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11.08.2009 10:05

DJI Online Thema 2009/08: Sozialpolitik des Kindes- und Jugendalters im Fokus der Außenstelle des DJI in Halle

Andrea Macion Öffentlichkeitsarbeit/Wissenschaftliches Referat beim Vorstand
Deutsches Jugendinstitut e.V.

    Mit dem Antritt des neuen Leiters Dr. Jan Skrobanek steht die DJI-Außenstelle des Deutschen Jugendinstituts in Halle organisatorisch und inhaltlich vor einer Neuausrichtung. Im Zentrum der Forschungsarbeiten werden verstärkt die Übergänge von Jugendlichen zwischen Schule und Arbeit, die Förderung sozial benachteiligter junger Menschen sowie die Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund stehen. Auf dieser wissenschaftlichen Grundlage können Jugendsozialpolitik und Jugendsozialarbeit den Herausforderungen besser begegnen.

    Um wirksame Förder- und Unterstützungsstrategien entwickeln zu können, sind Politik und Fachpraxis gleichermaßen auf ein vertieftes Wissen über die Bedingungen des Aufwachsens angewiesen. Dazu zählen vor allem der Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf, die Handlungsziele und -potenziale von Jugendlichen sowie die Möglichkeiten und Grenzen der Einflussnahme von institutionellen und pädagogischen Interventionen.

    Im Mittelpunkt der Forschungsaktivitäten des DJI in Halle wird daher verstärkt die Frage stehen, welche individuellen und strukturellen Faktoren dazu führen, dass ein Teil der Jugendlichen - selbst unter ungünstigen Vorsaussetzungen - einen erfolgreichen Entwicklungsverlauf nimmt. Die Untersuchung der Unterstützungspotenziale des sozialen Nahraums, von Herkunftsfamilien und Peers gehört ebenso dazu wie die Evaluation von Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, insbesondere benachteiligte Jugendliche in der Übergangsphase des Erwachsenwerdens zu unterstützen.

    "Sowohl Jugendsozialpolitik als auch Jugendsozialarbeit müssen hierbei die veränderten Rahmenbedingungen sowie die ökonomischen, sozialen, kulturellen und lokalen Disparitäten, die die Lebensumstände der Jugendlichen von heute prägen, sehr genau berücksichtigen, wenn sie erfolgreich sein wollen", erläutert Dr. Jan Skrobanek den sozialräumlich orientierten Lebenslagenansatz der DJI-Forschung.

    Veränderte Rahmenbedingungen

    In den letzten Jahrzehnten hat sich in vielen Bereichen der Gesellschaft ein Strukturwandel vollzogen, der mit Entstandardisierungs- und Entgrenzungsprozessen einhergeht. Für junge Menschen ergeben sich daraus einerseits neue Freiräume und Chancen, aber andererseits auch neue Risiken und Anforderungen. DJI-Studien haben gezeigt, dass die Strukturen und die daran gekoppelten Wege der Jugendlichen in den vergangenen Jahren dynamischer, riskanter und brüchiger geworden sind.

    Überdies hat sich die Verweildauer im (Aus-)Bildungssystem verlängert. 1962 waren 40 Prozent der 16- bis 20-Jährigen erwerbstätig, 40 Prozent waren Lehrlinge und 20 Prozent noch im Bildungssystem. 2009 befindet sich das Gros dieser Altersgruppe im Bildungs- und Ausbildungssystem. Durch den späteren Eintritt ins Erwerbsleben fehlen den meisten Jugendlichen die ökonomischen Grundlagen für eine selbstbestimmte Lebensführung oder auch die Gründung einer Familie, betont Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, Direktor des DJI.

    Darüber hinaus zeigen sich in der Summe erhebliche Passungsprobleme zwischen Ausbildungsnachfrage und -angebot sowie Ausbildungsstrukturen und Arbeitsmarktnachfrage in Deutschland. Das deutsche duale Ausbildungssystem kann immer seltener reibungslose Übergänge sowohl an der sogenannten ersten Schwelle - von der Schule in die Ausbildung - als auch an der sogenannten zweiten Schwelle - von der Ausbildung in die Beschäftigung - gewährleisten, wie Prof. Dr. Heike Solga (Wissenschaftszentrum Berlin) in ihrem DJI-Gastbeitrag sehr genau aufschlüsselt.

    Nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes sind insbesondere junge Menschen Opfer der Wirtschaftskrise. Schon in den Vorjahren bewarben sich insgesamt 320.000 Jugendliche erfolglos um einen Ausbildungsplatz. In diesem Jahr wird das Lehrstellenangebot um weitere 50.000 Plätze zurückgehen. Im Vergleich zum Vorjahr verloren 2009 bereits dreimal so viele junge Menschen ihren Arbeitsplatz als der Durchschnitt. Von den 3,4 Mio. Arbeitslosen im Mai 2009 sind 366.655 unter 25 Jahre alt. In Ostdeutschland lag die Arbeitslosenquote der 20- bis 24-Jahrigen mit 14,8 Prozent fast doppelt so hoch wie in den westlichen Ländern. Gründe dafür sind fehlende Schul- und Berufsabschlüsse und mangelnde Berufserfahrung.

    Chancen zur Risikobewältigung ungleich verteilt

    Damit Jugendliche im Prozess der sozialen und beruflichen Integration Gestaltungschancen nutzen können, benötigen sie Fähigkeiten, um Entscheidungen treffen, Unsicherheiten aushalten sowie Risiken eingehen und sie produktiv handhaben zu können. Hierauf sind nicht alle Jugendlichen gleichermaßen gut vorbereitet.

    o In Deutschland sind Bildungschancen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern überproportional abhängig vom Bildungsstand des Elternhauses. Eine erfolgreiche Bildungsbeteiligung bis zur Einmündung in die Sekundarstufe II ist bei 88 von 100 Akademikerkindern festzustellen, aber nur bei 46 von 100 aus Nicht-Akademikerfamilien.

    o Von Bildungsbenachteiligung sind insbesondere Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund betroffen. Ihre mathematischen, naturwissenschaftlichen Fähigkeiten und die Lesekompetenz sind schlechter ausgeprägt als bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Sie finden sich überrepräsentiert in Hauptschulen und unterrepräsentiert in den Gymnasien wieder.

    o Anhand der lokalen Übergangspanels, die das DJI u.a. in Leipzig, Stuttgart und München durchführt, werden nach aktuellen Erkenntnissen spezifische lokale Diskrepanzen hinsichtlich der Formulierung und Realisierung beruflicher Pläne von Jugendlichen deutlich. Beispielsweise strebten in Leipzig 70 Prozent der HauptschulabgängerInnen eine Ausbildung an; mehr als der Hälfte gelang dies auch. In Stuttgart waren es 30 Prozent, von denen jedoch nur 24 Prozent ihren Plan realisieren konnten.

    o Ein weiteres Indiz für die Ungleichverteilung der Risiken ist die Furcht vor Arbeitslosigkeit, die in der unteren Bildungsschicht am größten und zudem von 2002 bis 2006 gestiegen ist.

    Gemeinsame Anstrengungen notwendig

    Die ungleiche Verteilung der Ressourcenzugänge hat Konsequenzen für eine verantwortliche und moderne Form der Jugendsozialpolitik. Als Querschnittsaufgabe steht sie vor der Herausforderung, konfliktträchtige und die Persönlichkeitsentwicklung hemmende Friktionen zwischen Institutionen und individuellen Potenzialen von Jugendlichen zu verhindern. Für eine erfolgversprechende Entwicklung sind neben Familie und Freundeskreis insbesondere auch politische und institutionelle Akteure (u.a. Schulen, Einrichtungen und Träger der Jugendsozialarbeit, Verbände, Arbeitsagenturen, ARGEn, Betriebe) gefordert. Sie leisten wichtige Beiträge zur Strukturierung und Stabilisierung der Lebensverläufe junger Menschen. Mögliche Effizienzsteigerungen im Zusammenspiel dieser Akteure können durch die lokalen Übergangspanels des DJI genau ermittelt werden.

    Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt begrüßt die stärkere regionale Verankerung des DJI am Standort Halle ausdrücklich und unterstützt "als motivierter Kooperationspartner die DJI-Forschung mit dem Ziel der Verbesserung der sozialen und beruflichen Integration besonders benachteiligter junger Menschen", so die Ministerin Dr. Gerlinde Kuppe, Ministerin für Gesundheit und Soziales in Sachsen-Anhalt.

    Auch der ehemalige Arbeits- und Sozialminister Walter Riester (MdB) plädiert im DJI-Gespräch dafür, in einer gemeinsamen Anstrengung die Jugendlichen darin zu unterstützen, die wirtschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Veränderungen nicht als Bedrohung zu sehen, sondern als Chance nutzen zu können.


    Weitere Informationen:

    http://www.dji.de/thema/0908


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Politik, Psychologie, Wirtschaft
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Personalia
    Deutsch


     

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