeitpunkt gehen die Fälle von Rinderwahn zurück." Mit der Möglichkeit, dass BSE und Phosmet in einem Zusammenhang stehen, hat sich auch die britische Regierung vor einem Jahr auseinandergesetzt. Forschungsgeld wurde versprochen, weil Mark Purdey, ein britischer Bauer, eine erstaunliche Entdeckung gemacht hatte: Seine Kühe waren mit Schlachtabfällen gefüttert worden, also nach gängiger Hypothese einem sehr großen BSE-Risiko ausgesetzt. Doch keine von Purdeys Kühen war jemals krank geworden. Der Bauer hat dafür eine einfache Erklärung: Er hat das Gesetz verletzt und niemals Phosmet verwendet. Das unterscheidet seine Herden von den Herden, in denen es immer wieder BSE-Fälle gibt. Die deutsche Ärzte-Zeitung berichtete darüber im Sommer 1999.

    Die BSE-Meldungen aus Deutschland, wo Phosmet nie verwendet wurde, scheinen Purdey und auch Claus Köhnlein zu widerlegen. Köhnlein stellt, damit konfrontiert, nur abermals klar: "Noch einmal: Wir haben es bei uns nicht mit BSE-Fällen zu tun. Wir haben Kühe, von denen man nur behauptet, sie trügen einen dubiosen Krankheitserreger in sich. Es gibt keine an BSE erkrankte Kuh in Deutschland. Wir dürfen einen positiven Test nicht mit Krankheit gleichsetzen!"

    Nähere Information:
    Peter Rath, Ruf 02302 933146
    Der Text des Vortrags von Dr. Köhnlein ist nach der Veranstaltung abrufbar im Internet: Peter-Rath@web.de
    Eine Information zum Vortrag von Dr. Worm folgt Anfang Mai.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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