Die Klimakrise ist global und betrifft die gesamte Menschheit. Herkömmliche Methoden der Analyse internationaler Politik reichen nicht aus, um die Anstrengungen zur Lösung des Klimaproblems zu erfassen und Alternativen anzubieten. In Band 11 der Buchreihe "Ergebnisse Sozial-ökologischer Forschung" untersucht Dr. Achim Brunnengräber die vielfältigen, miteinander verzahnten Akteurs- und Entscheidungsebenen der internationalen Klimapolitik. Seine Analyse "Die politische Ökonomie des Klimawandels" kommt zu dem Ergebnis, dass der Konsens in der Klimaschutzpolitik brüchig wird, wenn es nicht gelingt, breite Gesellschaftsschichten in die Lösung der Krise einzubinden.
Es ist ein bekanntes öffentliches Ritual: Im Vorfeld internationaler Klimakonferenzen versprechen die Staatschefs der meisten Industrieländer, die die Hauptverursacher der Klimaerwärmung sind, verstärkte Anstrengungen zur Lösung der globalen Klimakrise. Auch die Vorstände von mehr als 600 weltweit tätigen Konzernen machen sich derzeit für ein "ehrgeiziges, stabiles und faires Abkommen" zur Reduktion von Treibhausgasen stark - natürlich auf freiwilliger Basis. Gestützt auf alarmierende Ergebnisse der Klimawissenschaften übertreffen sich Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft mit Appellen an die Öffentlichkeit, in denen sie entschlossenes Handeln fordern - notfalls mit neuen Milliardeninvestitionen für CO2-arme Projekte in den Ländern des Südens.
Warum ist die Bilanz der internationalen Klimapolitik trotzdem so ernüchternd? Warum ist es in den meisten Industrieländern trotz aller Programmatik bisher kaum gelungen, die klimaschädlichen Emissionen deutlich zu verringern? "Klimaschutz kann offenbar nicht von oben verordnet und mit marktwirtschaftlichen Instrumenten durchgesetzt werden", meint der Politikwissenschaftler Dr. Achim Brunnengräber. In seinem Forschungsprojekt "Global Governance und Klimawandel", das im Rahmen des BMBF-Förderschwerpunkts Sozial-ökologische Forschung an der FU Berlin durchgeführt wurde, ist er den Ursachen dafür nachgegangen. Die Klimakrise ist laut Brunnengräber eine Krise der gesellschaftlichen Naturverhältnisse, die in verschiedenen Ländern, Regionen und lokal auch unterschiedlich gelöst werden könnte - ein Ansatz, der in der internationalen Klimapolitik weitgehend unberücksichtigt bleibt. Zudem sei das dem Weltwirtschaftssystem zugrunde liegende Wachstumsparadigma ungebrochen. Bisherige Analysen vernachlässigten die machtvollen Verharrungskräfte gegen ein Umsteuern in Richtung einer kohlenstoffarmen und schließlich solaren Weltwirtschaft. Auf der internationalen Verhandlungsebene würden ordnungspolitische Instrumente wie Steuern und Verbote vernachlässigt, während ökonomische Maßnahmen nur langsam verbindliche Gestalt annähmen. Auch die im Kyoto-Protokoll vereinbarten flexiblen Mechanismen entsprächen letztlich der Marktlogik. Brunnengräbers Fazit: "Die marktwirtschaftlichen Instrumente sind zu kompliziert. Große Teile der Gesellschaft sind damit für den aktiven Klimaschutz nicht zu begeistern." Dieses Phänomen ist grenzüberschreitend zu beobachten, wie Brunnengräber zeigt.
Für den viel zu zögerlichen Übergang zu den klimaschonenden erneuerbaren Energien sind nicht nur diejenigen verantwortlich, die mit den fossilen Brennstoffen Kohle, Gas und Erdöl hohe Gewinne erzielen. Mit ihrem Konsum- und Mobilitätsverhalten tragen auch die Verbraucher maßgeblich dazu bei, dass nur unzulänglich umgesteuert wird. Wenn es in Krisenzeiten um Arbeitsplätze, Wettbewerbsfähigkeit, Energiesicherheit und Wachstum geht, werden ökologische Belange schnell zurückgefahren. So dürften die Ausgangsbedingungen für die Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls, die im Dezember in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen stattfinden, ungünstig sein.
"Aber auch ein Erfolg muss kritisch gesehen werden. Jeden Durchbruch bei den Klimaverhandlungen der vergangenen 20 Jahre, die auch von der Zivilgesellschaft mitgefeiert wurden, holte die Realität wieder ein. Die Emissionen in den Industrieländern konnten damit nicht verringert werden", stellt Achim Brunnengräber nüchtern fest. Sein Buch fordert dazu auf, den Klimawandel als tiefreichende Krise der Gesellschaft zu verstehen. "Jeder ist Teil der Krise. Sie hat ihre Ursachen gleichermaßen in unserer (Welt-)Wirtschaft wie im privaten Konsum. Folglich ist Klimaschutz eine noch unbeantwortete Herausforderung für alle Gesellschaften. Der Markt bietet zwar Antworten an, sie sind aber kaum zielführend."
Brunnengräber stellt ein erhebliches Demokratiedefizit in der internationalen Klimapolitik fest, auch wenn die Nichtregierungsorganisationen inzwischen ihren Einfluss auf die Politik geltend machen könnten. Zur Lösung der Klimakrise gehörten auch gesellschaftliche Auseinandersetzungen und Debatten über eine Politik, die vielfältige Maßnahmen in den Blick nimmt.
Achim Brunnengräber, Die politische Ökonomie des Klimawandels, Band 11 der Buchreihe "Ergebnisse Sozial-ökologischer Forschung", 250 Seiten, oekom verlag, München 2009, 34.90 €, ISBN-13: 978-3-86581-096-0
Kontakt:
PD Dr. Achim Brunnengräber
Freie Universität Berlin
Malteserstrasse 74-100, 12249 Berlin
Tel. +49 - (0) 30 - 838 70707
Fax: +49 - (0) 30 - 838 70718
E-Mail: priklima@zedat.fu-berlin.de
http://www.sozial-ökologische-forschung.de - Website des Förderschwerpunktes "Sozial-ökologische Forschung" des BMBF
http://www.sozial-oekologische-forschung.org/de/114.php- Informationen zum Forschungsprojekt "Global Governance und Klimawandel"
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Energie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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