Ergebnisse von Tübinger Physiologen zu Forschungen am Innenohr in 'Science'
Das menschliche Ohr kann sehr leise Töne und selbst feinste Unterschiede in der Tonhöhe wahrnehmen. Schon länger ist der Hörprozess, die Verarbeitung der über die Luft übertragenen Schallwellen im Ohr, bekannt. Allein durch die mechanischen Eigenschaften des Innenohrs lässt sich die große Hörleistung der Säugetiere jedoch nicht erklären. Forscher hatten bereits herausgefunden, dass beim Hörvorgang auch ein aktiver Verstärkungs-Prozess eine Rolle spielt. Unter der Leitung von Prof. Bernd Fakler haben Dr. Dominik Oliver, Dr. Nikolaj Klöcker, Dr. Jost Ludwig, Dr. Uwe Schulte und Prof. J. Peter Ruppersberg vom Institut für Physiologie der Universität Tübingen zusammen mit Marburger und amerikanischen Kollegen die molekularen Grundlagen dieses Verstärkers im Detail untersucht. Ihre Ergebnisse werden in der heutigen Ausgabe der Fachzeitschrift Science (22. Juni 2001, Vol. 292, No. 5525) veröffentlicht.
Stark vereinfacht gesagt werden Geräusche oder Töne, Luftvibrationen, die auf das Trommelfell treffen, mechanisch über die Gehörknöchelchen im Ohr übertragen. Über das so genannte 'ovale Fenster' werden sie auf eine wässrige Flüssigkeit in einem Organ weitergeleitet, das in der Form der schraubigen Schale einer Schnecke ähnelt - die Cochlea im Innenohr. Die Bewegung der Flüssigkeit in der Cochlea führt schließlich dazu, dass winzige, haarförmige Sinneszellen abgelenkt werden. Ihre Auslenkung melden sie über Nerven an das Gehirn, wo dann die Hörempfindung ausgelöst wird. Dieser komplizierte Prozess reicht jedoch noch nicht aus, um die große Leistungsfähigkeit des Gehörs zu erklären. Zusätzlich laufen elektrische Prozesse an den Haarsinneszellen in der Cochlea ab: Sie ändern ihre Länge als Antwort auf Änderungen der elektrischen Spannung in ihrer Zellmembran. Dadurch wird der eintreffende Schallreiz verstärkt.
Die Längenänderung, so haben Forscher kürzlich entdeckt, wird von einem elektrisch empfindlichen Motormolekül vermittelt, dem Eiweiß Prestin, das die äußere Hülle der Haarsinneszelle durchspannt. Die Tübinger Physiologen haben nun herausgefunden, was wiederum das Motormolekül Prestin antreibt: negativ geladene Teilchen (Ionen) im Innern der Haarsinneszellen. Denn wenn diese Ionen im Experiment entfernt wurden, konnten die Haarsinneszellen ihre Länge nicht mehr ändern, da sich das Motormolekül Prestin nicht mehr bewegte. Damit ergibt sich ein Modell, in dem die negativ geladenen Ionen als Sensoren wirken, die von der elektrischen Spannung in das Prestinmolekül hineingedrückt werden und so seine Formänderungen bewirken. Die Formänderung des Prestins wiederum steuert die Längenänderung der Haarsinneszellen und ermöglicht so die große Empfindlichkeit des Gehörs.
Die Grundlagenforschung der Tübinger Wissenschaftler soll helfen, die Vorgänge im Innenohr des Menschen besser zu verstehen. Denn Störungen der Verstärkerfunktion der Haarsinneszellen sind eine der Hauptursachen für Schwerhörigkeit.
Nähere Informationen:
Prof. Bernd Fakler
Physiologisches Institut
Gmelinstraße 5
72076 Tübingen
Tel. 0 70 71/2 97 71 73
Fax 0 70 71/8 78 15
e-mail: bernd.fakler@uni-tuebingen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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