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14.05.2001 08:36

Dr. Leopold-Lucas-Preis 2001 an Michael Theunissen

Michael Seifert Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Universität Tübingen zeichnet den Berliner Philosophen aus

    Am Dienstag, dem 15. Mai 2001, verleiht die Evangelisch-Theologische Fakultät im Namen der EBERHARD KARLS UNIVERSITÄT TÜBINGEN den in diesem Jahr erstmals mit 70.000 DM dotierten Dr. Leopold-Lucas-Preis an den Berliner Philosophen Prof. Dr. Michael Theunissen.

    Die Fakultät zeichnet Michael Theunissen, wie es in der Verleihungsurkunde heißt, aus, "in Würdigung seiner Beiträge zur Öffnung der jüdisch-christlichen und der philosophischen Traditionen des Daseinsverstehens für einander, zur Vermittlung ihres Erfahrungsgehalts an die Gegenwart, zur Erhellung und Kritik heutiger Kultur im Licht dieser Erfahrungen und zur Verständigung zwischen den Kulturen."

    Der Festakt aus Anlass der Preisverleihung findet um 15.15 Uhr im Festsaal der Neuen Aula, Wilhelmstr. 7, statt. Die Laudatio auf den Preisträger hält der Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Prof. Dr. Eilert Herms. Theunissen wird in seinem Festvortrag über "Reichweite und Grenzen der Erinnerung" sprechen.

    Der Dr. Leopold-Lucas-Preis würdigt alljährlich hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Theologie, der Geistesgeschichte, der Geschichtsforschung und der Philosophie. Er ehrt dabei insbesondere Persönlichkeiten, die zur Förderung der Beziehungen zwischen Menschen und Völkern wesentlich beigetragen und sich durch Veröffentlichungen um die Verbreitung des Toleranzgedankens verdient gemacht haben. Zu den bisherigen Preisträgern gehörten namhafte Wissenschaftler wie Karl Rahner, Paul Ricoeur, Raimund Popper oder Michael Walzer, aber auch hervorragende politische Repräsentanten des Geistes und der Kultur wie Richard von Weizsäcker, Léopold Sédor Senghor, der frühere senegalesische Staatspräsident, oder Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama. Die Auszeichnung wurde 1972 von dem am 9. Juli 1998 verstorbenen Generalkonsul Franz D. Lucas, ehemals Ehrensenator der Eberhard Karls Universität, zum 100. Geburtstag seines in Theresienstadt umgekommenen Vaters, des jüdischen Gelehrten und Rabbiners Dr. Leopold Lucas, gestiftet.

    Michael Theunissen wurde 1932 in Berlin geboren, studierte von 1951 bis 1955 Philosophie und Theologie in Freiburg i. Br. und in Bonn und lehrte - nach Promotion bei Max Müller und Habilitation bei Wilhelm Weischedel - Philosophie in Berlin (1965-1967), in Bern (1967-1971), Heidelberg (1971-1980) und seit 1980 bis zu seiner Emeritierung 1998 wieder in Berlin. Theunissen war Vorsitzender der Stiftung für Philosophie und kritische Wissenschaft, Mitglied des Kuratoriums der Forschungsstätte der evangelischen Studiengemeinschaft, Mitglied des Zentrums für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld und Stipendiat des Sören Kierkegaard Forschungszentrums, Kopenhagen, und ist seit 1995 Ehrendoktor der Theologischen Fakultät der Universität Kopenhagen.

    In wegweisenden Studien zu Klassikern der philosophischen Tradition - Parmenides, Pindar, Hegel, Kierkegaard - hat Theunissen die dort gesichteten und gedanklich entfalteten Erfahrungen und Erfahrungsmöglichkeiten kritisch zu rekonstruieren und der Gegenwart zugänglich zu machen gesucht. Diese Interpretationen stehen vor dem Hintergrund der Phänomenologie Husserls und Heideggers. An deren Leitfaden entfaltete Theunissen die dialogphilosophischen Ansätze F. Rosenzweigs und M. Bubers zu einer systematischen Sozialontologie (Der Andere, 2. Aufl. 1977).

    Die Erfahrung des Negativen nimmt Theunissen nicht zum Anlass, sich von Fragestellungen und Perspektiven der Metaphysik zu verabschieden. Vielmehr macht er sie zum Ausgangspunkt für die dialektische Rekonstruktion der Metaphysik als eines Instruments der sozialanthropologischen Gegenwartsdiagnose und -kritik. Diese konkretisiert er durch Wahrheitsmomente der Existenzdialektik Kierkegaards, der Marxschen Sozialkritik, der kritischen Theorie Adornos und der Tiefenpsychologie. Theunissen ist einer der wenigen zeitgenössischen Philosophen, die davon überzeugt sind, dass die humanisierende Bildungskraft der Philosophie Schaden nimmt, wo sie sich gegenüber Religion und Theologie verschließt.

    Dr. Leopold Lucas wurde am 18. September 1872 in Marburg geboren. Er entstammte einer seit Anfang des 17. Jahrhunderts in Marburg ansässigen jüdischen Familie. Lucas studierte in Berlin Geschichte und jüdische Wissenschaft sowie Philosophie und orientalische Sprachen. 1895 wurde er in Tübingen mit einer Dissertation über die "Geschichte der Stadt Tyrus zur Zeit der Kreuzzüge" zum Doktor der Philosophie promoviert. Im Jahre 1899 wurde er als Rabbiner nach Glogau berufen. Er diente dieser traditionsreichen jüdischen Gemeinde vier Jahrzehnte lang als Lehrer, Prediger und Seelsorger. Unermüdlich war Leopold Lucas während seines ganzen Lebens wissenschaftlich tätig. Sein besonderes Arbeitsgebiet war die Geschichte der Juden in den ersten christlichen Jahrhunderten. Lucas war 1902 Initiator der "Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums", deren Leitung er sich mit Martin Philippson teilte. Im Jahr 1940 folgte Lucas einem Ruf an die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin - zu einer Zeit also, in der die Vernichtung der Juden in Deutschland beschlossene Sache war und begonnen hatte. Am 17. Dezember 1942 wurde Leopold Lucas zusammen mit seiner Frau nach Theresienstadt deportiert. Auch hier wirkte er noch als Seelsorger seiner Leidensgenossen. Er erlag am 13. September 1943 den Strapazen des Konzentrationslagers. Frau Dorothea Lucas wurde im Oktober 1944 nach Auschwitz verschleppt und umgebracht.

    Pressekonferenz mit Michael Theunissen:
    15. Mai, 14 Uhr, Raum 117, Alte Botanik, Wilhelmstr. 5 (1. Stock)


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Philosophie / Ethik, Religion
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Personalia
    Deutsch


     

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