Wissenschaftler der Humboldt-Universität zeigen, welche neuronalen Berechnungen dem räumlichen Gedächtnis zugrunde liegen
Nervenzellen kommunizieren über elektrische Signale - sie senden und empfangen so genannte Aktionspotentiale. Bereits im Jahre 1961 entdeckte der spätere Nobelpreisträger Eric Kandel, dass Neurone im Hippocampus nicht nur Aktionspotentiale, sondern auch sehr viel kleinere elektrische Signale produzieren - so genannte "Spikelets". Diese Spikelets konnten bisher allerdings nur an narkotisierten Tieren gemessen werden und somit blieb ihre Bedeutung beim wachen Tier fast 50 Jahre lang unklar. Die Wissenschaftler Jérôme Epsztein, Albert K. Lee, Edith Chorev und Michael Brecht vom Bernstein Zentrum für Computational Neuroscience und der Humboldt-Universität zu Berlin zeigen nun, dass Spikelets beim räumlichen Gedächtnis und der räumlichen Orientierung eine entscheidende Rolle spielen und Aktionspotentiale auslösen können. Die Ergebnisse werden am 22. Januar in der Zeitschrift Science online veröffentlicht.
Der Hippocampus ist eine Hirnregion, die beim räumlichen Gedächtnis und der räumlichen Orientierung eine zentrale Rolle spielt. Brecht und seinem Forscherteam ist es mit einem neuen Messverfahren gelungen, vom Inneren einzelner Zellen des Hippocampus elektrische Signale abzuleiten, während sich das Tier frei im Käfig bewegt. Dies ist ein entscheidender Schritt, um zu untersuchen, welche Bedeutung spikelets für die Hirnfunktion bei bestimmten Verhaltensweisen haben. So genannte Ortszellen im Hippocampus werden immer dann aktiv und senden Aktionspotentiale aus, wenn sich das Tier an einem bestimmten Ort in einer ihm bekannten Umgebung aufhält. Die neuen Messungen der Forscher an der Humboldt-Universität zeigen nun, dass eben diese Ortszellen nicht nur Aktionspotentiale aussenden, sondern auch Spikelets. Weiterhin konnten die Wissenschaftler zeigen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Entstehung von Aktionspotentialen und Spikelets gibt: etwa 1/3 der Aktionspotentiale werden von Spikelets ausgelöst. Bisher war man davon ausgegangen, dass Neurone in aller Regel nur dann ein Aktionspotential aussenden, wenn sie von vorgeschalteten Zellen über chemische Synapsen ausreichend angeregt werden.
Woher die Spikelets stammen, konnte bisher nicht eindeutig nachgewiesen werden. "Man nimmt an, dass sie durch elektrische Kopplungen zwischen den Zellen ausgelöst werden", so Brecht. Jede Nervenzelle im Hippocampus erhält etwa 30.000 Kontakte von anderen Nervenzellen. An diesen Kontaktstellen ist die elektrische Übertragung unterbunden und das elektrische Signal muss zur Weiterleitung in ein chemisches Signal umgewandelt werden. Einige wenige, wahrscheinlich nur 1-4 von 30.000 Zellkontakten aber sind elektrisch gekoppelt: das elektrische Signal kann direkt und ohne chemische Botenstoffe übertragen werden - in der Empfängerzelle wird es dann als Spikelets gemessen. "Bisher hat man diesen Kontakten jedoch nicht genügend Bedeutung zugemessen. Unsere Daten weisen aber darauf hin, dass elektrische Kopplungen ganz spezifisch Zellen mit einer ähnlichen Funktion im Ortsgedächtnis zusammenschalten, und diese daher möglicherweise viel bedeutender sind als bisher angenommen", so der Berliner Wissenschaftler.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Michael Brecht
Bernstein Center for Computational Neuroscience
Humboldt-Universität zu Berlin
Philippstr. 13, House 6
10115 Berlin
Tel: 030 2093-6770
michael.brecht@bccn-berlin.de
www.bccn-berlin.de
Publikation:
Jérôme Epsztein, Albert K. Lee, Edith Chorev and Michael Brecht
"Impact of Spikelets on Hippocampal CA1 Pyramidal Cell Activity during Spatial Exploration"
"Science" (Ausgabe vom 22. Januar 2010)
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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