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09.05.2001 00:00

Fachkräftemangel oft hausgemacht - wenn Schweinezyklen die Karriereaussichten bestimmen

Claudia Braczko Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut Arbeit und Technik

    IAT und INIFES untersuchten Arbeitskräfteknappheit und Qualifikationslücken in Deutschland

    Wenn Fachkräfte fehlen, ist der Mangel oft "hausgemacht". Einen generellen Fachkräftemangel gibt es in Deutschland zwar nicht, wohl aber erhebliche Engpässe in einzelnen Berufsgruppen und Regionen. "Der Mangel an Kontinuität im bisherigen Ausbildungsverhalten der Wirtschaft wie des Staates ist standortgefährdend," kritisiert der Arbeitsmarktforscher Prof. Dr. Gerhard Bosch, Vizepräsident des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen). Arbeitskräfteknappheit konnte bisher vor allem durch die hohe Flexibilität am Arbeitsmarkt ausgeglichen werden - längere Arbeitszeiten für Fachkräfte, hohe regionale Mobilität und Zuwanderungen. Das geht aus einer Studie hervor, die das IAT jetzt in Zusammenarbeit mit dem Institut für Empirische Sozialökonomie (INIFES/Stadtbergen) zur Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt erstellt hat.

    "Einige Arbeitsmarktpuffer sind längst ausgereizt. So wird sich die Arbeitszeit der Hochqualifizierten in Deutschland kaum noch steigern lassen," stellt Bosch fest. Regionale Engpässe kommen ebenso vor wie ein Mangel an Fachkräften in einzelnen Wachstumsfeldern. So fehlten Ende der 70er Jahre Ingenieure - trotz allgemein hoher Arbeitslosigkeit. In der Folge stiegen die Löhne, die Karriereaussichten verbesserten sich und die Zahl der Ingenieurstudenten nahm zu. Wenige Jahre später gab es bereits einen erheblichen Überhang in diesem Berufsfeld. Solche "Schweinezyklen" sind seit Anfang der 80er Jahre in vielen Teilarbeitsmärkten zu beobachten - je nach Dauer der Ausbildung länger und stärker ausgeprägt. "Hier muss über demographische Schwankungen und wirtschaftliche Krisen hinweg nach neuen Formen der Kontinuität in der Aus- und Fortbildung gesucht werden, um "Schweinezyklen" vorhersehen und vorbeugen zu können," fordert Bosch.

    Der wirtschaftliche Einbruch nach dem Wiedervereinigungsboom führte dazu, dass die Betriebe ihre Ausbildung einschränkten und insbesondere die verarbeitende Industrie kaum noch einstellte. Dies betraf auch wichtige Zukunftsbereiche wie Ingenieure und Informatiker. Die Folgen dieses hausgemachten Fachkräftemangels wurden bald sichtbar: In den einschlägigen Fächern gab es in der ersten Hälfte der 90er Jahre immer weniger Studienanfänger, angesichts der schlechten Lehrstellensituation resignierten auch auf dem Ausbildungsmarkt viele Bewerber. Als die Konjunktur wieder anzog, fehlten Fachkräfte in Kernbereichen der deutschen Exportindustrie, wie etwa im Maschinenbau, bei Querschnittstechnologien wie der Informations- und Kommunikationstechnologie und bei den Lehrern.

    Bei rund 3,9 Millionen Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt (2000) und einer hohen Stillen Reserve kann man in Deutschland nicht von einem allgemeinen Arbeitskräftemangel sprechen. Trotzdem konnten nach Hochrechnungen im 1. Halbjahr 2000 insgesamt 570 000 offene Stellen nicht besetzt werden, vor allem Facharbeiter und qualifizierte Angestellte wurden gesucht. Bei Ingenieuren, Informatikern und Mathematikern für hochqualifizierte IT-Berufe reichen die Schätzungen von rund 30 000 (offene Stellen bei den Arbeitsämtern) bis zu 150 000. Der Bedarf verteilt sich auf sehr unterschiedliche Tätigkeiten und Qualifikationsniveaus. Rund 30 Prozent entfallen auf IT-Fachkräfte mit dualer Ausbildung, 20 Prozent mit einem Fortbildungsberuf, 30 Prozent mit Fachhochschulabschluss und 20 Prozent mit Universitätsabschluss.

    "Hausgemacht" ist derzeit auch der Lehrermangel. Es wurden in den letzten Jahren nicht nur weniger Lehrer eingestellt, auch die Studenten- und Absolventenzahlen gingen zurück wegen der hohen Arbeitslosigkeit von Lehrern, der Vergabe von Teilzeit- und befristeten Stellen an viele Berufsanfänger und niedriger Einstellungsgehälter. Die Folge ist eine starke Überalterung der Lehrerkollegien, jede zweite Lehrkraft ist heute über 50 Jahre alt. Zusätzlich haben Frühpensionierungen den Lehrermangel zeitlich vorgezogen. Gegenwärtig fehlen nach GEW-Angaben rund 50.000 Lehrer. Besonders betroffen sind Berufs- und Förder- sowie Hauptschulen, dabei besonders die Fächer Mathematik und Naturwissenschaften, auch Sprachen.

    Die bisherigen Entwicklungen und alle Prognosen weisen auf einen generell steigenden Qualifikationsbedarf hin. "Ob es zu einem Fachkräftemangel kommt, hängt sehr stark von den Ausbildungszahlen und der Modernität des Ausbildungssystems ab," so Bosch. Einfache Tätigkeiten werden zwar nicht verschwinden, aber die Chancen für Geringqualifizierte bleiben schlecht. Ein allgemeiner Arbeitskräftemangel ist nicht in Sicht, wohl aber zunehmende Engpässe in einzelnen Branchen, Berufen und Regionen - trotz gestiegener Mobilität.

    Für weitere Fragen stehen Ihnen zur Verfügung:

    Prof. Dr. Gerhard Bosch
    Tel.: 0209/1707-147

    Claudia Braczko
    Tel.: 0209/1707-176


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Wirtschaft
    regional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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