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15.01.1998 00:00

Osterinseln: Vergessenes Volk Rapa Nui

Gerhard Harms Presse & Kommunikation
Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg

    CARL VON OSSIETZKY-UNIVERSITAET OLDENBURG PRESSEMITTEILUNG 9/98

    Rapa Nui - das vergessene Volk der Osterinseln

    "Die Fremden bestaunen unsere alte Kultur. Sie begaffen uns als Naturkinder und reisen schnell weiter. Was mit uns geschehen ist und noch geschieht, danach fragt keiner. Die Welt hat uns vergessen", klagt eine alte Rapa Nui und drueckt damit die Ignoranz der Weissen gegenueber fast allen Naturvoelkern aus. Sie ist eine Ureinwohnerin der Osterinsel - jenem Eiland jenseits der Kontinente im pazifischen Ozean, das durch seine riesigen und wundersamen Steinskulpturen (Mohai) der Welt bekannt wurde.

    Hermann Fischer, pensionierter Paedagoge aus Friesland und ehemals Lehrbeauftragter der Universitaet Oldenburg, aber interessierte sich waehrend seiner Forschungsreisen zu der Osterinsel fuer die Bevoelkerung. Er sprach mit vielen Ureinwohnern und spuerte zahlreiche Quellen in Archiven auf, die die traumatische Unterdrueckung des fast vergessenen Inselvolkes dokumentieren. Herausgekommen ist bei seinen Recherchen ein Buch, das erstmals die Geschichte der Rapa Nui in Wort und Bild ebenso plastisch wie spannend schildert.* Durch die einsame Lage der kleinen Pazifikinsel waren die Rapa Nui noch mehr als andere Naturvoelker von der Aussenwelt abgeschnitten. Die meisten Wissenschaftler interessierten sich nur fuer die steinernen Riesen und stellten keinen Zusammenhang zwischen dieser Kultur und deren Nachfahren her.

    Der Niedergang der Rapa Nui begann 1722 mit dem Auftreten der ersten Fremden unter dem Kommando des hollaendischen Admirals Roggeveen. Roggeveen, der Spanier Gonzales, der Englaender Cook und der Franzose Pèrouse kamen noch in friedlicher Absicht als Forscher. Doch mit Beginn des 18. Jahrhunderts fielen die Menschenjaeger ueber die Insel her. Brutaler Hoehepunkt war 1862 der Raub von 1700 Rapa Nui, darunter die gesamte Fuehrungsschicht, die als Sklaven in Peru verkauft wurden. Die soziale Struktur wurde zerstoert, die religioese danach von Missionaren. Schliesslich fiel das verbliebene orientierungslose Haeuflein in die Haende eines abenteuerlichen Ausbeuters. Soweit ist die Geschichte dokumentiert.

    Aber mit der Annexion von 1888 durch Chile wird ueber die Vorgaenge auf der Osterinsel ein Mantel des Schweigens gelegt. Deshalb lenkt der Autor die Aufmerksamkeit besonders auf die Ereignisse der folgenden Jahrzehnte - bis zur Anerkennung der Rapa Nui 1964 als chilenische Staatsbuerger. Es begann damit, dass die 178 ueberlebenden Rapa Nui - von einstmals 4000 - durch einen fragwuerdigen Abtretungsvertrag um 90% ihres angestammten Landes gebracht und hinter Mauern und Stacheldraht eingepfercht wurden. Chile zeigte keinerlei Interesse an seiner so abgelegenen Kolonie. Es verpachtete die Insel an englische Schaffarmer, die Jahrzehnte ohne gesetzliche Grundlage allein die Herrschaft ueber Leben und Tod des Inselvolkes hatten. Trotzdem bewahrten sich die im Ghetto Lebenden Selbstachtung und Widerstandskraft. Ein Aufstand 1914 fuehrte allerdings nicht zum Erfolg.

    Durch die Weltwirtschaftskrise der zwanziger Jahre stuerzten in Chile nicht nur die Salpeterpreise, sondern auch im staendigen Wechsel Praesidenten und ihre Regierungen. Getreue Offiziere der jeweiligen Verlierer wurden auf die "Isla de Pascua" strafversetzt. Sie wurde aus weisser Sicht eine Insel der Verbannten.

    Erst fuenfzig Jahre nach der Annexion begann Chile sich seiner Verantwortung bewusst zu werden. Fuer den Schulunterricht sorgten allerdings in den engen Grenzen klerikaler Vorgaben bis 1971 allein Nonnen. AErztliche Betreuung begann als junges Pflaenzchen zaghaft zu spriessen. Die Lepra, die schon in der Zeit der ersten Missionare eingeschleppt worden war, konnte kaum behandelt werden, und wurde fuer viele Rapa Nui zum Trauma, weil sie in der Leprastation ein Herrschaftsinstrument sahen, in die Unliebsame eingeliefert wurden. Die halbherzigen Verbesserungen fuer die Bevoelkerung aenderten aber nichts an ihrer rechtlosen Stellung. Die Willkuerherrschaft der Schaffarmer wie der Militaergouverneure zeichnete sich durch Selbstgefaelligkeit aus, die durch das bequeme Vorurteil genaehrt wurde, die Rapa Nui seien Gauner, Diebe und sexuelle Wuestlinge, die ganz unfaehig zur Selbstverwaltung ihrer Insel seien.

    Die Verantwortlichen aber konnten schliesslich nicht verhindern, dass nach und nach freiheitliches Gedankengut von aussen eindrang. 1964 kam es zu einer Rebellion. Davon aufgeschreckt verabschiedete das chilenische Parlament ein Gesetz, das den Ureinwohnern die Staatsangehoerigkeit mit allen Rechten und Pflichten zuerkannte. Mauern und Stacheldraht wurden niedergerissen. Doch bis heute verfuegen die Ureinwohner nur ueber 12 Prozent des Grund und Bodens der lediglich 118 Quadratkilometer grossen Insel. Und ihr Kampf um die Rueckgabe findet in der Welt kaum ein Echo. Die meisten Fremden, die den "Nabel der Welt" betreten, betrachten die Rapa Nui lediglich als folkloristische Staffage, die fuer reisewillige Touristen von Filmemachern und Journalisten als Suedseeromantik verpackt wird. Hermann Fischer will mit seinem Buch einer Forderung von Walter Jens folgen, Geschichte nicht aus der Perspektive der Herrschenden zu schreiben, sondern "den Blickwinkel auf die Opfer der Geschichte zu verlegen".

    *Hermann Fischer: Schatten auf der Osterinsel - Ein Plaedoyer fuer ein vergessenes Volk; mit einem Vorwort von Michael Daxner, BIS Verlag Oldenburg 1998. - 248 S. mit zahlreichen Fotos und Abbildungen. ISBN 3-8142-0588-X (DM 29,00)

    Kontakt: Hermann Fischer, Muehlenteichstr. 66, 26316 Varel, Tel: 04451/6252 Rezensionsexemplare und Vertrieb: BIS-Verlag, Postfach 2541, 26015 Oldenburg, Tel.: 0441/798-2261, Fax: 0441/798-4040, e-Mail: bisverlag@bis.uni-oldenburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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