Fast alle Gebiete der Biomedizin, von der Infektions- über die Gehirn- bis zur Krebsforschung, profitieren heute von der Entdeckung des grünen fluoreszierenden Proteins (GFP) und seiner Verwandten, deren wissenschaftliche Geschichte vor 49 Jahren begann und bis heute nicht abgeschlossen ist. Die 580 Nachwuchsforscher aus 67 Ländern, die vom 29. Juni bis 3. Juli am Lindauer Nobelpreisträgertreffen teilnehmen, können diese Geschichte aus erster Hand hören. Denn neben 20 weiteren Nobelpreisträgern kommen alle drei Laureaten des vergangenen Jahres an den Bodensee, um über ihre Arbeit zu berichten: Osamu Shimomura, Martin Chalfie und Roger Tsien.
Wie man einer Qualle aus dem pazifischen Ozean ihr Geheimnis entlocken und dadurch der gesamten Biologie Einblicke in vorher unsichtbare Lebensvorgänge eröffnen kann, das ist ein hervorragendes Beispiel für den Wert der Grundlagenforschung und ihrer anfangs nicht absehbaren Konsequenzen. Fast alle Gebiete der Biomedizin, von der Infektions- über die Gehirn- bis zur Krebsforschung, profitieren heute von der Entdeckung des grünen fluoreszierenden Proteins (GFP) und seiner Verwandten, deren wissenschaftliche Geschichte vor 49 Jahren begann und bis heute nicht abgeschlossen ist. Begeisterung und Beharrlichkeit, Zufall und Zeitumstände, Geduld und Genialität gehören zu dieser Geschichte, deren drei Protagonisten Osamu Shimomura, Martin Chalfie und Roger Tsien im vergangenen Jahr mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet wurden. Die 580 Nachwuchsforscher aus 67 Ländern, die in der kommenden Woche am Lindauer Nobelpreisträgertreffen teilnehmen, können diese Geschichte aus erster Hand hören. Denn neben 20 weiteren Nobelpreisträgern kommen alle drei Laureaten des vergangenen Jahres an den Bodensee, um über ihre Arbeit zu berichten.
Manche Meerestiere leuchten. Besonders beeindruckend strahlen die grünen Punkte im Saum des Glockenkörpers der Qualle Aequorea victoria, die vor der Westküste Nordamerikas zuhause ist. Der Biologieprofessor Frank Johnson aus Princeton beauftragte seinen Assistenten Osamu Shimomura im Sommer 1960 damit, dieses Phänomen zu ergründen. Zusammen mit seinen Mitarbeitern fischte Shimomura im Laufe der nächsten 19 Jahre rund 850.000 Quallen aus dem Pazifik. Aus deren Seitenrändern gewannen sie zunächst ein Filtrat, das zu ihrer Überraschung jedoch blau schimmerte. Shimomura gelang es in monatelanger Arbeit, wenige Tropfen einer blauen Flüssigkeit zu extrahieren und daraus das leuchtende Protein unzerstört zu isolieren. Er nannte es Aequorin. Es funktionierte nur in Gegenwart von Kalziumionen, die im Seewasser reichlich vorhanden sind. Aber warum leuchtete die intakte Qualle grün? Weil sie ein zweites Protein enthält, das das blaue Licht aufnimmt und umwandelt. Das ist das GFP: Ein Lichtabsorber/-emitter inmitten des Moleküls, der sogenannte Chromophor, lässt dieses Protein grün fluoreszieren, denn er wirft ultraviolett und blau eintreffendes Licht in grün erscheinender Wellenlänge zurück, wie Shimomura 1979 beschreiben konnte, nachdem er ein Zehntel Milligramm dieses Chromophors aus 100 Milligramm GFP isoliert hatte.
Noch war die Zeit freilich nicht reif, um diese Erkenntnis zu präzisieren und in die Praxis umzusetzen. Erst die schnellen Fortschritte in der Gentechnik erlaubten es Douglas Prasher seit Mitte der achtziger Jahre, die genetischen Baupläne zunächst von Aequorin und später von GFP zu enthüllen und damit deren Struktur aufzuklären. GFP besteht aus 238 Aminosäuren, die so gefaltet sind, dass das Molekül einer Getränkedose gleicht, in deren Innenraum drei Aminosäuren als Chromophor für Farbigkeit sorgen.
1988 begann sich auch Martin Chalfie für GFP zu interessieren. In einem Seminar über leuchtende Lebewesen an der New Yorker Columbia Universität hatte er erstmals von GFP gehört - und war wie elektrisiert. Sein Spezialgebiet war nämlich der Fadenwurm C. elegans, den sein früherer Chef Sidney Brenner (Medizinnobelpreis 2002) als Modellorganismus in die Molekularbiologie eingeführt hatte. Wenngleich C. elegans aus nur 959 Zellen besteht, hat er doch ein Gehirn, altert und pflanzt sich fort. Ein Drittel seiner Gene - also der Baupläne für seine Proteine - ist mit denen des Menschen verwandt. Darüber hinaus ist er durchsichtig. Seine Organe würden sich unter dem Mikroskop noch besser studieren lassen, wenn sie von innen leuchteten, wusste Chalfie und formulierte folgende Idee: Wenn ich das Gen für GFP an ein organspezifisches Gen des Fadenwurms koppeln könnte, dann müsste aus diesem kombinierten Bauplan ein Protein entstehen, das das spezifische Organ grün leuchten lassen würde. Durch Vermittlung seines Seminarleiters nahm Chalfie Kontakt mit Douglas Prasher auf, der gerade an der Entschlüsselung des GFP-Gens arbeitete und 1992 schließlich eine Kopie davon an Chalfie schicken konnte. Nun koppelte Chalfie das Gen mit dem eines Proteins, das nur in den sechs berührungsempfindlichen Nervenzellen des Fadenwurms aktiv ist. Das Ergebnis dieses Experiments prangte im Februar 1994 auf der Titelseite des Wissenschaftsmagazins Science: Ein Fadenwurm, dessen Berührungsrezeptoren in hellem Grün leuchteten.
Mit diesem grundlegenden Experiment hatte Chalfie bewiesen, dass zur Aktivierung von GFP außer ultraviolettem oder blauem Licht weder Energie noch irgendwelche Enzyme notwendig sind. Zudem hatte GFP dem Fadenwurm keinen Schaden zugefügt. Auch im Bakterium E. coli, in der Fruchtfliege und in der Bäckerhefe, den anderen wichtigen Modellorganismen der Molekularbiologen, ließ es sich problemlos anwenden. Offenbar taugte GFP zum universalen genetischen Marker. Die nachhaltige Bedeutung dieser Entdeckung auf die experimentelle Biomedizin belegt die Zahl von über 20.000 Fachartikeln über GFP, die seit Chalfies Erstpublikation erschienen sind.
Der Arbeit von Roger Tsien ist es zu verdanken, dass GFP aus heutiger Sicht nur der Ausgangspunkt für eine ganze Palette biologisch einsetzbarer Leuchtfarben ist, die auch in Säugetierzellen wirken. Tsien analysierte den präzisen Mechanismus der Farbumwandlung im Chromophor von GFP und stellte dabei fest, dass diese nur in Anwesenheit von Sauerstoff funktioniert. Indem er durch gezielte gentechnische Eingriffe verschiedene Aminosäuren im Chromophor austauschte, konstruierte er Varianten, die Licht aus anderen Teilen des Farbspektrums aufnehmen und abstrahlen können. Er nahm dabei auch Anregungen zweier russischer Forscher auf, die GFP-ähnliche Proteine in leuchtenden Korallen entdeckt hatten. So lassen sich Zellen und einzelne Proteine inzwischen in allen Farben des Regenbogens markieren - rund einhundert verschiedene Farbtöne sind beschrieben worden.
Die gezielte Kopplung von Proteinen an GFP-ähnliche Leuchtmarker bringt "live"- Szenen unter das Mikroskop, die zum Beispiel Kernspindeln in einzelnen Phasen der Zellteilung zeigen, die Wechselwirkung zwischen Signalmolekül und Rezeptor sichtbar machen oder die Bildung neuer Viren in infizierten Zellen nachvollziehen lassen. Proteine sind die wesentlichen Moleküle des Lebens: Sie erhalten seine Statik und steuern seine Dynamik. Ihre Strukturen konnten zum großen Teils bereits im atomaren Detail aufgeklärt werden. Preisgekrönte Pioniere der Röntgenkristallographie wie Hartmut Michel und Robert Huber (Nobelpreis 1988), die mit dieser Methode zum ersten Mal die räumliche Struktur eines Membranproteins darstellten, und der Magnetresonanzspektroskopie wie Richard Ernst (Nobelpreis 1991) und Kurt Wüthrich (Nobelpreis 2002) werden auch am diesjährigen Lindauer Treffen teilnehmen. Die Aktionen der Proteine in ihrem raum- und zeitabhängigen Verhaltensmustern innerhalb lebender Zellen zu verfolgen, ist mit den Methoden der Strukturaufklärung jedoch allenfalls über den Umweg aneinandergereihter Standbilder möglich. Mit Hilfe von GFP-basierten Methoden lassen sich dagegen keine Strukturen aufklären - die Verhaltensanalyse eines einzelnen Moleküls in einer einzigen Zelle gelingt aber ebenso wie die bewegte Visualisierung ganzer Gewebe.
Roger Tsien arbeitet weiter intensiv an der Erschliessung neuer Anwendungsbereiche dieser Methoden. Ein neues infrarot fluoreszierendes Molekül, über das Forscher seines Teams jüngst berichteten, könnte etwa einen Nachteil der bisherigen Leuchtmarker überwinden. Denn deren sichtbares Licht wird von manchen Organen absorbiert und von Knochen abgelenkt. Infrarote Fluoreszenz erlaubte es dagegen beispielsweise, ganz ohne Skalpell die Leber einer lebendigen Maus zu untersuchen und damit schonender mit Versuchstieren umzugehen. Tsiens Fernziel sind Leuchtmoleküle, die ohne Gentransfer aktiviert werden. Dann könnten sie nämlich auch beim Menschen angewandt und als klinische Biomarker für die Diagnose und Verlaufskontrolle von Krankheiten eingesetzt werden.
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie
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Schule und Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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