idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
17.12.2009 09:34

UDE: Mindestlöhne schaden nicht - Analyse zu den Beschäftigungseffekten

Ulrike Bohnsack Pressestelle
Universität Duisburg-Essen

    Selbst vergleichsweise hohe Mindestlöhne können positive Effekte auf der betrieblichen Ebene und auf dem Arbeitsmarkt haben. Das zeigt eine aktuelle Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen, die soeben im WISO-Diskurs der Friedrich-Ebert-Stiftung erschienen ist. Neben der umfassenden Analyse des deutschen Niedriglohnsektors präsentiert die Publikation neue empirische Befunde aus internationalen Untersuchungen, wie sich Mindestlöhne auf die Beschäftigung auswirken.

    Mindestlöhne werden in der politischen Diskussion in Deutschland meist ausschließlich als beschäftigungsschädlich eingestuft. Die zugrunde liegenden theoretischen Modellrechnungen gehen von 141.000 bis 1,22 Millionen gefährdeten Arbeitsplätzen aus. Demgegenüber zeigen Untersuchungen zur praktischen Umsetzung von Mindestlöhnen - z.B. in den USA und den meisten europäischen Ländern -, dass die Einführung oder Erhöhung von Mindestlöhnen neutrale oder sogar leicht positive Beschäftigungseffekte hat, stellten Prof. Dr. Gerhard Bosch, Thorsten Kalina und Dr. Claudia Weinkopf bei der Auswertung fest.

    Nicht nur sehr niedrige Mindestlöhne sind nach diesen Studien beschäftigungspolitisch neutral, sondern auch die Mindestlöhne in westeuropäischen Staaten, die von 8 Euro bis 13.80 Euro (Dänemark) reichen, oder die "living wages" in US-amerikanischen Städten, die sich an den Lebenshaltungskosten orientieren und in Kaufkraft gemessen bei 10 Euro und mehr liegen. Die Kosten für höhere Löhne können teilweise direkt wieder eingespielt werden, wie die "Flughafenstudie" des Institute for Labour and Employment in Berkeley zeigt: Im Rahmen eines Qualitätsprogramms der Flughafenkommission in San Francisco, das einen Mindestlohn von 11,25 Dollar inklusive Sozialleistungen und einen Anspruch auf 40 Stunden Qualifizierung einführte, erhielten 9 700 Beschäftigte eine Lohnerhöhung. Das Programm kostete ca. 42,7 Millionen Dollar und verringerte die Personalfluktuation um 30 Prozent, in Unternehmen, die die Löhne um mehr als 10 Prozent erhöht hatten, sogar um 60 Prozent. Allein beim Personal der Sicherheitskontrollen sank die Fluktuation von 94,7 auf 18,7 Prozent, so konnten 6,6 Millionen $ pro Jahr eingespart werden. Berichtet wurde weiter, dass die Qualität der Arbeit gestiegen ist, Fehlzeiten, Beschwerden der Beschäftigten und Disziplinarmaßnahmen dagegen zurückgingen.

    Die IAQ-Arbeitsmarktforscher schließen daraus: "Ob ein gesetzlicher Mindestlohn Arbeitsplätze kostet oder aber beschäftigungsfreundlich wirkt, hängt von seiner Ausgestaltung ab: Die Höhe der Festsetzung

    braucht Augenmaß - und flankierende Maßnahmen wie eine frühzeitige Ankündigung, Anpassungszeiten für Klein- und Mittelbetriebe sowie eine Verknüpfung mit Weiterbildung und Innovation!"

    Seit 1995 ist die Zahl der Niedriglohnbeschäftigten in Deutschland um knapp 49 Prozent gestiegen, zeigen die IAQ-Untersuchungen. Inzwischen arbeiten 6,5 Millionen Menschen - mehr als jeder fünfte Beschäftigte - für Stundenlöhne unterhalb der Niedriglohnschwelle von 9,62 Euro in Westdeutschland und 7,18 Euro in Ostdeutschland (2007). Die deutliche Zunahme des Niedriglohnsektors spricht für den politischen Handlungsbedarf. Ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn, der das Lohnspektrum nach unten begrenzt, wäre besonders wichtig für Bereiche, in denen die Gewerkschaften und Arbeitsgeberverbände nicht präsent oder zu schwach sind, um angemessene Löhne zu vereinbaren, so die IAQ-Wissenschaftler. Dabei schließen sich gesetzlicher und tariflicher Mindestlohn keineswegs gegenseitig aus, sondern können kombiniert werden, wie Beispiele aus anderen EU-Mitgliedsländern zeigen.

    Weitere Informationen: http://library.fes.de/pdf-files/wiso/06866.pdf
    http://www.iaq.uni-due.de/aktuell/veroeff/2009/bosch_kalina_weinkopf01.pdf

    Prof. Dr. Gerhard Bosch, Tel. 0203/379-1827, gerhard.bosch@uni-due.de; Thorsten Kalina, Tel. 0203/379-1352, thorsten.kalina@uni-due.de, Dr. Claudia Weinkopf, Tel. 0203/379-1353, claudia.weinkopf@uni-due.de

    Redaktion: Claudia Braczko, Tel. 0170-8761608, presse-iaq@uni-due.de


    Weitere Informationen:

    http://library.fes.de/pdf-files/wiso/06866.pdf
    http://www.iaq.uni-due.de/aktuell/veroeff/2009/bosch_kalina_weinkopf01.pdf


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).