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22.03.2010 09:38

Deutschland - ein Niedriglohnland

Dipl.-Betriebswirtin (FH) Nadine Schmitz RheinAhrCampus Remagen Pressestelle
Fachhochschule Koblenz / RheinAhrCampus Remagen

    Prof. Dr. Stefan Sell - Arbeitsmarktexperte und Professor für Volkswirtschaftslehre, Sozialpolitik und Sozialwissenschaften am RheinAhrCampus in Remagen - war zu Gast in der Sondersendung "Ist mein Lohn gerecht? Was Arbeit noch wert ist" im WDR-Fernsehen.

    KÖLN/REMAGEN. Mehr als jeder fünfte Arbeitnehmer in Deutschland ist im sogenannten Niedriglohn-Sektor beschäftigt, Tendenz steigend. Damit steht Deutschland an der Spitze Europas und erreicht fast das Niveau der USA. Dabei sind es nicht immer nur Geringqualifizierte, die von den niedrigen Löhnen betroffen sind. Im Gegenteil: Arbeitnehmer im Niedriglohn-Sektor sind in der Regel gut ausgebildet. Fast 80 Prozent von ihnen haben eine Berufsausbildung abgeschlossen, viele sogar einen Studienabschluss. Daher ist es kein Wunder, dass viele Berufstätige das Gefühl haben, ihre harte Arbeit sei nichts mehr wert. Obwohl sie in Vollzeit arbeiten, reicht das Geld zum Leben nicht aus und sie sind auf zusätzliche staatliche Unterstützung angewiesen.

    Doch warum ist die Arbeit in Deutschland immer weniger wert und wer trägt die Schuld daran? In der Sondersendung des WDR "Ist mein Lohn gerecht? Was Arbeit noch wert ist" suchten die Moderatoren Jörg Schönenborn und Anna Planken nun gemeinsam mit Ihren Studiogästen nach Antworten. Zu Gast im Studio war auch Prof. Dr. Stefan Sell - Arbeitsmarktexperte und Professor für Volkswirtschaftslehre, Sozialpolitik und Sozialwissenschaften am RheinAhrCampus in Remagen. 90 Minuten lang diskutierten die Moderatorin des ARD-Morgenmagazins und der Chefredakteur Fernsehen des WDR mit den Experten im Studio.

    Der Niedriglohnsektor, der als Sprungbrett von der Arbeitslosigkeit in eine Beschäftigung mit dem anschließenden Aufstieg in besser bezahlte Jobs dienen sollte, war politisch gewollt. Doch die eingeladenen Experten kritisierten die Zahlung von Niedriglöhnen stark. Nur etwa jeder achte Beschäftigte schafft den Sprung vom Niedriglohn zum gerechten Gehalt. Das Arbeitnehmer neben ihrem Gehalt zusätzlich auf eine staatliche Aufstockung angewiesen sind, nutzen viele Arbeitgeber aus. "Die Arbeitgeber sozialisieren ihre Kosten auf Kosten der Steuerzahler", so Prof. Dr. Sell. Hier sei die Politik gefordert, durch die Einführung von Mindestlöhnen und Allgemeinverbindlichkeitserklärungen Abhilfe zu schaffen.

    Auch wir Verbraucher sind gefordert, stellte Moderatorin Anna Planken fest. Denn wir sind immer weniger bereit, einen angemessenen Preis für die in Anspruch genommenen Leistungen zu zahlen. Beim Frisör freuen wir uns über Dumpingpreise ohne daran zu denken, dass zu diesem Preis eine angemessene Entlohnung der Friseure nicht möglich ist. Doch wie kann ich erkennen, ob erhöhte Preise auch tatsächlich beim Arbeitnehmer ankommen? "Als Verbraucher kann man das nicht erkennen", so Sell. "Es sei denn, die Medien berichten so intensiv wie es bei Schlecker der Fall war". Was viele nicht wissen: nicht nur in gewinnorientierten Unternehmen werden Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor beschäftigt, auch in kirchlichen und wohlfahrtverbandlichen Einrichtungen sind Mitarbeiter häufig von Niedriglöhnen betroffen.

    Lohngerechtigkeit wird in Deutschland immer seltener. Das zeigten auch die Einspielfilme während der Sendung. Schlecker wandelt seine Filialen in XL-Filialen um, um sich vor der Tarifbindung zu drücken. Lebensmitteldiscounter setzen oftmals lieber mehrere Minijobber ein, da diese günstiger sind als eine Vollzeitkraft. Leiharbeitnehmer, die bis zu einem Drittel weniger Lohn erhalten als ihre Kollegen, schaffen nicht - wie von der Politik geplant - den Sprung in die Vollzeitbeschäftigung. Und angestellte Lehrer verdienen deutlich weniger als ihre verbeamteten Kollegen und können sich nicht mal einen Urlaub leisten.

    Der Arbeitsmarktexperte Stefan Sell hält das Instrument Leiharbeit dabei grundsätzlich für sinnvoll, sofern die Leiharbeitnehmer den gleichen Verdienst wie ihre Kollegen erzielen. Er nennt dabei das Beispiel Frankreich, wo deutlich mehr Leiharbeitnehmer eingestellt werden, diese jedoch zusätzlich zum gleichwertigen Einkommen einen Flexibilitätsbonus von 10 Prozent erhalten. Mit Skepsis beobachtet er aber derzeit eine zwar legale, aber missbräuchliche Inanspruchnahme der Leiharbeit in Deutschland. Denn durch eine Gesetzeslücke gründen immer mehr Unternehmen ihre eigene Zeitarbeitsfirma, schließen niedrigere Tarifverträge ab "und unterlaufen so ihre eigenen Tariflöhne." Der Weg zur Zwei-Klassen-Belegschaft wird auf diese Weise geebnet.

    Es gibt weitere Fälle, in denen Menschen von ihrem Einkommen nicht leben und ihre Familie nicht ernähren können, selbst wenn sie mehr als den Mindestlohn verdienen. So wird in der Sendung der Fall von Thomas Lerchner vorgestellt, der mit einem Nettogehalt von 1.300 € im Monat und einer vierköpfigen Familie auf Lebensmittel von der Tafel angewiesen ist. Er gehört zu den etwa 400.000 Vollzeitbeschäftigten, die ihren Verdienst mit Hartz IV aufstocken. Weitere 500.000 Vollzeitbeschäftigte hätten ebenfalls Anspruch, verzichten aber darauf, da sie für den Zuschuss dasselbe Prozedere über sich ergehen lassen müssen wie der nicht arbeitende Hartz IV-Empfänger, so der Arbeitsrechtler Wolfgang Büser.

    "Wir brauchen einen allgemein gesetzlichen Mindestlohn, wie wir ihn in den meisten europäischen Ländern um uns herum haben." Der Ansicht ist auch Arbeitsmarktexperte Sell. Hierbei sei es jedoch wichtig nicht gleich zu hoch einzusteigen, sondern den Lohn jedes Jahr kontinuierlich anwachsen zu lassen.

    Dass es auch anders geht, bestätigte Dirk Müller, Geschäftsführer eines Gebäudereinigungsunternehmens. In seiner Branche werden bereits Mindestlöhne gezahlt. "Wir wollen Wettbewerb über Qualität", so Müller. Dass Mindestlöhne Arbeitsplätze vernichten, wie es in vielen Gutachten heißt, kann Müller nicht bestätigen. Im Gegenteil: In seiner Branche wurden Arbeitsplätze sogar aufgebaut.

    Um das Thema Hartz IV ging es übrigens auch in der Sendung hart aber fair mit Frank Plasberg. Am Tag nach der Sendung "Die rote Rolle rückwärts - kommt jetzt der Abschied von Hartz IV?" überprüfte Prof. Dr. Stefan Sell als Arbeitsmarktexperte im Faktencheck die Aussagen der Gäste.

    Der RheinAhrCampus in Remagen

    Der RheinAhrCampus Remagen ist eine junge und moderne Hochschule mit zurzeit 2.700 Studierenden. Nur zwanzig Kilometer von Bonn entfernt, ist er einer von drei Standorten der Fachhochschule Koblenz. Die Studierenden können zwischen attraktiven und zukunftsträchtigen Studiengängen aus zwei Fachbereichen wählen.

    Der Fachbereich Betriebs- und Sozialwirtschaft hat es innerhalb von zehn Jahren geschafft, so das Urteil des CHE-Rankings aus dem Jahre 2008, zum besten FH-Standort für Betriebswirtschaftslehre in Rheinland Pfalz zu werden und gehört zu den 25% der Besten in Deutschland. Das Zentrum für Hochschulranking (CHE) urteilt in seinem Ranking auch, dass der Fachbereich Betriebs- und Sozialwirtschaft zu den Drittmittelstärksten in Deutschland gehört. In der Forschung & Entwicklung gehört der RheinAhrCampus damit zu den Top 10 der deutschen Fachhochschulen. Der Studiengang Betriebswirtschaftslehre wird mit den Vertiefungsrichtungen "Gesundheits- und Sozialwirtschaft" und "Logistik und E-Business" angeboten. Zusätzlich wird im Fachbereich der duale Studiengang Sportmanagement angeboten, der in Kooperation mit dem Deutschen Olympischen Sportbund sowie den Landessportbünden Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen durchgeführt wird. Den Studierenden kommt dabei im Vergleich zu klassischen Betriebswirten das interdisziplinär angelegte Studium zugute. Laut regelmäßiger interner Evaluationen vergehen im Durchschnitt nur drei Wochen zwischen der letzten Prüfung und der Zusage für einen Arbeitsplatz.

    Die im Fachbereich Mathematik und Technik angebotenen Studiengänge gehören nicht zum klassischen Repertoire einer Fachhochschule. Sie sind eine Antwort auf die neuen Anforderungen durch Industrie und Wirtschaft und bereiten nicht nur auf die klassischen Berufsfelder vor, sondern qualifizieren insbesondere für moderne zukunftsorientierte Berufe an den Schnittstellen einer oder mehrerer traditioneller Arbeitsfelder. Der starke Anwendungsbezug des Studiums und moderne Studieninhalte in den Studiengängen Biomathematik, Optik und Lasertechnik, Medizintechnik und Sportmedizinische Technik, Mess- und Sensortechnik sowie Wirtschaftsmathematik sorgen dafür, dass die Studierenden bereits vor dem Abschluss ihres Studiums von Unternehmen angeworben werden.

    Das Studium schließt mit dem Bachelor of Arts (B.A.) in den betriebswirtschaftlichen und dem Bachelor of Science (B.Sc.) in den mathematisch-technischen Studiengängen ab. Diese Abschlüsse sind Zugangsvoraussetzung zum weiterführenden Masterstudium, welches ebenfalls am RheinAhrCampus abgeschlossen werden kann. Der Fachbereich Betriebs- und Sozialwirtschaft bietet hier den Masterstudiengang "Betriebswirtschaftslehre" mit dem Abschluss Master of Arts (M.A.) und den frei kombinierbaren Vertiefungsrichtungen Logistik und E-Business, Gesundheits- und Sozialwirtschaft sowie Sportmanagement an. Im Fachbereich Mathematik und Technik kann der Master of Science (M.Sc.) in den Studiengängen "Applied Physics" sowie "Mathematics in Finance and Life Sciences" erworben werden. Für Absolventen mit mindestens einjähriger Berufserfahrung hat sich außerdem das MBA-Fernstudienprogramm am RheinAhrCampus etabliert. Das Fernstudium, das in Kooperation mit der ZFH - Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen - durchgeführt wird, besteht aus einer abwechslungsreichen Mischung aus Selbststudium, virtuellen Lernkomponenten und Präsenzphasen. Den Studierenden stehen hier sieben Vertiefungsrichtungen zur Auswahl: Marketing, Produktionsmanagement, Logistikmanagement, Sanierungs- und Insolvenzmanagement, Gesundheits- und Sozialwirtschaft, Freizeit- und Tourismuswirtschaft sowie Unternehmensführung/Finanzmanagement.


    Weitere Informationen:

    http://www.wdr.de/tv/home/webcards/gerechterlohn/index.jsp - Informationen und Video zur Sondersendung
    http://www.wdr.de/themen/politik/1/hart_aber_fair/faktencheck_100317/index.jhtml - Faktencheck hart aber fair


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    Prof. Dr. Stefan Sell
    Prof. Dr. Stefan Sell

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Personalia
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Stefan Sell


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