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23.09.2009 11:30

Bremer Forscher präsentieren die kleinsten Stadtmusikanten der Welt: Nur so hoch wie ein Haar dick ist:

Maya Schulte M. A. Öffentlichkeitsarbeit
BIAS Bremer Institut für angewandte Strahltechnik GmbH

    Dreidimensional hergestellt mithilfe der Nanolithografie: Bremer Mikro-Quartett Esel, Hund, Katze und Hahn / BIAS und Nanoscribe streben Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde an / BIAS richtet Nanostrukturlabor ein

    Nicht einfach nur mini, sondern mikro: Mit bloßem Auge sind die Bremer Stadtmusikanten nicht mehr zu erkennen. Jedenfalls nicht die, die durch eine Zusammenarbeit des Bremer Instituts für angewandte Strahltechnik (BIAS GmbH) an der Universität Bremen mit der Nanoscribe GmbH in Eggenstein-Leopoldshafen bei Karlsruhe entstanden sind. Nun streben beide den Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde an. Bei gutem Auge sind alle vier Musikanten zusammen vielleicht noch als Pünktchen zu erahnen, und den Beweis für ihre Existenz kann nur die Aufnahme mit einem Rasterelektronenmikroskop (REM) liefern.

    Was vielleicht anmutet wie eine Spielerei, hat durchaus einen ernsthaften Hintergrund. Für seine Forschungen suchte das BIAS nach einem System, das extrem kleine Objekte mit einem Laser-Lithografie-Verfahren herstellen kann. Das ist eine Methode, bei der mithilfe von Laserlicht und lichtempfindlichen Materialien zwei- und dreidimensionale Strukturen geschaffen und reproduziert werden können. Angewendet werden solche Verfahren zum Beispiel zur Herstellung von Strukturen in der Halbleitertechnologie bei der Produktion von Computer-Chips. Die filigranen Leiterbahnen auf den Chips entstehen durch Belichtungsprozesse, ähnlich wie bei der Entwicklung von Fotos, wo die lichtempfindliche Schicht auf dem weißen Fotopapier durch das Film-Negativ hindurch belichtet und dadurch ein chemischer Prozess in der Schicht ausgelöst wird. Alle Flächen des Fotopapiers, auf die kein Licht gefallen ist, bleiben weiß; die belichteten Flächen reagieren je nach Intensität des Lichteinfalls unterschiedlich stark. Das Laser-Lithografie-Verfahren ist um einiges komplizierter, funktioniert aber nach demselben Prinzip.

    Die Anforderungen der Bremer Wissenschaftler an die Leistungsfähigkeit des gewünschten Systems waren sehr anspruchsvoll und BIAS-Wissenschaftler Colin Dankwart begab sich auf die weltweite Suche. Fündig wurde er in Baden-Württemberg. Die Nanoscribe GmbH in Eggenstein-Leopoldshafen bei Karlsruhe verfügte über das erforderliche Wissen und die richtigen Anlagen. Nun musste nur noch an einem Beispiel gezeigt werden, was das Nanoscribe-System kann. "Warum soll man das nicht anhand eines weltbekannten Motives demonstrieren?", sagte sich Prof. Ralf B. Bergmann. Seit Juli 2008 leitet er den Geschäftsbereich "Optische Messtechnik und optoelektronische Systeme" am BIAS und trat gleichzeitig eine Professur für "Angewandte Optik" im Fachbereich Physik/Elektrotechnik der Universität Bremen an. Dass sich die Stadtmusikanten auch als Objekt zur Erklärung komplexer Untersuchungen bestens eignen, hatte Bergmann schon anlässlich seiner Antrittsvorlesung "Angewandte Optik - Schlüsseltechnologie für das 21. Jahrhundert" bewiesen.

    Die Entstehung der Bremer Mikro-Musikanten

    Und wie sind die winzigen Musikanten nun entstanden? Man kann es sich einfach vorstellen wie ein dreidimensionales Schreiben oder Zeichnen: Als Bleistift fungiert ein Laserstrahl, der nicht auf Papier sondern in dem Fotolack schreibt, der auf einen Objektträger eines Mikrokops aufgetragen wurde. Dieser Laser ist ein Femtosekunden-Pulslaser, dessen ohnehin schon gebündeltes Licht durch ein Linsensystem weiter fokussiert wird. Genau in diesem Fokus, wo die Energie des Lichtstrahls am größten ist, zeichnet sich dieser Pulslaser durch eine besondere Leistungsstärke aus. Anders ausgedrückt: Spitzer kann dieser "Bleistift" nicht sein; eine bessere Auflösung zur Herstellung dreidimensionaler Objekte gibt es derzeit kaum. Im Fokus dieses gebündelten Pulslaser-Lichtes nimmt der lichtempfindliche Fotolack die Energie auf: Der Fotolack absorbiert das Licht, es findet ein chemischer Prozess statt, und der Lack härtet an dieser Stelle aus. Fachleute sprechen hier von einem Zwei-Photonen-Prozess. Möglich wird der durch die extrem hohe Energiedichte im zentralen Bereich des fokussierten Lichtes dieses Lasers. Das System fährt die vorgegebenen Strukturen ab. Die Geometriedaten der Bremer Stadtmusikanten (die dreidimensionale, digitale Form) wurden im BIAS erstellt. "Diese 3D-Zeichnungen haben dem System gewissermaßen alle geometrischen Eckdaten für die Belichtung vorgegeben", erklärt BIAS-Wissenschaftler Dankwart. Aber auch wenn der Belichtungsprozess abgeschlossen sei, sehe man noch nichts, setzt er nach. In einem letzten Schritt werde das nicht belichtete, also nicht ausgehärtete Material entfernt - und dann stehen sie da, die Bremer Stadtmusikanten, mal gerade rund 80 Mikrometer "groß", also nur so hoch wie ein durchschnittliches, menschliches Kopfhaar dick ist.

    Miniaturisierung von Optiken - neues Nanostrukturlabor

    Und wofür braucht das BIAS das System? Bergmann erklärt: "Die Optik ist eine der wesentlichen Schlüsseltechnologien unserer Zeit. Ihre Bedeutung reicht weit über Produkte wie zum Beispiel Kameras, medizinische Geräte, Mobiltelefone oder Bildschirme hinaus. Auch in vielen anderen Bereichen wie der Entwicklung neuer Werkstoffe und Produktionsverfahren, der Qualitätssicherung oder der Informationstechnologie bis hin zur Optimierung regenerativer Energiewandler spielen optische Technologien eine entscheidende Rolle." Für die weitere Optimierung bestehender oder die Entwicklung neuer Produkte müssen auch Optiken miniaturisiert werden. Genau daran forscht das Wissenschaftler-Team rund um Bergmann. "Die Möglichkeiten mit konventionellen Optiken sind da recht begrenzt", sagt er. Für neue Entwicklungen werden diffraktive optische Elemente benötigt (diffraktiv: das Licht beugend). Mit ihnen lässt sich das Licht in weitaus flexiblerer Art und Weise beeinflussen als zum Beispiel mit herkömmlichen Linsenoptiken. Aber diese Elemente haben Strukturgrößen, die wesentlich kleiner sind als die sichtbaren Lichtwellenlängen. Mit dem neuen System - es wird künftig im neuen Nanostrukturlabor des BIAS stehen - können die Forscher solche 3D-Nano-Strukturen für optische Anwendungen herstellen.

    Nanoscribe: Herstellung dreidimensionaler Mikro- und Nanostrukturen

    Die Nanoscribe GmbH ist eine Ausgründung des Forschungszentrums Karlsruhe GmbH und der Universität Karlsruhe (TH). Das Unternehmen entwickelt und vertreibt Laser-Lithografiesysteme für die Herstellung dreidimensionaler Nano- und Mikrostrukturen in kommerziell erhältlichen Fotolacken sowie Prozess-Technologien für die dreidimensionale Mikro- und Nanostrukturierung. Es entwickelt auch selbst Fotolacke für die 3D-Laser-Lithografie. "Der Aufbau komplexer 3D-Nano- und Mikrostrukturen, wie sie in der Forschung und in der optischen Industrie immer stärker nachgefragt werden, ist mittels konventioneller Techniken - wenn überhaupt - nur in aufwändigen Verfahren möglich", erklärt Nanoscribe-Geschäftsführer Dipl.-Phys. Martin Hermatschweiler. "Mit unseren 3D-Laserlithografen erreichen wir aktuell minimal erzielbare Strukturgrößen von ungefähr 100 Nanometer - für zwei- und dreidimensionale Strukturen." Das ist ein Zehntausendstel Millimeter. Eingesetzt werde das System für anwendungsorientierte Grundlagenforschungen zum Beispiel in den Bereichen der Zellbiologie, der Photonik oder den Materialwissenschaften.

    BIAS: Forschung zu Lasertechnik für Materialbearbeitung und zu Optischer Messtechnik

    Das Bremer Institut für angewandte Strahltechnik GmbH ist eines der ältesten und größten Forschungsinstitute in Bremen. Seit 1977 führt es anspruchsvolle Forschungs- und Entwicklungsaufgaben auf dem Gebiet der Lasermaterialbearbeitung und der optischen Messtechnik durch und hat sich mit seinen Forschungen ein internationales Renommee erworben. Das BIAS arbeitet sowohl in Kooperation mit der Industrie als auch im Rahmen öffentlich geförderter nationaler und internationaler Forschungsvorhaben. Es ist an mehreren Sonderforschungsbereichen (SFB) der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Universität Bremen beteiligt, initiierte den SFB "Mikrokaltumformen - Prozesse, Charakterisierung, Optimierung" (SFB 747) und hat hier auch die Federführung. Das BIAS entwickelte unter anderem Schweißverfahren, die heute im Flugzeug- und Schiffbau, sowie im Schienenfahrzeug- und im Automobilbau eingesetzt werden. Die am BIAS entwickelten optischen Messmethoden werden sowohl für sehr große Strukturen als auch für die sehr kleinen im Nanometerbereich verwendet. Die Einsatzgebiete: für die Sicherheit von Flugzeugen bis hin zu Messungen beim Tagebau oder für die Bestimmung des Umweltzustandes der Ostsee. Zudem trägt das Institut mit seinen Forschungen zur Holographie zum Aufbau des dreidimensionalen Fernsehens bei.

    (Sabine Nollmann)

    Achtung Redaktionen:

    Fotos zum Herunterladen unter anderem von den Original-Stadtmusikanten in Bremen finden Sie unter der Internet-Adresse http://www.bias.de/Publikationen/Bilder

    Ihre Ansprechpartner:

    Prof. Dr. rer. nat. Ralf B. Bergmann (Geschäftsführer am BIAS)
    Telefon: 0421 218-50 03, E-Mail: bergmann@bias.de

    Dipl.-Phys. Martin Hermatschweiler (Geschäftsführer Nanoscribe GmbH)
    Telefon: 07247 82-88 41, E-Mail: hermatschweiler@nanoscribe.de


    Weitere Informationen:

    http://www.bias.de
    http://www.bias.de/Events/Archive/AntrittsvorlesungBergmann
    http://www.nanoscribe.de


    Bilder

    Kaum zu glauben aber wahr: Nur 80 Mikrometer "groß" sind diese Stadtmusikanten - mit bloßem Auge nur noch als Pünktchen zu erkennen.
    Kaum zu glauben aber wahr: Nur 80 Mikrometer "groß" sind diese Stadtmusikanten - mit bloßem Auge nur ...
    Quelle: Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme: Nanoscribe

    Professor Dr.-Ing. Ralf  Bergmann (BIAS) veranschaulicht seine komplexen Forschungen gerne am Beispiel des weltbekannten Motives "Stadtmusikanten".
    Professor Dr.-Ing. Ralf Bergmann (BIAS) veranschaulicht seine komplexen Forschungen gerne am Beispi ...
    Quelle: Foto:Maya Schulte (BIAS)


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Elektrotechnik, Informationstechnik, Maschinenbau, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

    Kaum zu glauben aber wahr: Nur 80 Mikrometer "groß" sind diese Stadtmusikanten - mit bloßem Auge nur noch als Pünktchen zu erkennen.


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    Professor Dr.-Ing. Ralf Bergmann (BIAS) veranschaulicht seine komplexen Forschungen gerne am Beispiel des weltbekannten Motives "Stadtmusikanten".


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