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25.11.1997 00:00

Präsident Berchem zur Hochschulreform in Bayern

Adolf Kaeser Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    ,Von aussen kommt keine Hilfe"

    Erneut hat Prof. Dr. Theodor Berchem, Praesident der Universitaet Wuerzburg, zur anstehenden Hochschulreform in Bayern Stellung genommen. In einem Interview in der Samstagausgabe der Wuerzburger Tageszeitung Main-Post (22.11.) kritisierte Prof. Berchem insbesondere erneut den geplanten Hochschulrat. Die Fragen stellten die Main-Post-Redakteure Roland Flade und Ludwig Sanhueter. Im folgenden dokumentieren wir das abgedruckte Interview.

    Frage: Der SPD-Bildungspolitiker Peter Glotz hat ein Buch ueber die deutschen Universitaeten so betitelt: "Im Kern verrottet?"

    Prof. Berchem: Glotz haette besser geschwiegen. Die deutschen Unis sind nicht verrottet, sie sind unterschiedlicher Guete, aber sie liefern bis heute ein hervorragendes Produkt ab. Ich halte es fuer eine Unverfrorenheit, uns ewig Vorwuerfe zu machen, ohne die schlechten Rahmenbedingungen durch hohe Studentenzahlen und knappe Mittel zu beruecksichtigen.

    Frage: Mehr Wettbewerb an den Unis, Finanzierung nach Leistung - will das neue Hochschulrahmengesetz Professoren und Studenten erstmal ordentlich Dampf machen?

    Prof. Berchem: Ich bin ein grosser Anhaenger des Leistungsprinzips. Die Professoren wie die Studenten sind nicht alle Heilige, aber die allermeisten sind sehr fleissig. Mit blossen Vorwuerfen gegen die eigenen Kinder oder Enkel kann man die Zukunft nicht gewinnen.

    Frage: Neue Studienabschluesse - Master und Bachelor - sollen die Attraktivitaet im Ausland erhoehen.

    Prof. Berchem: Ich habe mir in dieser Sache den Mund 20 Jahre lang fusselig geredet. In meiner Zeit als Praesident der Westdeutschen Rektorenkonferenz waren die Ingenieure die Schwierigsten, da kam man nicht mit der Beisszange dran. Das sind jetzt die ersten, die ihre Studiengaenge umstrukturiert haben, weil ihnen die Studenten wegblieben. Und das teilweise, weil ein deutsches Diplom wegen der durch das Englische vorbelasteten Bezeichnung - englisch "diploma" bedeutet Schein - im Ausland nicht zu verkaufen ist.

    Frage: Die bayerische Staatsregierung will einen Hochschulrat einfuehren. Was halten Sie davon?

    Prof. Berchem: Davon halte ich gar nichts. Manche meinen, sie wuerden ihn brauchen. Aber weshalb soll ich den Unfug mitmachen? Ich kann mit den jetzigen Strukturen etwas Ordentliches gestalten und kann das belegen. Deswegen unterstelle ich denen, die das in die Welt gesetzt haben, Mutwillen und Fahrlaessigkeit.

    Frage: Was ist daran so schlecht, wenn Manager und hochkaraetige Forscher die Unis auf Effizienz trimmen sollen?

    Prof. Berchem: Die Politiker denken wahrscheinlich, die Nobelpreistraeger und die Aufsichtsratsvorsitzenden von Siemens, Mercedes und BMW wuerden sich darum reissen, etwa in Wuerzburg einen Hochschulrat zu bilden. Da habe ich meine Zweifel. Und selbst wenn sie es taeten, ist nicht davon auszugehen, dass ein Nobelpreistraeger in der Chemie oder der Medizin eine Ahnung von Hochschul-Management hat. Der geht lieber ins Labor. Die Leute aus der Wirtschaft, die koennen das System Universitaet nicht kennen, denn es ist viel komplizierter als ein Unternehmen, weil es alle Bereiche des Geistes vereinigt und komplizierte Personen vom Studenten bis zum Professor darin arbeiten.

    Frage: Sind Sie enttaeuscht, dass Schadenfreude durchkommt: Jetzt wird den Professoren in ihrem Elfenbeinturm mal gezeigt, wo es wirklich langgeht?

    Prof. Berchem: Der Hochschulrat ist die Entprofessionalisierung der Hochschulleitung, denn er ist eine Art paralleler Hochschulleitung mit erheblichen Eingriffsmoeglichkeiten, ohne irgendwem Rechenschaft zu schulden. Ich bestreite die Kompetenz und ich bestreite auch die Legalitaet dieses Tuns. Es ist ein Eingriff in die Freiheit von Forschung und Lehre. Ich als Praesident verantworte mich gegenueber Landtag und Ministerium, gegenueber Presse und meinen eigenen Gremien an der Uni, und jetzt kriege ich noch eine Kontrollinstanz. Das halte ich fuer eine Unverschaemtheit und der urspruenglichen Zielsetzung der Gesetzesnovelle zuwider laufend. Ich habe dies als Ohrfeige empfunden und ich lasse mich nicht gerne grundlos ohrfeigen.

    Frage: Was Sie braeuchten, waere mehr Geld und das kriegen Sie nicht.

    Prof. Berchem: Ich gehoere nicht zu denen, die immer nach Geld schreien. Der Staat wird auch kuenftig nicht mehr Geld haben. Man soll uns aber Freiheit geben und sagen: "Macht aus dem wenigen Geld, was ihr koennt." Und das kann man kontrollieren. Man soll nicht unsere Existenzberechtigung bezweifeln, nicht die OEffentlichkeit mit Schlagworten bedienen nach dem Motto: "Wenn die an der Uni mal lernen, die Mittel effizient einzusetzen, sind alle Probleme vorbei". Nichts ist vorbei! Wir hatten den Wettbewerb lange entdeckt, bevor Muenchen wusste, was das ist.

    Frage: Bundespraesident Herzog hat sich fuer die Bildung ins Zeug gelegt. Was fordern Sie als Praktiker?

    Prof. Berchem: Wenn man Roman Herzog woertlich nimmt, dann heisst das, werft alle moeglichen Regelungen weg und lasst echten Wettbewerb zu, dann sieht man, wer besser abschneidet. Ich haette bei einer Reform die Hochschulleitung wirklich gestaerkt, die gesamte Verantwortung an die Unis abgegeben. Sie glauben nicht, fuer welchen Bloedsinn wir im Ministerium nachfragen muessen. Ich haette auch nichts gegen Leistungsueberpruefungen. Wir brauchen die Freiheit, um uns selbst am Schopf aus dem Sumpf, den die Politik wesentlich zu verantworten hat, herauszuziehen, mehr nicht. Hilfe von aussen kommt keine.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Politik, Recht
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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