Den Lessing-Preis für Kritik 2010 erhält der in Mainz lebende Philosophiehistoriker Kurt Flasch. Mit Flasch werde ein leidenschaftlicher Denker und eigenwilliger Geist geehrt, der die spätantike und mittelalterliche Philosophie für die Gegenwart neu erschlossen habe, so die Jury. Seine einzigartige Vertrautheit mit dieser Epoche zeige zuletzt das im Jahr 2008 erschienene Werk "Kampfplätze der Philosophie" unter dem Aspekt der "Großen Kontroversen von Augustinus bis Voltaire.
Für die Jury zeichnen sich Flaschs Fragestellungen durch ihre Unabhängigkeit und Originalität aus. Sie fordern die kritische Einlassung mit der Gesellschaft und ihren politischen Instanzen: Philosophie darf praktisch sein und soll sich aktuellen Problemen stellen.
Seine Bochumer Abschiedsvorlesung "Warum ich nicht mehr Christ sein kann" (1995) fasse eine stark von Nietzsche inspirierte Sicht auf die Entwicklung der europäischen Philosophie zusammen. Zugleich reflektiere sie den eigenen Werdegang im Sinn einer intellektuellen Biographie. Witz und Esprit der Lehrveranstaltungen und öffentlichen Vorträge Flaschs seien legendär. Es sei ihm damit gelungen, auch junge Menschen für seine unkonventionellen Themen zu begeistern. Große Anerkennung habe der "Grandseigneur der Geistesgeschichte des Mittelalters" zudem durch seine fundierten Quellen-Kenntnisse, seine Editorentätigkeit und seinen brillanten Stil gefunden.
Mit Lessing, so die Begründung, verbinde Kurt Flasch die Überzeugung, Wahrheit nicht als "Besitz" zu verstehen. Beide entwickelten ihre umfassende Kritik aus den weit gespannten Zusammenhängen der Geistesgeschichte, schrieben stets auf die Öffentlichkeit zu und verdankten ihren streitbaren Urteilen auch Gegner. "Wer denkt, streitet", ist über Flasch zu lesen. Nicht "ewige Wahrheiten" stellten den wesentlichen Antrieb der Philosophie dar, sondern intellektuelle Auseinandersetzungen.
Der gemeinsam von der Lessing-Akademie Wolfenbüttel und der Braunschweigischen STIFTUNG NORD/LB?ÖFFENTLICHE vergebene Lessing-Preis für Kritik wird, analog zur kritischen und risikofreudigen Tätigkeit Lessings, nicht für nur fachspezifische Kritik, sondern für Kritik in einem umfassenderen Sinn verliehen. Es zählt zu seiner Besonderheit, dass der Preisträger einen Förderpreisträger seiner Wahl bestimmt. Der Lessing-Preis für Kritik ist mit insgesamt 20.000 (15.000 + 5.000) Euro dotiert und wird alle zwei Jahre verliehen. Zur Jury gehören die Literaturkritikerin und USA-Korrespondentin der Neuen Züricher Zeitung Andrea Köhler, der Göttinger Germanist Wilfried Barner, der Göttinger Historiker Hans Erich Bödeker, der frühere Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Werner Knopp, und der Direktor der Herzog August Bibliothek, Helwig Schmidt-Glintzer. Der Preis wird im Mai 2010 in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel überreicht. Preisträger der Jahre 2000, 2002, 2004, 2006 und 2008 waren Karl Heinz Bohrer, Alexander Kluge, Elfriede Jelinek, Moshe Zimmermann und Peter Sloterdijk.
[Die vollständige Jury-Begründung finden Sie im Dateianhang]
Dr. Helmut Berthold
Lessing-Akademie e.V.
Schloßplatz 2, 38304 Wolfenbüttel
l-a@lessing-akademie.de
Tel.: 05331-808221
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Philosophie / Ethik, Sprache / Literatur
überregional
Wettbewerbe / Auszeichnungen
Deutsch
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