idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
28.05.2001 11:38

Weiße Blutkörperchen - gefangen in der Blutbahn! Seltene Erbkrankheit bei Kindern erforscht

Rita Wilp Stabsstelle Unternehmenskommunikation
Bereich Humanmedizin der Universität Göttingen

Weiße Blutkörperchen - gefangen in der Blutbahn
Göttinger Biochemiker weisen gestörten Zuckertransport als Krankheitsursache nach

(ukg) Dr. Torben Lübke hat die molekulare Ursache für eine seltene Erbkrankheit bei Kindern aufgeklärt. Er ist Mitglied der Arbeitsgruppe von Privatdozent Dr. Christian Körner aus der Abteilung für Biochemie II (Zentrum für Biochemie und Molekulare Zellbiologie der Universität Göttingen - Bereich Humanmedizin). Die betroffenen Patienten leiden unter geistigen und körperlichen Behinderungen sowie einer lebensbedrohlichen Infektanfälligkeit. Bei der von den Göttinger Wissenschaftlern aufgeklärten Erkrankung, die als "Leukozytenadhäsionsdefizienz II (LAD II)" beziehungsweise "Congenital Disorder of Glycosylation-IId (CDG-IId)" bezeichnet wird, handelt es sich um den neunten bisher bekannten molekularen Defekt in der Erkrankungsgruppe "Congenital Disorders of Glycosylation (CDG)", die alle erblichen Störungen der Glykoproteinbiosynthese umfasst. Fünf dieser bekannten Defekte konnten in den letzten Jahren von der Göttinger Arbeitsgruppe aufgeklärt werden. In Europa gibt es insgesamt rund 300 Kinder mit CDG-Erkrankungen, die Dunkelziffer liegt vermutlich jedoch wesentlich höher.

Bei der Erstbeschreibung der Erkrankung vor zehn Jahren durch israelische Mediziner, war das auffälligste Merkmal die ständig stark erhöhte Anzahl weißer Blutkörperchen (Leukozyten) im Blut, wie sie sonst bei akuten Infektionen beobachtet wird. Weitere Untersuchungen ergaben, dass den Leukozyten ein Zucker, die Fukose, auf der Zelloberfläche fehlt, der für die Anheftung der Zellen an die Blutgefäßwand erforderlich ist. Daher wurde diese Erkrankung als "Leukozytenadhäsionsdefizienz" bezeichnet. Bei Entzündungen müssen Leukozyten sich an die Gefäßwand anheften, um aus dem Blut in das darunter liegende, betroffene Gewebe einwandern zu können. Bei den Patienten können die Leukozyten aufgrund der fehlenden Anheftung die Blutbahn nicht verlassen und sammeln sich im Blut an. Die Patienten leiden unter einer stark erhöhten Infektionsanfälligkeit.

Die Göttinger Wissenschaftler wiesen nach, dass die molekulare Ursache der Erkrankung auf die verminderte Bereitstellung des Zuckers Fukose bei der Synthese von Glykoproteinen zurückzuführen ist. "Bei der neu entdeckten Krankheitsursache kann der Körper den Zucker Fukose nicht in ausreichendem Maße an den richtigen Platz in den Zellen transportieren. Fukose wird zwar in die Zellen aufgenommen, die Schleuse, durch die Fukose in der Zelle an den Ort der Glykoproteinbiosynthese gelangt, ist jedoch zum größten Teil blockiert," sagt Professor Dr. Kurt von Figura, Leiter der Abteilung Biochemie II der Universität Göttingen. Bei der Synthese von Glykoproteinen, werden im menschlichen Organismus Zuckerketten an Eiweißmoleküle angeheftet. Diese Zuckerketten gewährleisten unter anderem die Stabilität, den Transport an den Ort der Wirkung und die Funktion der Proteine.

Um den molekularen Defekt der neu entdeckten CDG-Erkrankung nachzuweisen, bedienten sich die Wissenschaftler einer speziellen Methode. Mit Hilfe von Retroviren schleusten sie eine Vielzahl menschlicher Gene in Zellen eines CDG-IId Patienten ein, die zuvor aus der Haut entnommen und in der Zellkultur weitergezüchtet worden waren. Eines dieser Gene normalisierte den Einbau von Fukose in Glykoproteine. Bei dem Gen handelte es sich um ein bisher unbekanntes Membranprotein, das in der Zelle für die Einschleusung der Fukose in die Organelle verantwortlich ist, in der Fukose in Glykoproteine eingebaut wird. Im Falle des Patienten enthielt dieses Gen eine Mutation, die zum Verlust der Transport-Aktivität führt. Im Verlaufe ihrer Untersuchungen stellten die Göttinger Forscher fest, dass die Zugabe von Fukose in das Nährmedium der Patienten-Hautzellen zu einer Normalisierung der Glykoproteinbiosynthese führt. Dieser Befund wurde von Kinderärzten der Universitäts-Kinderklinik Münster zum Anlass genommen dem Patienten Fukose mit der Nahrung zu verabreichen. Dadurch konnte eine Normalisierung der Leukozytenzahl im Blut des Patienten und eine starke Abnahme der Infektanfälligkeit erzielt werden.

Weitere Informationen:

Universität Göttingen - Bereich Humanmedizin
Abteilung Biochemie II
PD Dr. Christian Körner
Humboldtallee 23
37073 Göttingen
Tel. 0551/39 - 59 02


Bilder

Ergänzung vom 29.05.2001

In Absatz 1 und 4 unserer Pressemitteilung "Weiße Blutkörperchen - gefangen in der Blutbahn" muss es richtig "Congenital Disorder of Glycosylation IIc (CDG-IIc) heißen - und nicht IId.

KORRIGIERTE VERSION
Weiße Blutkörperchen - gefangen in der Blutbahn
Göttinger Biochemiker weisen gestörten Zuckertransport als Krankheitsursache nach

(ukg) Dr. Torben Lübke hat die molekulare Ursache für eine seltene Erbkrankheit bei Kindern aufgeklärt. Er ist Mitglied der Arbeitsgruppe von Privatdozent Dr. Christian Körner aus der Abteilung für Biochemie II (Zentrum für Biochemie und Molekulare Zellbiologie der Universität Göttingen - Bereich Humanmedizin). Die betroffenen Patienten leiden unter geistigen und körperlichen Behinderungen sowie einer lebensbedrohlichen Infektanfälligkeit. Bei der von den Göttinger Wissenschaftlern aufgeklärten Erkrankung, die als "Leukozytenadhäsionsdefizienz II (LAD II)" beziehungsweise "Congenital Disorder of Glycosylation-IIc (CDG-IIc)" bezeichnet wird, handelt es sich um den neunten bisher bekannten molekularen Defekt in der Erkrankungsgruppe "Congenital Disorders of Glycosylation (CDG)", die alle erblichen Störungen der Glykoproteinbiosynthese umfasst. Fünf dieser bekannten Defekte konnten in den letzten Jahren von der Göttinger Arbeitsgruppe aufgeklärt werden. In Europa gibt es insgesamt rund 300 Kinder mit CDG-Erkrankungen, die Dunkelziffer liegt vermutlich jedoch wesentlich höher.

Bei der Erstbeschreibung der Erkrankung vor zehn Jahren durch israelische Mediziner, war das auffälligste Merkmal die ständig stark erhöhte Anzahl weißer Blutkörperchen (Leukozyten) im Blut, wie sie sonst bei akuten Infektionen beobachtet wird. Weitere Untersuchungen ergaben, dass den Leukozyten ein Zucker, die Fukose, auf der Zelloberfläche fehlt, der für die Anheftung der Zellen an die Blutgefäßwand erforderlich ist. Daher wurde diese Erkrankung als "Leukozytenadhäsionsdefizienz" bezeichnet. Bei Entzündungen müssen Leukozyten sich an die Gefäßwand anheften, um aus dem Blut in das darunter liegende, betroffene Gewebe einwandern zu können. Bei den Patienten können die Leukozyten aufgrund der fehlenden Anheftung die Blutbahn nicht verlassen und sammeln sich im Blut an. Die Patienten leiden unter einer stark erhöhten Infektionsanfälligkeit.

Die Göttinger Wissenschaftler wiesen nach, dass die molekulare Ursache der Erkrankung auf die verminderte Bereitstellung des Zuckers Fukose bei der Synthese von Glykoproteinen zurückzuführen ist. "Bei der neu entdeckten Krankheitsursache kann der Körper den Zucker Fukose nicht in ausreichendem Maße an den richtigen Platz in den Zellen transportieren. Fukose wird zwar in die Zellen aufgenommen, die Schleuse, durch die Fukose in der Zelle an den Ort der Glykoproteinbiosynthese gelangt, ist jedoch zum größten Teil blockiert," sagt Professor Dr. Kurt von Figura, Leiter der Abteilung Biochemie II der Universität Göttingen. Bei der Synthese von Glykoproteinen, werden im menschlichen Organismus Zuckerketten an Eiweißmoleküle angeheftet. Diese Zuckerketten gewährleisten unter anderem die Stabilität, den Transport an den Ort der Wirkung und die Funktion der Proteine.

Um den molekularen Defekt der neu entdeckten CDG-Erkrankung nachzuweisen, bedienten sich die Wissenschaftler einer speziellen Methode. Mit Hilfe von Retroviren schleusten sie eine Vielzahl menschlicher Gene in Zellen eines CDG-IIc Patienten ein, die zuvor aus der Haut entnommen und in der Zellkultur weitergezüchtet worden waren. Eines dieser Gene normalisierte den Einbau von Fukose in Glykoproteine. Bei dem Gen handelte es sich um ein bisher unbekanntes Membranprotein, das in der Zelle für die Einschleusung der Fukose in die Organelle verantwortlich ist, in der Fukose in Glykoproteine eingebaut wird. Im Falle des Patienten enthielt dieses Gen eine Mutation, die zum Verlust der Transport-Aktivität führt. Im Verlaufe ihrer Untersuchungen stellten die Göttinger Forscher fest, dass die Zugabe von Fukose in das Nährmedium der Patienten-Hautzellen zu einer Normalisierung der Glykoproteinbiosynthese führt. Dieser Befund wurde von Kinderärzten der Universitäts-Kinderklinik Münster zum Anlass genommen dem Patienten Fukose mit der Nahrung zu verabreichen. Dadurch konnte eine Normalisierung der Leukozytenzahl im Blut des Patienten und eine starke Abnahme der Infektanfälligkeit erzielt werden.

Weitere Informationen:

Universität Göttingen - Bereich Humanmedizin
Abteilung Biochemie II
PD Dr. Christian Körner
Humboldtallee 23
37073 Göttingen
Tel. 0551/39 - 59 02


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Hilfe

Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
Verknüpfungen

Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

Klammern

Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

Wortgruppen

Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

Auswahlkriterien

Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).