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25.06.2001 12:44

Wie können Bürger bei der Regulierung der Gentechnik beteiligt werden?

Dr. Gerhard Trott Medien und News
Universität Bielefeld

    Die Forderung nach einer Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in den Prozess der Entscheidungsfindung und -umsetzung ist ein charakteristisches Merkmal der demokratisch verfassten Gesellschaften Europas. Stichworte wie "Öffentlichkeits-", "Bürger-" oder "Betroffenenbeteiligung" stehen für weitreichende Forderungen, denen sich moderne Gesellschaften nicht ohne nachhaltigen Legitimationsverlust entziehen können. Entsprechend wird Partizipation als ein Motor für die Förderung und Entwicklung von 'Bürgerrollen' (citizenship) eingesetzt, in und mit denen die Bevölkerung in Entscheidungsprozesse verschiedenster Art einbezogen werden soll. In kaum einem anderen Bereich machen sich Partizipationspostulate und ihre Umsetzung in Form der Herstellung partizipativer Öffentlichkeit so deutlich bemerkbar wie im Kontext der Entwicklung und Anwendung 'brisanter' Technik.

    In dem Maße, in dem neuartige Technologien aufgrund ihres Gefahren- und Risikopotentials politische und rechtliche Regulierungen herausfordern, wird die Frage nach einer angemessenen Beteiligung der (letztlich betroffenen) Bürger an dieser Regulierung immer dringlicher. Zum ausgehenden 20. Jahrhundert ist es hier vor allem die Biotechnologie, an deren Umsetzung sich europaweit - wenn auch in unterschiedlicher Gestalt und Ausprägung - neuartige Versuche der Herstellung partizipativer Öffentlichkeit beobachten lassen.
    Eine vom 28. bis 30. Juni im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld tagende internationale Arbeitsgruppe fragt nach den Möglichkeiten und Grenzen der Ausbildung von Bürgerrollen durch Partizipation: Welcher Art sind die sozialen Positionierungen, d.h. die Selbst- und Fremdbilder der Beteiligten, die im Prozess der Partizipation selbst zum Ausdruck kommen? Geben diese kommunizierten Selbst- und Fremdbilder Anhaltspunkte dafür, dass es zur Ausbildung der o.g. Bürgerrollen kommt? Und wenn ja: Unter welchen rechtlich-politischen Bedingungen und Vorgaben und in welchen konkreten kommunikativen Erscheinungsformen manifestiert sich die Übernahme dieser Bürgerrollen?
    "Öffentlichkeitsbeteiligung im Kontext der Regulierung der Gentechnik" - so sagen die Organisatoren der Tagung "Einbindung der Bürgerinnen und Bürger durch Partizipation?", Alfons Bora (Bielefeld) und Heiko Hausendorf, (Dortmund) - "ist für die Untersuchung des Zusammenhangs von Partizipation und Bürgerrolle besonders instruktiv, insofern hier aufgrund der involvierten Konzepte von Mensch, Natur und Umwelt die Fragen nach den Selbst- und Fremdbildern der Beteiligten gewissermaßen immer schon auf der Agenda stehen: Inhaltlich stellt sich in Kontroversen über Gentechnik stets auch die Frage nach 'natürlichen' und 'technisch hergestellten, artifiziellen' Identitäten. Und entlang der durch solche Unterscheidungen bezeichneten Konfliktlinie bilden sich soziale Positionen (Konfliktparteien) mit je eigenen Identitäten, die auf unterschiedliche Selbst- und Fremdbilder rekurrieren (Betroffene vs. Entscheider, Naturschützer vs. Technokraten, besorgte Bürger vor Ort vs. anonyme politische Entscheidungszentren, um nur einige Beispiele zu nennen). Wir haben es so gesehen mit einem besonders anspruchsvollen Testfall für die Möglichkeiten der Herausbildung von Bürgerrollen durch Partizipation zu tun, der offenkundig besonders hohe Anforderungen an die Steuer- und Regulierbarkeit solcher Prozesse ('governance') stellt und deshalb pointiert zeigen müsste, ob und in welchem Ausmaß sich die Beteiligung der Öffentlichkeit an der Findung, Modifizierung und Umsetzung von Entscheidungen in der Ausbildung neuartiger Zugehörigkeitskonzepte niederschlägt. In der Arbeitsgruppe soll im Hinblick auf den Vergleich verschiedener europäischer Lösungen diskutiert werden, wie konkrete Erscheinungsformen partizipativer Öffentlichkeit in verschiedenen europäischen Ländern aussehen und welches die kommunikativen Mechanismen sind, die die Entstehung und Entwicklung von Selbst- und Fremdbildern im Verfahrensprozess fördern und unterstützen oder auch behindern und blockieren.

    Im europäischen Rechtsraum sind grundsätzlich mehrere Ebenen der Bürgerbeteiligung zu unterscheiden, die von der Teilnahme an Gesetzgebungsverfahren auf nationaler und transnationaler Ebene bis zur Partizipation in administrativen Einzelfallgenehmigungen reichen. In der Arbeitsgemeinschaft soll die Ebene der lokalen Konflikte zwischen Behörden und Bürgern über die Genehmigung einzelner, umstrittener Projekte im Mittelpunkt stehen, weil hier ausgeprägte Konfrontationen zwischen unmittelbarer Betroffenheit der Bürger einerseits und den Argumenten der Entscheider andererseits zu erwarten sind. Aus praktischen Gründen wird sich die Arbeitsgruppe dabei auf den Bereich der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen konzentrieren."

    Weitere Informationen: Prof. Dr. Alfons Bora, Institut für Wissenschafts- und Technikforschung der Universität Bielefeld, Telefon 0521/106-4673; Tagungsbüro des ZiF: Telefon 0521/106-2768; Fax 0521/106-6024; http://www.uni-bielefeld.de/ZIF/CommunicationCitizenship.
    html.


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-bielefeld.de/ZIF/CommunicationCitizenship.html


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik, Recht, Sprache / Literatur
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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