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30.05.2001 14:39

Bundeskabinett beschließt Naturschutznovelle

Franz August Emde Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Bundesamt für Naturschutz

    Berlin, 30. Mai 2001: Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf von Bundesumweltminister Jürgen Trittin zur Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes beschlossen. "Damit ist der Weg frei für eine gründliche Modernisierung des Naturschutzes in Deutschland", sagte Trittin. Das Naturschutzrecht des Bundes soll neu ausgerichtet werden, um den Anorderungen des Erhalts der biologischen Vielfalt in einem modernen Industriestaat gerecht zu werden. "Damit löst die Koalition ein zentrales umweltpolitisches Versprechen ein", sagte der Minister.
    Bereits bei in der Zielbestimmung des Gesetzes wird das Nachhaltigkeitsprinzip gestärkt, in dem die Verantwortung für die zukünftigen Generationen hervorgehoben wird. Damit stehen aktuelle Nutzungsinteressen des Menschen nicht mehr alleine im Vordergrund. So wird etwa das Verhältnis des Naturschutzes zu Land- und Forstwirtschaft neu definiert. Das Gesetz formuliert Anforderungen an die sogenannte "gute fachliche Praxis", eine Art Stand der Technik für das landwirtschaftliche Gewerbe. "Diese Regeln stärken die Rolle der Bauern bei der Pflege und nachhaltigen Nutzung unserer vielfältigen Kulturlandschaften. Das Naturschutzgesetz des Bundes betrachtet die Bauern als Partner und setzt Standards für die Agrarwende", betonte Bundesumweltminister Trittin.
    Neue Standards setzt die Naturschutznovelle auch bei der nachhaltigen Sicherung der Vielfalt der heimischen Tier- und Pflanzenarten. Die Bundesländer haben auf 10 Prozent ihrer jeweiligen Landesfläche ein Netz verbundener Biotope zu entwickeln, das die bisherige Vereinzelung der Tier- und Pflanzenarten auf einem Flickenteppich voneinander isolierter Schutzflächen ablösen soll. Die Art der rechtlichen Sicherung der Flächen des Biotopverbundes, sei es durch förmliche Unterschutzstellung, Vertragsnaturschutz oder planungsrechtliche Mittel, bleibt den Bundesländern überlassen. Bei Umsetzung und Vollzug der anspruchsvollen Vorgaben des neuen Bundesnaturschutzgesetzes werden die Bundesländer eine entscheidende Rolle spielen. Entsprechend der föderalen Aufgabenverteilung ist das Naturschutzgesetz des Bundes als Rahmengesetz konstruiert und muss durch entsprechende Landesgesetze umgesetzt werden. Nach dem heutigen Kabinettsbeschluss soll nun rasch das parlamentarische Verfahren eingeleitet werden. Die Novelle bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates. Ziel ist, das Gesetzgebungsverfahren noch im Jahr 2001 erfolgreich abzuschließen.
    Hinweis: Im Internet können Sie unter www.bmu.de eine Datei mit dem vollständigen Text des Gesetzentwurfs herunterladen.
    Eckpunkte des Regierungsentwurfs zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes vom 30. Mai 2001
    · Das Verhältnis von Naturschutz und Landwirtschaft wird neu definiert. Erstmals werden im Naturschutzrecht Anforderungen an die gute fachliche Praxis in der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft formuliert. Diese ergänzen bestehende fachrechtliche Anforderungen. Dazu gehören z.B. der Erhalt von Saumstrukturen und Trittsteinbiotopen für die Biotopvernetzung, ein ausgewogenes Verhältnis von Tierhaltung und Pflanzenbau, der Aufbau naturnaher Wälder und der Verzicht auf Kahlschlag bei der Bewirtschaftung sowie der Erhalt und die Förderung von Lebensräumen für heimische Tier- und Pflanzenarten bei der fische-reiwirtschaftlichen Gewässernutzung. Damit werden Standards für die Agrarwende gesetzt. Es handelt sich um rahmenrechtliche Vorgaben, die von den Ländern konkretisiert werden müssen. Die bestehende Vorschrift über Ausgleichsleistungen für Nutzungsbeschränkungen wird in eine allgemeine Rahmenregelung umgewandelt. Künftig wird den Ländern allein aufgegeben, Vorschriften über den Ausgleich von Nutzungsbeschränkungen zu treffen. Die Einzelheiten bestimmen die Länder.
    · Zur Stärkung des Naturschutzes und zur Verbesserung der Transparenz naturschutzrelevanter Entscheidungen wird die Beteiligung anerkannter Naturschutzvereine weiterentwik-kelt. Erstmalig wird im Bundesrecht die Vereinsklage eingeführt. Damit wird den insgesamt positiven Erfahrungen mit den bereits bestehenden entsprechenden Regelungen in 13 Ländern Rechnung getragen. Für Klagen gegen Entscheidungen der Bundesbehörden ist die Regelung abschließend ausgestaltet, die Länder können weitere Vereinsklagetatbe-stände schaffen. Die Klagemöglichkeit der Naturschutzverbände knüpft an ihre Mitwirkung im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren an. Klagefähig sind Planfeststellungen sowie Befreiungen von Ge- und Verboten in Schutzgebieten.
    · Die Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden weiterentwickelt. U.a. ist danach bei Naturschutzmaßnahmen ein frühzeitiger Informationsaustausch mit Betroffenen und interessierter Öffentlichkeit, z.B. Sportverbänden zu gewährleisten.
    · Zur Sicherung von heimischen Tier- und Pflanzenarten und deren Populationen einschließlich ihrer Lebensräume und Lebensgemeinschaften wird eine Regelung zur Schaffung ei-nes bundesweiten Biotopverbunds eingeführt. Der Biotopverbund wird definiert als ein "Netz verbundener Biotope".
    Elemente des Biotopverbunds sind geeignete Kernflächen, deren Bestandteile, u.a. bestehende geeignete Schutzgebiete oder Teile derselben, sowie Verbindungsflächen (z.B. Flussläufe) und Verbindungselemente (z.B. Kirchturm als Nistplatz für Turmfalken). Der Biotopverbund stellt selbst keine neue Schutzkategorie dar. Die Länder sollen für den Bio-topverbund mindestens 10 % der Landesfläche zur Verfügung stellen. Die erforderlichen Flächen sind durch geeignete Maßnahmen (Schutzgebiete, planungsrechtliche Festlegungen, Vertragsnaturschutz u.a.) rechtlich zu sichern, um den Biotopverbund dauerhaft sicherzustellen.
    · Die Eingriffsregelung wird verbessert. Das gilt etwa für Eingriffe, die zu erheblichen Veränderungen des Grundwasserspiegels führen. Durch Zusammenfassung von Aus-gleichs- und Ersatzmaßnahmen bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Eingriffs soll sie flexibler und praktikabler gestaltet werden. Damit leistet die Regelung einen Beitrag zur Verbesserung der Durchführung der Eingriffsregelung in der Praxis.
    Es bleibt beim Vorrang von Ausgleichsmaßnahmen, wonach ein gleichartiger Ersatz beeinträchtigter Naturfunktionen zwingend ist. Beispiel: Wenn eine Streuobstwiese einem Straßenbauvorhaben weichen muss, bedeutet Ausgleich, dass eine vergleichbare Streuobstwiese in einem engen funktionalen Zusammenhang wieder angelegt wird. Soweit Ausgleichsmaßnahmen aus naturschutzfachlicher Sicht weder angemessen noch verhältnismäßig sind, sind Ersatzmaßnahmen durchzuführen. Diese müssen auch in Form von Naturalkompensation erbracht werden, d.h. Naturfunktionen müssen in gleichwertiger Weise wiederhergestellt werden. Dies kann auch in Form von Verbesserungsmaßnahmen für konkrete Naturfunktionen erfolgen (Verbesserungen durch Wiederbegrünung von devastierten Flächen).
    Die Abwägungsregelung wird für Lebensräume der streng geschützten Tier- und Pflanzenarten verschärft. Der Vollzug wird gestärkt, indem die Länder verpflichtet werden, Re-gelungen zur Sicherung der Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu erlassen (z.B. Flächenkataster). Außerdem gibt das Gesetz einen Hinweis auf die Zulässig-keit von Flächenpool- und Ökokontoregelungen, die auf Ebene des Landesnaturschutzrechts geschaffen werden müssen.
    · Wir wollen Naturschutz mit den Menschen in einer Kulturlandschaft. Dazu wird der Schutzgebietsteil modernisiert. Das Entwicklungsprinzip wird durchgehend gestärkt. Der Umgebungsschutz und die Möglichkeit, Schutzgebiete in unterschiedlich geschützte Zo-nen zu gliedern, wird auf dem bereits durch die Rechtsprechung anerkannten Standard eingeführt. Die Nationalparkregelung wird weiterentwickelt; der Prozessschutzgedanke und das Entwicklungsprinzip werden rechtlich abgesichert.
    · Zur Stärkung des vorsorgenden Naturschutzes ist die Landschaftsplanung nunmehr flächendeckend vorzunehmen. Ausnahmen sind nur für den Fall möglich, dass die vor-herrschende Nutzung eines Gebiets den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege entspricht und dies planungsrechtlich abgesichert ist.
    · Energiefreileitungen und Masten sollen so gesichert werden, dass Verletzungen von Vögeln durch Stromschlag ausgeschlossen werden. Dazu wird eine Nachrüstungsver-pflichtung für bestehende Anlagen vorgesehen, deren Ziel es ist, innerhalb einer Frist von 8 Jahren Gefährdungen für Vögel auszuschließen.
    · Im Bereich der Deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und des Festlandsockels (= jeweils Bereiche von 12 - 200 Seemeilen von der Küstenlinie) wird der Meeres-naturschutz gestärkt. Durch die Änderung der Seeanlagenverordnung werden die Ge-nehmigungsvoraussetzungen bei Errichtung, Betrieb und Änderung von Anlagen, z.B. bei Windenergieparks und Ölbohrplattformen, schärfer gefasst. Damit werden die Vorausset-zungen geschaffen, aus naturschutzrechtlicher Sicht angemessen auf die steigenden wirtschaftlichen Aktivitäten in der AWZ reagieren zu können.
    · Im weiteren Verlauf des parlamentarischen Verfahrens sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, auch Meeresflächen in der AWZ unter Schutz stellen zu können. Da-mit werden die Anforderungen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie im Bereich in Nord- und Ostsee umgesetzt.
    Der weitere Fahrplan des Gesetzgebungsverfahrens
    · Kabinett: Nach Kabinettbeschluss am 30. Mai 2001 soll noch vor der Sommerpause das parlamentarische Verfahren eingeleitet werden.
    · Am 13. Juli 2001 ist voraussichtlich mit der Beschlussfassung durch den Bundesrat zu rechnen. Die Novelle bedarf gleichwohl nicht der Zustimmung des Bundesrates, das keine zusätzlichen Verfahrensbestimmungen in ihr enthalten sind.
    Ziel ist es, das Gesetzgebungsverfahren bis zum Jahresende 2001 erfolgreich abzuschließen.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Tier / Land / Forst
    überregional
    Organisatorisches
    Deutsch


     

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