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21.09.2009 10:57

MDC-Forscher entdecken Molekül, das Verzweigung von Nervenbahnen steuert

Barbara Bachtler Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch

    Das menschliche Gehirn besteht aus rund 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen), die untereinander etwa 100 Billionen Verbindungen knüpfen. Ein entscheidender Mechanismus für die Entstehung dieses komplexen Verschaltungsmusters ist die Ausbildung neuronaler Verzweigungen. Die Neurobiologen Dr. Hannes Schmidt und Prof. Fritz G. Rathjen vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch haben jetzt ein Molekül entdeckt, das diesen lebenswichtigen Prozess steuert. Zugleich gelang es ihnen damit, die von diesem Molekül ausgelöste Signalkaskade aufzuklären (PNAS, Early Edition, 2009, doi:10.1073)*.

    Eine einzelne Nervenzelle kann durch die Verästelung ihres faserartigen Fortsatzes (des Axons) Ausläufer in mehrere Zielgebiete entsenden und dadurch Informationen zu mehreren Schaltstellen gleichzeitig übertragen. Prinzipiell unterscheiden Neurobiologen zwei Arten axonaler Verzweigungen: einerseits Verzweigungen des Wachstumskegels an der Spitze eines Axons und andererseits das Aussprossen von Seitenästen (Kollateralen) aus dem Axonschaft.

    Beide Formen axonaler Verzweigung lassen sich in sensorischen Neuronen beobachten, die unter anderem Tast-, Schmerz-, und Temperaturempfindungen vermitteln. Wenn die Axone dieser Neurone das Rückenmark erreichen, gabelt sich zunächst ihr Wachstumskegel (Bifurkation) und sie verzweigen sich in zwei, in entgegengesetzte Richtungen weiterwachsende Äste. Später sprossen aus dem Schaft dieser Tochteraxone neue Äste, die in die graue Substanz des Rückenmarks ziehen.

    Dr. Hannes Schmidt und seinen Kollegen gelang es durch Untersuchungen an sensorischen Neuronen ein Eiweißmolekül zu identifizieren, das die Gabelung der Wachstumskegel sensorischer Axone steuert, das Peptidmolekül CNP (die Abkürzung steht für C-type natriuretic peptide). In transgenen Mäusen konnten die Wissenschaftler zeigen, dass CNP genau dann im Rückenmark gebildet wird, wenn sensorische Neurone einwachsen. Fehlt CNP, so findet auch keine Bifurkation mehr statt. Wie elektrophysiologische Messungen ergaben, führt das zu einer verminderten Reizübertragung im Rückenmark.

    Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse ergänzen frühere Entdeckungen der Forschungsgruppe von Prof. Rathjen: Verantwortlich für die Bifurkation sensorischer Axone ist demzufolge eine Signalkaskade. Sie wird dadurch in Gang gesetzt, dass CNP an seinen Rezeptor Npr2 (Natriuretic peptide receptor 2) auf der Oberfläche der Axone bindet, was wiederum die Bildung des sekundären Botenstoffes cGMP auslöst. Dieser Botenstoff aktiviert anschliessend die Proteinkinase cGKI (cGMP-dependent protein kinase I), die eine ganze Reihe von Zielproteinen an- und abschalten kann. Das Zytoskelett der Nervenzellen wird dadurch so verändert, dass sich ihr Wachstumskegel in zwei Tochteraxone aufspaltet.

    Als nächstes wollen die Wissenschaftler jetzt versuchen, die Identität dieser Zielproteine zu entschlüsseln. Weiterführende Analysen sollen klären, ob die cGMP-Signalkaskade gleichfalls die Verzweigung anderer Axonsysteme steuert und ob dadurch die Schmerzempfindung beeinflusst wird.

    *C-type natriuretic peptide (CNP) is a bifurcation factor for sensory neurons
    Author affiliation: Hannes Schmidta, Agne Stonkutea, René Jüttnera, Doris Koeslingb, Andreas Friebeb, Fritz G. Rathjena
    a Department of Developmental Neurobiology, Max Delbrück Center for Molecular Medicine, Robert Rössle Str. 10, D-13092 Berlin
    b Institute for Pharmacology and Toxicology, Ruhr University Bochum, D-44780 Bochum
    Correspondence to F.G. Rathjen: rathjen@mdc-berlin.de


    Weitere Informationen:

    http://www.mdc-berlin.de/en/research/research_teams/developmental_neurobiology/P...


    Bilder

    Schematische Darstellung einer sensorischen Nervenzelle. Beim Einwachsen des Axons des sensorischen Neurons in die Graue Substanz des Rückenmarks sind zwei Typen der Verzweigung zu beobachten: An der Dorsalwurzeleingangszone teilt sich der Axonschaft in zwei Äste (1), die auf der Oberfläche des Rückenmarks in entgegengesetzter Richtung weiterwachsen. Aus diesen Ästen sprossen danach an mehreren Stellen Kollaterale (2) und ermöglichen so die Übertragung eines Reizes auf mehrere Zielzellen.
    Schematische Darstellung einer sensorischen Nervenzelle. Beim Einwachsen des Axons des sensorischen ...
    (Zeichnung: Hannes Schmidt / Copyright: MDC)
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    Dorsale Ansicht des Rückenmarks mit einzeln sichtbaren sensorischen Neuronen. A) Wildtyp mit durch Pfeile gekennzeichneten Bifurkationen und B) CNP-Knockout-Maus.
    Dorsale Ansicht des Rückenmarks mit einzeln sichtbaren sensorischen Neuronen. A) Wildtyp mit durch P ...
    (Foto: Hannes Schmidt / Copyright: MDC)
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Schematische Darstellung einer sensorischen Nervenzelle. Beim Einwachsen des Axons des sensorischen Neurons in die Graue Substanz des Rückenmarks sind zwei Typen der Verzweigung zu beobachten: An der Dorsalwurzeleingangszone teilt sich der Axonschaft in zwei Äste (1), die auf der Oberfläche des Rückenmarks in entgegengesetzter Richtung weiterwachsen. Aus diesen Ästen sprossen danach an mehreren Stellen Kollaterale (2) und ermöglichen so die Übertragung eines Reizes auf mehrere Zielzellen.


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    Dorsale Ansicht des Rückenmarks mit einzeln sichtbaren sensorischen Neuronen. A) Wildtyp mit durch Pfeile gekennzeichneten Bifurkationen und B) CNP-Knockout-Maus.


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