WÜRDIGUNG HERAUSRAGENDER VERDIENSTE UM POLNISCH-DEUTSCHE UND CHRISTLICH-JÜDISCHE VERSÖHNUNG
In Würdigung ihrer beispielhaften Bereitschaft, erlittenes Unrecht zu verzeihen, und in Anerkennung ihres engagierten Wirkens für die polnisch-deutsche wie für die jüdisch-christliche Versöhnung nimmt die Universität Augsburg am 28. Juni 2001 zwei Persönlichkeiten in den Kreis ihrer Akademischen Ehrenbürger auf: den amtierenden Minister für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Polen, Prof. Dr. Wladyslaw Bartoszewski, sowie den seit Mitte der 50er Jahre in Augsburg lebenden Mieczyslaw (Mietek) Pemper, der durch Spielbergs Film "Schindlers Liste" einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden ist.
MIETEK PEMPER
Mietek Pemper lebt seit 1958 in Augsburg. In Spielbergs Film hat sein Schicksal seinen Niederschlag gefunden in der Gestalt des Buchhalters, der "Schindlers Liste" von Jüdinnen und Juden zusammenstellt, die für die "kriegsentscheidende" Produktion im Werk Schindlers reklamiert wurden und so vor der Ermordung gerettet werden konnten. Pempers Einsatz galt und gilt der Versöhnung zwischen Juden und Deutschen.
Mieczyslaw (Mietek) Pemper wurde im Jahre 1920 in Krakau geboren. Das Studium der Rechtswissenschaften und der Betriebswirtschaftslehre, das er 1938 in seiner Heimatstadt aufnahm, wurde mit der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs durch das nationalsozialistische Deutschland jäh abgebrochen. Durch seine Breslauer Großmutter mit der deutschen Sprache vertraut, wurde er nach dem Angriff Hitlers auf Polen von der jüdischen Gemeinde in Krakau als Übersetzer für den Schriftverkehr mit den deutschen Besatzungsbehörden benannt. Auf diese Weise wurde er später im KZ Plaszow zum Dolmetscher und eine Art Sekretär des KZ-Kommandanten A. Göth. Diese Position ermöglichte es ihm, Schindlers Bemühungen um die Rettung jüdischer KZ-Insassen zu unterstützen. Das geschah unter dem ständigen Risiko, entweder selbst für den Transport in eines der Todeslager vorgesehen oder ohne weiteres ermordet zu werden.
Pemper, der nach Kriegsende zunächst sein Studium in Krakau wieder aufnahm und 1947/48 in Betriebswirtschaftslehre abschloss, hat in der Nachkriegszeit als Zeuge wie als Dolmetscher bei mehreren Prozessen gegen nationalsozialistische KZ-Schergen mitgewirkt und so in diesem Bereich das seine dazu beigetragen, dass der Rechtsfrieden wiederhergestellt werden konnte.
Nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland hat Mietek Pemper lange Jahre, in denen er als Unternehmensberater und Unternehmer tätig war und weiterhin mit Oskar Schindler zusammenarbeitete, über sein Schicksal in den Jahren seit 1939 geschwiegen. Erst in fortgeschrittenem Alter hat er dieses Schweigen gebrochen. Seit er von Spielberg zur Beratung bei dessen Film herangezogen wurde, hat er in vielen Vortragsveranstaltungen über seine Erlebnisse berichtet - sei es im Rahmen der Gesellschaften für deutsch-israelische und christlich-jüdische Zusammenarbeit, sei es bei Vorträgen an Universitäten, Schulen oder politischen Stiftungen. Es ging und geht Pemper dabei nicht um pauschale Verurteilungen; angesichts seines persönlichen Schicksals ist es ihm um so höher anzurechnen, dass er - u. a. mit dem Beispiel des Parteimitgliedes Oskar Schindler - ein differenziertes Bild der Jahre nach 1939 zeichnet, das von einer außergewöhnlichen menschlichen Souveränität zeugt. Seine Vorträge über seine Erlebnisse haben nicht zuletzt dadurch seine Hörer überzeugt und ergriffen. Sein Anliegen ist es, insbesondere der Jugend einen - soweit möglich - objektiven Eindruck der Wirklichkeit und der Leiden einer verfolgten Minderheit in den Kriegsjahren wie der (seltenen) Zeichen der Humanität in einer Welt der Inhumanität zu geben und dadurch zu ihrer politischen und menschlichen Sensibilität beizutragen und den Weg zur Versöhnung zu bahnen - darin bestand und besteht wohl das Hauptziel dieser Vortragstätigkeit.
Mietek Pemper hatte in den Jahren eines moralischen Tiefstandes in der deutschen Geschichte gemeinsam mit Oskar Schindler den Mut, in einer entwürdigenden Situation und unter ständiger Lebensgefahr Zeichen der Humanität zu setzen. Und er hat in seinen Augsburger Jahren maßgeblich dazu beigetragen, dass aus der Auslöschung der deutschjüdischen Gemeinschaft durch den nationalsozialistischen Rassenwahn die Hoffnung auf eine schließliche deutsch-jüdischen Versöhnung erwuchs.
WLADYSLAW BARTOSZEWSKI
Wie der zwei Jahre ältere Mietek Pemper hat auch Wladyslaw Bartoszewski die Schrecken der natioalsozialistischen Gewaltherrschaft durchlitten, sich unter Lebensgefahr für seine jüdischen Landsleute eingesetzt und nach dem Krieg nicht den leichteren Weg der Rache und Vergeltung eingeschlagen, sondern sich dafür entschieden, den Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen und sich für die Versöhnung zwischen Polen und Deutschen einzusetzen.
Wladyslaw Bartoszewski, Historiker und Publizist, wurde 1922 in Warschau geboren. 1939 machte er das Abitur, eines der Fächer war Deutsch. Nach dem Überfall Hitlers auf Polen nahm er Kontakt zum Widerstand auf. Er wurde im September 1940, nach einer Razzia gegen polnische Intellektuelle, ins Konzentrationslager Auschwitz verschleppt und im April 1941 schwer erkrankt entlassen. Während des Studiums an der geheimen Warschauer Universität begründete er mit anderen eine katholische Hilfsaktion zugunsten der verfolgten Juden des Warschauer Ghettos. Er nahm 1944 am Warschauer Aufstand teil. Nach kurzer Tätigkeit als Journalist geriet er ins Visier der Kommunisten, die inzwischen die Macht in Polen übernommen hatten. Insgesamt sechs Jahre verbrachte er in stalinistischen Gefängnissen. Nach der Rehabilitation im Jahr 1955 konnte er wieder als Publizist und Wissenschaftler arbeiten. Sein politisches Engagement führte ihn in die Gewerkschaft Solidarnosc. Nach der Verhängung des Kriegsrechts in Polen wurde er 1981 erneut verhaftet und schließlich durch die Hilfe jüdischer Freunde befreit. In den Folgejahren pflegte Bartoszewski u. a. als Gastprofessor in München, Eichstätt und Augsburg enge und ausgleichende Kontakte zum ehemaligen Feind Deutschland. Nach der Wende bekleidete er von 1990 bis 1995 das Amt des polnischen Botschafters in Wien, seit dem 30. Juni 2000 ist er Minister für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Polen.
Die unverwechselbare Persönlichkeit Bartoszewskis und sein Lebenslauf reflektieren das Profil eines polnischen Patrioten, eines glaubwürdigen Christen, eines Journalisten und Zeithistorikers, der persönliches Erleben stets mit der Objektivität des Wissenschaftlers zu verbinden vermag. Viele Angehörige der Universität Augsburg, die den heutigen polnischen Außenminister in den Jahren 1988/89 noch als Gastprofessor am Augsburger Lehrstuhl für Politische Wissenschaften kennengelernt haben, wissen aus eigener Anschauung, wie Bartoszewski in seiner Doppelrolle als politisch aktiver Mensch und reflektierender Historiker gerade junge Menschen für den Aufbau einer versöhnten Völkergemeinschaft in europäischen Dimensionen zu begeistern sucht und zu begeistern vermag.
Als denjenigen, der sich unter Todesgefahr für die verfolgten Juden des Warschauer Getthos eingesetzt und selbst am Warschauer Aufstand teilgenommen hat, hat der Staat Israel Bartoszewski 1991 zu seinem Ehrenbürger gemacht. Dem Pionier der deutsch-polnischen Aussöhnung, der wie kaum ein anderer polnischer Intelektueller und Staatsmann zum Freund der Deutschen geworden ist, galt 1986 die Auszeichnung mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. 1997 wurde ihm als erstem polnischen Staatsbürger das Große Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.
DIE EHRENBÜRGER DER UNIVERSITÄT AUGSBURG
Mit Wladyslaw Bartoszewski und Mietek Pemper wächst die Zahl der Ehrenbürger der Universität Augsburg auf sieben. Erstmals verliehen wurde diese Auszeichnung im Jahr 1989
o an den im vorigen Jahr verstorbenen Ehrenvorsitzenden der SPD Josef Felder, der, gebürtiger Augsburger, am 23. März 1933 zusammen mit den 93 anderen verbliebenen Mitgliedern der sozialdemokratischen Fraktion im Reichstag gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt hatte;
o an den ebenfalls in Augsburg geborenen, einem liberalen jüdischen Elternhaus entstammenden Friedrich G. Friedmann, der 1933 ins amerikanische Exil flüchtete,1960 als einer der wenigen jüdischen Exilwissenschaftler nach Deutschland zurückkehrte, das Amerika-Institut der LMU München leitete und seit einigen Jahren wieder in Augsburg lebt;
o und an den Diplomaten, Staatssekretär und späteren Präsidenten des Goethe-Instituts Hans Herwarth Freiherr von Bittenfeld, der - im diplomatischen Dienst in Moskau tätig - bald nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zur Gruppe des militärischen Widerstandes um Graf Stauffenberg stieß und das Scheitern des Attentats vom 20. Juli 1944 nur durch Zufall überlebte.
1991 in diesen Kreis aufgenommen wurden
o der rumänische Schriftsteller und damalige Vorsitzende des rumänischen Schriftstellerverbandes, Mircea Dinescu, der maßgeblich am intellektuellen Widerstand gegen das Ceaucescu-Regime und an dessen Sturz beteiligt war, sowie
o der wie Friedmann als Sohn jüdischer Eltern in Augsburg geborene Publizist Prof. Dr. h. c. Ernst Cramer, den seine nach der Rückkehr aus der Emigration eingeschlagene journalistische Karriere in höchste Führungspositionen des Axel-Springer-Verlags führte.
DER FESTAKT AM KOMMENDEN DONNERSTAG, DEM 28. JUNI 2001, BEGINNT UM 19 UHR IM ALBERTUS-MAGNUS-HÖRSAAL (HS I) DES HÖRSAALZENTRUMS, UNIVERSITÄTSSTRAßE 10.
Im Bild der polnische Außenminister Bartoszewski, der zusammen mit dem Schindler-Mitarbeiter und Spi ...
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Nachtrag: Der Titel der Rede, die der polnische Außenminister beim Festakt am 28. Juni an der Universität Augsburg hält, lautet "Versöhnung: Verpflichtung und Wagnis".
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Politik, Recht, Religion, Sprache / Literatur
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Personalia
Deutsch
Im Bild der polnische Außenminister Bartoszewski, der zusammen mit dem Schindler-Mitarbeiter und Spi ...
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