Die medizinische Versorgung im Mittelalter lag vor allem in den Händen der Nonnen und Mönche in den Klöstern. Die von ihnen praktizierte Kräuterheilkunde intensiv zu erforschen, ist zentrales Anliegen der Forschungsgruppe Klostermedizin. Im Botanischen Garten der Universität mit seiner umfangreichen Arzneikräutersammlung hat die Gruppe unlängst ihr 10-jähriges Bestehen mit einem Symposium gefeiert.
Die Forschungsgruppe besteht seit 1999 und ist eine Ausgründung aus dem Institut für Geschichte der Medizin an der Universität Würzburg. Die Universität stellt Räume und Ausstattung zur Verfügung. Der Sprecher der Gruppe, der Medizinhistoriker Dr. Johannes Gottfried Mayer, ist auch in die Lehre eingebunden und betreut Doktorarbeiten in der Pharmazie und in der Medizin. Finanziert wird die Forschungsgruppe zum größten Teil durch die Abtei Pharma Vertriebs GmbH.
Um den Arzneipflanzenschatz der Klostermedizin, die auch als traditionelle europäische Medizin verstanden werden kann, möglichst komplett zu dokumentieren, versuchen die Wissenschaftler alle Kräuter- und Arzneihandbücher von der Spätantike (circa 60 nach Christus) bis ins 16. Jahrhundert zu erfassen und zu analysieren. Dazu arbeiten sie die für die Pflanzen damals üblichen Indikationen und Anwendungen heraus und vergleichen diese mit dem heutigen modernen Stand der Forschung. Gelegentlich ergeben sich darüber auch neue Anwendungen für längst bekannte Arzneikräuter.
Ein Name für verschiedene Heilkräuter
Da es im Mittelalter keine feste Nomenklatur dafür gab, sehen sich die Forscher bei dieser Arbeit nicht selten mit ganz verschiedenen Namen für eine Pflanze konfrontiert: So wird die Schlüsselblume unter anderem Primula veris, Gichtkraut, Himmels- oder auch Petrusschlüssel genannt. Schwieriger wird es noch, wenn eine Bezeichnung für verschiedene Pflanzen verwendet wurde. Solidago zum Beispiel, womit im Mittelalter Beinwell gemeint war, steht in neuerer Zeit für die Goldrute. "Da geht man dann furchtbar in die Irre, wenn man das nicht weiß", sagt Johannes Mayer. Und nachdem die Kräuterbücher im Mittelalter nur spärlich oder gar nicht bebildert waren, finden sich in dieser Zeit auch nur selten Illustrierungen, die Aufschluss geben könnten.
Besonders im 15. und 16. Jahrhundert ist es aber auch immer wieder zu folgenreichen Verwechslungen gekommen. In ihrem Bemühen, ihre Texte inhaltlich abzusichern, hätten die Drucker in den nun neu erscheinenden Büchern versucht, alles auf die alten Autoritäten, die Gelehrten aus der Antike, zu beziehen, berichtet Mayer. So kam es zum Beispiel, dass der Hopfen - Humulus lupulus - der in Europa erst im Mittelalter zur Arzneipflanze wurde, plötzlich bei Erkältungskrankheiten eingesetzt wurde - einer Indikation also, die die arabischen Gelehrten in ihren medizinischen Schriften von alters her Volubulis zugeschrieben hatten, womit allerdings der Efeu gemeint war. "Und es hat 200 Jahre gedauert, bis das jemand gemerkt hat."
Knapp 600 Heilpflanzen hat die Forschungsgruppe mittlerweile grob erfasst, etwa 120 davon - von Baldrian über Beinwell, Hopfen, Fenchel, Ingwer und Zimt - sind ausführlicher bearbeitet. Die Ergebnisse fließen in eine ausführliche Datenbank ein. Das bislang wichtigste Projekt, das Handbuch der Klosterheilkunde, 2002 erstmals erschienen, liegt mittlerweile in der 11. Auflage vor und wurde bereits 200 000 Mal verkauft. Aktuell arbeiten die Forscher daran, das vorhandene Bildmaterial auszuwerten. "Durch die Abbildungen kommt man auch an die Unterarten der Pflanzen ran. Deren Besonderheiten zu erkennen, hätte man im Text keine Chance", erklärt Mayer. "Aber im Bild erkennt man sofort: Das ist eine ganz speziell Art von Königskerze."
In der Forschungsgruppe sind neben Johannes Mayer die beiden Würzburger Pharmazeutinnen Heike Will und Katharina Mantel beteiligt sowie der Altphilologe Dr. Konrad Goehl, der die oft schwer zu entschlüsselnden Quellen zunächst aus dem Lateinischen übersetzt und transkribiert. Dr. Bernhard Uehleke (Freie Universität Berlin) bringt sich mit seiner Expertise zu Naturheilverfahren ein, Dr. Sabine Anagnostou (Universität Marburg) ist Spezialistin für Missionsmedizin, also die Kenntnisse über Heilpflanzen, die die Mönche aus den Kolonien mitgebracht haben. Nicht zuletzt ist der Zisterzienserpater Dr. Herrman Josef Roth, promovierter Biologe und Ordenshistoriker aus Bonn, ein "wichtiger und kritischer Begleiter". Er sei ein ausgewiesener Experte zur Geschichte der Benediktiner und Zisterzienser, berichtet Johannes Mayer. Vor allem aber habe er für die Forschergruppe schon manche Pforte geöffnet: "Durch ihn bekommen wir Zugang zu Bibliotheken von Frauenklöstern, in die wir sonst niemals reinkommen würden."
Kontakt: Dr. Johannes Gottfried Mayer, T (0931) 83264, E-Mail: johannes.mayer@mail.uni-wuerzburg.de
Medizinhistoriker Dr. Johannes Gottfried Mayer, Sprecher der Forschungsgruppe Klostermedizin an der ...
Foto: Margarete Pauli
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Geschichte / Archäologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Medizinhistoriker Dr. Johannes Gottfried Mayer, Sprecher der Forschungsgruppe Klostermedizin an der ...
Foto: Margarete Pauli
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