Zum Ende des Sommersemesters wird der engagierte Kriminologe Hans-Dieter Schwind feierlich emeritiert. Zu seiner Verabschiedung erwartet der ehemalige Justizminister Niedersachsens und Vorsitzende der Gewaltkommission der Bundesregierung eine beeindruckende Schar von Gästen aus Politik, Justizverwaltung, Verbänden und Wissenschaft.
Bochum, 25.06.2001
Nr. 173
Im Kampf gegen Vorurteile und Verbrechen
Seine Studenten sollten stets an der Praxis lernen
Engagierter Kriminologe Hans-Dieter Schwind wird emeritiert
Hans-Dieter Schwind scheute sich nicht, Mörder und Prostituierte in seine Vorlesungen einzuladen, seine Studierenden mit ihren Omas und Tanten auf "Kaffeefahrten-Pirsch" zu schicken und so heikle Themen wie Kriminalitätsfurcht, unterlassene Hilfeleistung oder Obdachlosigkeit anzupacken. Die Medien sind herzlich willkommen.
Illustre Gästeliste zum Abschied
Nach der Begrüßung durch Dekan Prof. Dr. Bernd Schildt hält Prof. Schwind seine Abschlussvorlesung über "Kriminalitätsfurcht im Langzeitvergleich am Beispiel einer deutschen Großstadt (Bochum)". Es folgt die Laudatio durch Prof. Dr. jur. Christian Pfeiffer (Niedersächsischer Minister der Justiz) bevor schließlich Rektor Prof. Dr. Dietmar Petzina Prof. Schwind die Emeritierungsurkunde überreicht. Die Gästeliste ist lang und enthält Namen vieler führender Persönlichkeiten, darunter den des Landtagsvizepräsidenten Dr. Linssen, Niedersachsens Innenminister a.D. Dr. Möcklinghoff, des Kölner Regierungspräsidenten Roter, Prof. Kuber vom Bundeskriminalamt, mehrerer Direktoren des Landeskriminalamts NRW, der Polizeipräsidenten aus Hagen, Gelsenkirchen und Bochum, des Vizepräsidenten des Landgerichts Bochum usw.
Streitbarer Kriminologe
Schwind ist ein streitbarer Kriminologe, ein politisch denkender Professor und ein Lehrer aus Leidenschaft. Um seine Studierenden zu guten Anwälte und Richtern zu machen, hat er sie zu den Obdachlosen auf die Straße geschickt und die Hure von dort in den Hörsaal geholt. Zu seinen Themen waren stets "Mitten aus dem Leben gegriffen": aus der Dunkelfeldforschung, Kriminalgeographie, Gewaltkriminalität, des Strafvollzugs, der Entlassenenhilfe und der Kriminalpolitik.
Alle gaffen, keiner hilft
Ein Beispiel ist das "Gaffer-Syndrom" - die unterlassene Hilfeleistung - das immer wieder traurige Schlagzeilen macht: Alle gucken, keiner hilft. Wie kommt es dazu, dass niemand Opfern von Verbrechen oder Unfällen beisteht, obwohl es doch genügend Umstehende gibt, die alles genau beobachten? Sein populär gewordenes Buch informiert verständlich darüber. Mit welchen Tricks Veranstalter von Kaffeefahrten ihren ahnungslosen Kunden das Geld aus der Tasche ziehen, ist Schwind mit seinen Studierenden nachgegangen. Ergebnisse der Dunkelfeldforschung und Kriminalitätsfurcht hat er erst kürzlich veröffentlicht (März 2001) in der Studie "Kriminalitätsphänomene im Langzeitvergleich am Beispiel einer deutschen Großstadt (Bochum 1975 - 1986 - 1998)".
Vorlesung gegen Vorurteile
Noch vor wenigen Tagen machte er in seiner Vorlesung Furore: Wie sieht ein Verbrecher aus? Manchen Menschen scheint ihr kriminelles Wesen ins Gesicht geschrieben zu sein. Doch Vorsicht: Der Eindruck täuscht - eine "Verbrechervisage" gibt es nicht. Die Vorsicht vor Vorurteilen hat Schwind immer wieder den zukünftigen Anwälten und Richtern in seiner Vorlesung "Kriminologie I" mit auf den Weg gegeben: Dazu lud er unbescholtene Bürger, verurteilte Straftäter und Gesetzeshüter ein und stellte sie nebeneinander: Die angehenden Juristen mussten dann raten, wem sie welches Verbrechen zutrauen. Das Resultat: Viele Fehleinschätzungen - da wurden unbescholtene Bürger für Diebe gehalten und Polizeipräsidenten für verurteilte Straftäter.
Biografisches
Hans-Dieter Schwind wurde am 31. Mai 1936 in Tokyo/Japan geboren. 1939 übersiedelte die Familie nach Deutschland, 1956 legte er das Abitur in Hannover ab. Nach dem Wehrdienst studierte er von 1958 bis 1962 Rechtswissenschaften in Hamburg und München, 1966 wurde er mit einer Arbeit über ein wehrrechtliches Thema promoviert. Anschließend arbeitete Schwind als Assistent an der Universität Göttingen bevor er 1974 - noch vor Abschluss des Habilitationsverfahrens - dem Ruf der Ruhr-Universität Bochum auf den Lehrstuhl für Kriminologie, Strafvollzug und Kriminalpolitik folgte. Von 1978 bis 1982 war er beurlaubt und diente als Landesjustizminister in Niedersachsen im Kabinett von Ministerpräsident Ernst Albrecht. 1982 kehrte er an seinen Lehrstuhl in Bochum zurück.
Ämter und Aufgaben
Zahlreich waren und sind seine Ämter und Aufgaben im öffentlichen Leben: Schwind war Vorsitzender der deutschen Justizministerkonferenz (1984-1989), Präsident der Deutschen Kriminologischen Gesellschaft (1987-1990) und Vorsitzender der (Anti-) Gewaltkommission der Bundesregierung. Schwind hat sich am (Neu-)Aufbau der Juristischen Fakultäten von Osnabrück (1978-80), Greifswald und Jena (1990-91) beteiligt. Ab 1996 war er Präsident des Stiftungsrates der Deutschen Stiftung für Verbrechensverhütung und Straffälligenhilfe, seit 1997 ist er auch Honorarprofessor an der Universität Osnabrück. Seit 1998 ist er Mitglied des "Europäischen Zentrums für Kriminalprävention" (Münster/Steinfurt) und seit 1999/2000 wissenschaftlicher Berater beim Aufbau des "Deutschen Forums für Kriminalprävention". Seit 2000 ist Schwind Vorsitzender des Externen Beirats für Justizvollzugsfragen in Brandenburg sowie Mitglied des Kuratoriums der Internationalen Stiftung zur Förderung von Kultur und Zivilisation. Er hat mitgewirkt an der Gründung des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsens (KFN) in Hannover (1979) und der Kriminologischen Zentralstelle (KZSt) in Wiesbaden (1981). Seit Anfang der 70er Jahre hat Schwind verschiedene Forschungsvorhaben geleitet, u.a. im Auftrag des Bundeskriminalamtes.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Hans-Dieter Schwind, Ruhr-Universität-Bochum,
Juristische Fakultät, 44780 Bochum, Tel.: 0234/32-28 245,
E-mail: LS.Schwind@jura.ruhr-uni-bochum.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Politik, Recht
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Personalia
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).