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30.07.2009 11:10

Grundlagenforscher entdecken Bildungsmechanismen zerstörerischer Sauerstoffverbindungen im Blut

Sina Vogt Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Uniklinik Köln

    Einer Forschergruppe im Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der Uniklinik Köln ist es mit CECAD Cologne (Cluster of Excellence on Cellular Stress Responses in Aging-associated Diseases) und Kieler Wissenschaftlern gelungen, aufzuklären, wie die Bildung von reaktiven Sauerstoffverbindungen (ROS - reactive oxygen species) im Blut durch das Enzym NADPH-Oxidase bei Entzündungsreaktionen aktiviert wird. ROS in zu großer Zahl führen zu oxidativem Stress, denn sie verbrennen (oxidieren) DNA, Lipide und Proteine, die Grundbausteine der Zellen. Leiter der Kölner Forschungsgruppe ist Prof. Martin Krönke, Leiter des Instituts Medizinische Mikrobiologie, Uniklinik Köln.

    Deshalb verstehen Wissenschaftler heute oxidativen Stress vornehmlich als äußerst schädlichen Faktor. Die Reaktion der ROS (auch Sauerstoffradikale genannt) mit der Erbsubstanz DNA wird mit der Entstehung von Krebs in Zusammenhang gebracht, die Oxidation von Lipoproteinen (diese transportieren wasserunlösliche Fette, wie zum Beispiel Cholesterin, im Blut) mit der Entstehung von Atherosklerose.
    ROS entstehen als unvermeidliches Nebenprodukt der Atmungskette während der Energiegewinnung in den "Energiekraftwerken" der Zellen, den Mitochondrien. Besonders viele Mitochondrien finden sich in Zellen mit hohem Energieverbrauch (zum Beispiel Muskel-, Nerven- und Sinneszellen). Eine defekte Mitochondrienfunktion mit stetiger Freisetzung von ROS wird als treibender Motor für degenerative Prozesse und der Zellalterung angesehen.
    Die Fähigkeit zur Bildung von ROS hat jedoch nicht nur schädigende Wirkungen für unseren Organismus, im Gegenteil: Bei Infektionen mit mikrobiellen Erregern bilden zwei Arten der weißen Blutkörperchen, die Granulozyten und die Makrophagen, große Mengen Sauerstoffradikale. Hier haben sie die wichtige Funktion, die mikrobiellen Eindringlinge zu zerstören und so die Immunabwehr zu unterstützen.

    Die Bedeutung der ROS-Bildung für die immunologische Abwehr wird am Beispiel der seltenen Erbkrankheit chronische Granulomatose deutlich: Bei dieser Krankheit ist die Funktion der Granulozyten und Makrophagen gestört. Diese auch als Fresszellen bezeichneten weißen Blutkörperchen können ihren Beitrag zur Immunabwehr nicht erfüllen. Krankheitserreger, speziell pathogene Bakterien und Pilze, breiten sich ohne ständige medikamentöse Behandlung daher weitgehend ungehindert im Körper der Betroffenen aus. Bei der chronischen Granulomatose ist das Enzym NADPH-Oxidase als Hautproduzent von ROS defekt und die Patienten leiden an einer erheblichen Abwehrschwäche bei mikrobiellen Infektionen da sie zuwenig ROS dafür bilden.
    ROS sind also wichtig, haben aber bei der Abwehr von mikrobiellen Erregern einen hohen Preis. Durch die exzessive ROS-Produktion von Immunzellen werden nicht nur die Erreger eliminiert, die hierbei gebildeten ROS richten auch einen Kollateralschaden an: Unvermeidbare Entzündungen. Bei den meisten Infektionen sind nicht die toxischen Eigenschaften des Erregers selbst, sondern vielmehr die reaktive ROS-Bildung und die Entzündungsreaktion unseres eigenen Immunsystems in Folge die klinisch bestimmenden Faktoren für Symptomatik und Krankheitsverlauf.

    Diese Vorgänge sind nun von den Kölner und Kieler Forschern entschlüsselt worden.
    Eine entscheidende Rolle spielt das Enzym Riboflavinkinase.
    Nach Andocken des Entzündungsfaktors und immunologischen Botenstoffs Tumornekrosefaktor (TNF) an seine Erkennungsstruktur auf der Oberfläche von Zellen, dem TNF-Rezeptor, wird die Riboflavinkinase aktiviert und zwei weitere entscheidende Reaktionen ausgelöst:
    Zum einen wird über die Riboflavinkinase der TNF-Rezeptor physisch an die NADPH-Oxidase gekoppelt und zum zweiten wird damit die durch die Riboflavinkinase katalysierte Umwandlung von Riboflavin (Vitamin B2) zu Flavinmononukleotid und Flavinadenindinukleotid (FAD) in unmittelbare Nähe der NADPH-Oxidase gebracht. Durch die Anlagerung von FAD erhöht sich die Rekationsbereitschaft der NADPH-Oxidase, wodurch Granulozyten und Makrophagen in die Lage versetzt werden, die benötigten großen Mengen von ROS für die Abwehr von Krankheitserregern freizusetzen.
    Diese neuen Beobachtungen wurden nun in der renommierten Zeitschrift Nature veröffentlicht und haben über die immunologisch-infektiologischen Aspekte hinaus weiterreichende Bedeutung. Das neue Verständnis zur Regulation der NADPH-Oxidase zeigt Ansatzpunkte für die gezielte therapeutische Unterbindung überschießender ROS-Bildung. Dies könnte den Gewebsschaden einer überschießenden immunologischen Entzündungsreaktion bei Infektionskrankheiten einschränken, ohne den Nutzen, also die Elimination von Infektionserregern zu gefährden. Auch beim unbestrittenen Zusammenhang zwischen vermehrter ROS-Bildung und neurodegenerativen Krankheiten sowie dem Altern können neue Forschungen ansetzen. Bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson und Alzheimer oder bei Artherosklerose und Alterungsprozessen könnte sich eine Unterbindung der Bildung von ROS durch NADPH-Oxidase als therapeutisch wirksam erweisen.

    Versuche zur Therapie beziehungsweise zur Prophylaxe mit Radikalfängern (zum Beispiel Vitamin C) zeigten nicht den gewünschten Erfolg. Dies ist wenig erstaunlich, da Sauerstoffradikale sehr rasch und direkt mit ihren Zielstrukturen reagieren. Einmal gebildet, lassen sich ROS-bedingte Schädigungen zellulärer Moleküle durch Antioxidantien nur wenig effizient blockieren. Die gezielte Dämpfung der NADPH-Oxidase bei Immunantwort, Alterungsprozessen und neurodegenerativen Erkrankungen greift demgegenüber bereits bei der Bildung von ROS ein. Sie erscheint somit als viel versprechendes Konzept, welches die Kölner Wissenschaftler im Sonderforschungsbereich 670 "Zell-autonome Immunität" sowie im Excellence Cluster Cologne Cluster of Excellence on Cellular Stress Responses in Aging-associated Diseases (CECAD) zukünftig weiter verfolgen.

    Bei Rückfragen: Univ.-Prof. Dr. Martin Krönke
    Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene
    Telefon: 0221 478 32000
    Telefax: 0221 478 32002
    E-Mail: martin.kroenke@uk-koeln.de

    Sina Vogt,
    Leiterin Stabsabteilung Kommunikation Uniklinik Köln
    Telefon: 0221 478- 5548
    E-Mail: pressestelle@uk-koeln.de

    Verantwortlich: Sina Vogt, Dr. Patrick Honecker


    Weitere Informationen:

    http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/full/nature08206.html


    Bilder

    Prof. Dr. Martin Krönke
    Prof. Dr. Martin Krönke
    MFK
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Martin Krönke


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