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19.06.2001 11:40

Teilungsstopp für Tumorzellen

Inge Arnold Stabsabteilung Presse, Kommunikation und Marketing
Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft

    Forschungszentrum Karlsruhe entschlüsselt Mechanismus zur Hemmung von Zellteilung

    Woher wissen Zellen, wann sie sich teilen müssen und wann die Teilung angehalten werden muss? Im Forschungszentrum Karlsruhe ist ein molekularer "Schalter" gefunden worden, mit dem die Teilung von Zellen gestartet und wieder gestoppt werden kann. Die künstliche Aktivierung dieses Schalters könnte einen Weg zur Hemmung von Krebswachstum eröffnen. Das Verfahren wurde vom Forschungszentrum als Patent angemeldet.

    Das hat jeder schon am eigenen Leib erfahren: Eine Wunde verheilt unter anderem dadurch, dass sich die umgebenden Zellen solange vermehren, bis die Verletzung geschlossen ist. Zellen vermehren sich, indem sie sich teilen. In der Zelle - genauer: im Zellkern - wird dazu ein genetisches Programm angeregt. Ob dieses Programm angeregt und wann es wieder beendet wird, hängt von einem komplizierten Gleichgewicht zwischen aktivierenden und hemmenden Prozessen in der Zelle ab. Bei der Entstehung von Krebs ist dieses Gleichgewicht gestört: Entweder sind die antreibenden Faktoren zu stark, oder die "Bremsen" fehlen.
    "Wir haben einen Mechanismus entdeckt, wie eine solche Bremse für die Zellteilung von außerhalb der Zelle aktiviert werden kann", erläutert Professor Dr. Helmut Ponta vom Institut für Toxikologie und Genetik des Forschungszentrums Karlsruhe. "Ein Molekül namens CD44, das durch die Zellmembran hindurch, also vom Innern der Zelle nach außen reicht, kann erkennen, ob in der nächsten Nachbarschaft weitere Zellen liegen. Im Innern der Zelle wird dann ein anderes Molekül, es heißt Merlin, aktiviert. Wenn Merlin aktiviert ist, hört die Zelle auf, sich zu teilen."
    CD44 ist ein Protein, das im Forschungszentrum schon seit längerem untersucht wird. So konnte nachgewiesen werden, dass es für die Metastasierung von Tumorzellen eine entscheidende Rolle spielt. Interessant ist nun, dass es unter bestimmten Umständen auch tumorhemmend wirken kann: Durch seinen molekularen Aufbau reicht es durch die Zellmembran hindurch und kann Signale von außen in die Zelle hinein vermitteln. So wird über CD44 vermittelt, ob die Zelle von anderen Zellen umgeben ist. Falls dies erkannt wird, aktiviert CD44 im Innern der Zelle das Molekül Merlin. Im aktivierten Zustand stoppt Merlin die Zellteilung.
    "Damit haben wir einen Weg gefunden, über den ein Signal von außerhalb der Zelle einen Teilungsstopp bewirkt", so Ponta weiter. "Das eröffnet eine Möglichkeit, über die künstliche Aktivierung von Merlin auch die Teilung von Tumorzellen und damit das Wachstum von Tumoren zu verhindern."
    Dieser Weg, über den durch Stimulation von außerhalb der Zelle die Zellteilung aufgehalten werden kann, wurde vom Forschungszentrum Karlsruhe zum Patent angemeldet. Die wissenschaftlichen Ergebnisse sind in der amerikanischen Fachzeitschrift "Genes und Development" (Vol. 15, S. 968 - 980, 2001) abgedruckt.

    Wissenschaftlicher Hintergrund

    Im Laufe eines Lebens findet in unserem Körper die unvorstellbar hohe Zahl von 10 Billiarden Zellteilungen statt. Jede einzelne wird mit großem Aufwand und höchster Präzision reguliert. In einer Zellkultur teilen sich normale Zellen solange, bis sie den Boden eines Gefäßes bedecken. Das Wachstum wird durch so genannte "Kontaktinhibition" beendet. Bei Tumorzellen funktioniert dies nicht: Die Zellen wachsen in die dritte Dimension weiter und füllen das ganze Gefäß aus. Dies kann auf Ebene der Zelle durch zwei Mechanismen ausgelöst werden, entweder durch Aktivierung von "Onkogenen", also Proteinen, die Krebsentstehung fördern, oder durch Deaktivierung von so genannten "Tumorsuppressorgenen", die Krebsentstehung behindern.
    Ein solcher Tumorsuppressor ist das Gen Neurofibromatose 2 (NF2), beziehungsweise das durch NF2 codierte Protein namens Merlin. Das Gen NF2 ist benannt nach Neurofibromatose 2, einer Erbkrankheit, die unter anderem am Auftreten (gutartiger) Tumore im Gehirn (Schwanome) identifiziert werden kann. Die Krankheit entsteht durch einen Fehler im NF2-Gen auf Chromosom 22. Durch die Untersuchungen im Forschungszentrum konnte nun gezeigt werden, wie Merlin die Teilung von Zellen hemmt.
    Dazu wird die Vermittlung des Proteins CD44 benötigt, das durch die Membran der Zellen reicht. Das eine Ende von CD44, das außerhalb der Zelle liegt, kann dort Bindegewebe erkennen; das sind Moleküle, die Zellen umgeben. Das Andocken von Bindegewebs-Substanzen an den CD44-Rezeptor führt im Innern der Zelle zu einer Reaktion: Merlin geht von einem phosphorylierten in einen dephosphorylierten Zustand über: In diesem Zustand hemmt es die weitere Teilung der Zelle.
    Bei hohen Zelldichten kommen viele CD44-Rezeptoren mit Bindegewebe anderer Zellen in Kontakt, die Vermehrung der Zellen hört auf. Merlin und CD44 bilden also gemeinsam einen molekularen Schalter, der zwischen Stopp des Zellwachstums und Zellteilung entscheidet.
    Joachim Hoffmann 18. Juni 2001


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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