Medienmitteilung der Uni Bayreuth, Nr. 55/96, 27. November 1996
21. Jahrestag:
3 PREISE - 6 PREISTRAEGER
12000 DM Preissumme
Bayreuth (UBT). Drei Preise, sechs Preistraeger und eine Gesamtpreissumme von 12.000 DM - so koennte man kurz und buendig die Verleihung des Preises des Universitaetsvereins, die der Stadt Bayreuth fuer die besten Abschlussarbeiten und den des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) fuer einen mit hervorragenden Leistungen in Bayreuther studierenden Auslaender beim 21. Jahrestag der Universitaet Bayreuth zusammenfassen.
Wissenschaftspreis des Uni-Vereins
Der mit 5.000 DM dotierte Wissenschaftspreis des Universitaetsvereins geht 1996 zu gleichen Teilen an die beiden Bayreuther Historiker Dr. Amalie Foessel und Dr. Christoph Kampmann.
Dr. Foessel hat, so steht es in der Verleihungsurkunde, mit ihren Arbeiten zur Geistes-, Sozial- und Mentalitaetsgeschichte die historische Forschung mit grundlegenden und innovativen Beitraegen bereichert. Sie hat in ihrer Dissertation ("Die Ortlieber - eine spiritualistisch-mystische Ketzergruppe im 13. Jahrhundert") ein seit mehr als 100 Jahren bekanntes und als geradezu unloesbar geltendes Problem der mittelalterlichen Ketzergeschichte aus der Welt geschaffen. Es handelt sich um die in den Quellen des 13. Jahrhunderts erscheinenden Ordlibenses oder Ortlibarii, die man in der Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts beinahe jeder der bekannten Haeresien und mittelalterlichen Ketzergruppen von den Amalrikanern ueber die Katharer bis hin zu den Waldensern zugeordnet hat. Man zog es sogar vor, an ihrer Existenz zu zweifeln oder sie einfach als "raetselhaft und nicht weiter erforschbar" hinzustellen. Diesem "misslichen Forschungsstand", so Dr. Foessels Doktorvater Professor Dr. Peter Segl, Inhaber des Lehrstuhls fuer Mittelaltergeschichte und Historische Hilfswissenschaften, hat sie ein Ende gemacht. In ihrer Arbeit wies sie naemlich nicht nur die Existenz und die soziale Verankerung der Ortlieber nach, sondern analysierte auch erstmals in monographischer Darstellung die Lehren dieser Ketzergruppe vor dem Hintergrund der theologischen und philosophischen Diskussion des 12. und 13. Jahrhunderts. Dadurch bestimmte sie den Platz der Ortlieber in der "Ketzerszene" des Mittelalters. Die Preistraegerin hatte dabei fachuebergreifend gearbeitet und Bereiche der Mittelalterlichen Philosophie und Theologie eingebunden.
Die von den Gutachtern mit der Note "ausgezeichnet" (0) bewertete Doktorarbeit ist von den Monumenta Germaniae Historica, dem weltweit fuehrenden Mittelalterinstitut, zur Publikation angenommen worden, was nach den Worten Professor Segls "ueber die Bayreuther Gutachten hinaus fuer die herausragende Qualitaet dieser Forschungsleistung" spricht.
In ihre Habilitationsarbeit, die der Preis auch unterstuetzen soll, wird sie sich mit dem Thema der Koenigin als Institution im roemisch-deutschen Reich des 10. bis 15. Jahrhundert beschaeftigen. Ziel dieses Projektes ist es, neben dem in erster Linie an der Kroenungs- sowie an Titulaturen, Hofstaat und persoenlicher materieller Ausstattung erkennbaren "Status" der Koenigin insbesondere die Herrschaftsrechte und die Formen und Moeglichkeiten der Herrschaftsausuebung herauszuarbeiten und dabei vor allem die Entwicklung und Veraenderung ihrer Stellung zu untersuchen.
Dr. Christoph Kampmann wird in der Verleihungsurkunde attestiert, dass er mit seinen Arbeiten zu Reichsrecht und politischer Strafjustiz im 17. Jahrhundert der historischen Forschung wichtige neue Erkenntnisse vermittelt hat.
Kampmann, wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl Geschichte der fruehen Neuzeit (Professor Dr. Franz Bosbach) hatte in seiner Dissertation "Reichsrebellion und Kaiserliche Acht. Poltische Strafjustiz im Dreissigjaehrigen Krieg und das Verfahren gegen Wallenstein", das vorherrschende Bild von einer der praegenden Gestalten der deutschen und europaeischen Geschichte in einem wichtigen Aspekt entscheidend korrigiert. Er hatte naemlich die Auseinandersetzungen zwischen dem Kaiser und Wallenstein, die 1634 zum Tod des Feldherrn fuehrten, in den Kontext der historisch gewachsenen Rechtsnormen gestellt und auf diese Weise einer neuen und adaequaten Deutung zugefuehrt.
In seinem noch laufenden Habilitationsvorhaben will der Preistraeger einer fuer die zwischenstaatlichen Beziehungen des 16., 17. und 18. Jahrhunderts wichtigen, aufgrund seiner Komplexitaet aber bislang vernachlaessigten Leitvorstellung fuer politisches Handeln in Europa nachgehen, um ihre mittelalterlichen Traditionen offenzulegen und ihre Wirksamkeit im Spannungsgefuege der fruehneuzeitlichen Staaten aufzuweisen.
Preise der Stadt Bayreuth
Die Preise der Stadt Bayreuth fuer 1996 wurden an den Volkswirt Dr. Dominik Graf von Stillfried fuer seine Dissertation sowie fuer die Biologin Martina Mund und den Mathematiker Anton Betten fuer ihre Diplomarbeiten verliehen. Der Preis fuer die Doktorarbeit ist mit 2.000 DM dotiert, die beiden Diplomarbeiten mit je 1.500 DM.
Diplom-Volkswirt Dr. Dominik Graf von Stillfried (Hennef) hatte seine Doktorarbeit in der Volkswirtschaftslehre mit dem Titel "Gesundheitssysteme im Wandel. Das Dilemma zwischen Bedarf und Eigenverantwortung: Medizinische Grundversorgung als Reformperspektive? Eine evolutorische Analyse" geschrieben. Betreut wurde er durch Professor Dr. Peter Oberender, dem Inhaber des Lehrstuhls fuer Volkswirtschaftslehre/Wirtschaftstheorie.
Die mit "summa cum laude" bewertete Arbeit Dr. von Stillfrieds beschaeftigt sich mit einem gesundheitspolitisch und wissenschaftlich sehr aktuellen Thema, naemlich der Reform des Gesundheitswesens im allgemeinen und der Neudefinition des Solidarprinzips im Besonderen. Von Stillfried habe eine sehr gruendliche und sehr ausgewogene Dissertation vorgelegt, wuerdigte Professor Oberender das Werk, die nicht nur als einen exzellenten
Kenner der relevanten Literatur ausweise, sondern auch sehr nachdruecklich zeige, dass er in der Lage sei, komplexe Sachverhalte auf einem sehr hohen wissenschaftlichen Niveau zu diskutieren und zu analysieren.
Martina Mund (Eckersdorf) hatte ihre Diplomarbeit im Fach Biologie ueber "Wachstum und oberirdische Biomasse von Fichtenbestaenden in einer Periode anthropogener Stickstoffeintraege" geschrieben und war von Professor Dr. Ernst-Detlef Schulze (Lehrstuhl Pflanzenoekologie I) betreut worden.
Im Rahmen der pflanzenoekologischen Arbeiten ueber die Stickstoffnutzung von Waldbaeumen war es ihre Aufgabe, das Wuchsverhalten der Fichte im Einzugsgebiet des Waldsteins zu untersuchen.
Besonders aufschlussreich ist, so Professor Schulze, die historische Rekonstruktion des Wachstums der Bestaende, die ein erhoehtes Wachstum in der letzten Dekade selbst fuer Altbestaende dokumentiert. Die 140jaehrigen Altbestaende wuchsen in ihrer Jugend langsamer als die Jungbestaende der 90er Jahre. Der Befund einer Zuwachssteigerung wurde von Frau Mund in Beziehung gesetzt zu der Bestandsdichte und zu den derzeitigen Immissionen. Sie fand dabei heraus, dass die Zuwachssteigerung der Einzelbaeume wesentlich auf die forstlichen Freistellung der 80er Jahre beruht und nicht allein durch die Immissionen zu begruenden ist. Die Arbeit wurde mit der Note sehr gut (1) bewertet.
Der Preistraeger Anton Betten hatte seine Diplomarbeit bei Professor Dr. Adalbert Kerber (Lehrstuhl Mathematik) ueber das Thema "Gruppenaktionen auf Verbaenden und die Konstruktion kombinatorischer Objekte" geschrieben.
Die Arbeit ist insbesondere den Graphen, Codes und Designs gewidmet. Graphen sind Wechselwirkungsmodelle, Codes spielen eine wichtige Rolle bei der Nachrichtenuebertragung und Designs ermoeglichen optimale Konzipierung von Experimenten. Beispielsweise sind einzelne Systemtips im Lotto spezielle solcher Designs.
Die Ergebnisse und die im Rahmen der Diplomarbeit entwickelten Programmsysteme des Preistraegers haben u. a. ganz wesentlich zum Auffinden der weltweit ersten sogenannten 7-Designs beigetragen. Dieses Resultat ueber die Konstruktion von 7-Designs hat bereits Eingang in die neueste Literatur gefunden, z. B. in das Handbook of Combinatorial Designs, war Gegenstand einer Vorlesung "Publizistische Aufbereitung wissenschaftlicher Sachverhalte" in Karlsruhe und wurde im Wissenschaftsmagazin "Spektrum der Wissenschaft" publiziert. Die Arbeit Bettens hat nach Auffassung Professor Kerbers "sowohl unter wissenschaftlichem als auch unter paedagogischen Blickwinkel geradezu Lehrbuchqualitaet".
Preis des DAAD
Den Preis des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) fuer auslaendische Studierende erhielt Gratien Atindogbe M.A. (Benin) in Anerkennung seiner hervorragenden Studienleistungen im Fach Afrikanistik sowie seines kulturellen Engagements im
universitaeren Leben Bayreuths. Der Preis ist mit 2.000 DM dotiert.
Der Preistraeger hatte erstmals im Herbst 1992 vom DAAD ein einjaehriges Vertiefungsstipendium bekommen, um am Lehrstuhl Afrikanistik I (Professor Dr. Gudrun Miehe) an seiner Dissertation arbeiten zu koennen, die der Analyse einer bisher unzureichend beschriebenen Bantu-Sprache gewidmet ist. Er kam seinerzeit von der Universitaet Yaounde (Kamerun), wo er als Beniner sein Studium der Linguistik aufgenommen hatte. Nach Ablauf des Stipendiums und einem einjaehrigen Zwischenaufenthalt in Kamerun kam er wieder nach Bayreuth zurueck, nach wie vor mit dem Ziel, seine Dissertation in Yaounde einzureichen. Als sich dort die Zustaende allerdings immer mehr zuspitzten, entschloss er sich zu einer Promotion in Bayreuth.
Nach der Beurteilung von Frau Professor Miehe hat Herr Atindogbe seinen Aufenthalt in Deutschland optimal genutzt, lassen die bisherigen Ergebnisse seiner Dissertation einen hervorragenden Abschluss erwarten und hat der Preistraeger neben seiner wissenschaftlichen Arbeit trotzdem die Zeit gefunden, sich in kulturellen Aktivitaeten den noetigen Ausgleich zu suchen. So hat er in vielen Veranstaltungen des AASAW (Assoziation Afrikanischer StudentInnen und AkademikerInnen in Bayreuth) mitgewirkt, ist aktives Mitglied der Theatergruppe "Ensemble Midogo" und hat mehrfach seine Trommlerkuenste unter Beweis gestellt.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Es wurden keine Sachgebiete angegeben
überregional
Es wurden keine Arten angegeben
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).