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04.07.2001 00:00

Keine Spur vom "Turbo-Arbeitsmarkt"

Claudia Braczko Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut Arbeit und Technik

    Institut Arbeit und Technik untersuchte Arbeitsmarktmobilität und Beschäftigungsstabilität in Deutschland

    Die großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen der letzten 25 Jahre haben auf dem deutschen Arbeitsmarkt weit weniger Spuren hinterlassen als gemeinhin angenommen. Ein Trend zum "Hochgeschwindigkeits-Arbeitsmarkt", auf dem die Erwerbsverläufe von Arbeitnehmern immer unberechenbarer und chaotischer werden, ist mit der Beschäftigungsstatistik nicht zu belegen. Das zeigen neue Untersuchungen des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen) auf Basis der IAB-Beschäftigtenstichprobe.

    Vermutet wird vielfach nicht nur das "Ende der Erwerbsarbeit", auch das "Normalarbeitsverhältnis" löse sich auf. Arbeitnehmer wechselten immer häufiger ihren Arbeitgeber oder gar den Beruf, Jobs würden immer instabiler, immer mehr Menschen machten die Erfahrung von Arbeitslosigkeit. "Eine derartige Zunahme der Turbulenz auf dem westdeutschen Arbeitsmarkt kann in der empirischen Analyse nicht bestätigt werden", so die IAT-Arbeitsmarktforscher Marcel Erlinghagen und Dr. Matthias Knuth.

    Die Mobilität auf dem Arbeitsmarkt, gemessen anhand der begonnenen und beendeten Beschäftigungsverhältnisse eines Jahres in Beziehung zu den Gesamtbeschäftigten, hat zwischen 1976 und 1995 keineswegs zugenommen. Der Trend der Arbeitskräftebewegungen scheint sogar eher abwärts zu weisen.

    Zur Untersuchung der Stabilität von Beschäftigungsverhältnissen wurden die Zeiträume 1976 bis 1980 sowie 1986 bis 1990 miteinander verglichen. Die Analyse bestätigte wohl die Erfahrung, dass die meisten Jobs früh enden. Jedes zweite neu begonnene Arbeitsverhältnis ist nach spätestens einem Jahr bereits wieder beendet. Das galt allerdings Ende der 70er Jahre ebenso wie zehn Jahre später und heute - im Zeitverlauf hat sich die Stabilität von Beschäftigungsverhältnissen nicht verändert.

    Mit der "Arbeitslosigkeits-Betroffenheits-Quote" wurde ermittelt, welcher Anteil der Arbeitsmarktteilnehmer (Beschäftigte und Arbeitslose) in einem Jahr die Erfahrung von Arbeitslosigkeit gemacht hat. Dabei kann man unterscheiden zwischen denjenigen Personen, die im betreffenden Kalenderjahr sowohl Beschäftigung als auch Arbeitslosigkeit erlebt haben, und denjenigen, die im betreffenden Jahr nur arbeitslos waren. Zyklusübergreifend steigt nur der zweite Wert. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit ist also gekoppelt mit ihrer Verfestigung. Entgegen dem verbreiteten Gefühl der Unsicherheit hat sich das Arbeitslosigkeitsrisiko der Beschäftigten nicht wesentlich erhöht. Arbeitslosigkeit ist nicht zum Normalfall innerhalb von Erwerbsbiografien geworden - wohl aber, wie Analysen zum Vorruhestand zeigen, zum Normalfall am Ende von Erwerbsbiografien. Die öffentliche Wahrnehmung von Problemen des Arbeitsmarktes wird durch die stillschweigend akzeptierte Altersarbeitslosigkeit gravierend verzerrt.

    Eine weitere Ursache für die Widersprüche zwischen subjektiv wahrgenommener Arbeitsplatzunsicherheit und objektiven Arbeitsmarktdaten sehen die IAT-Wissenschaftler darin, dass die Angehörigen einiger "meinungsproduzierender" Wirtschaftsgruppen durchaus dem Trend zum "Turbo-Arbeitsmarkt" unterliegen. Bei Kirchen, Parteien und Wohlfahrtsverbänden, aber auch bei Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden nehme die Beschäftigungsstabilität tatsächlich ab. Darüber hinaus seien die Beschäftigungsverhältnisse in den Medienberufen traditionell unbeständig und die Zahl der dort Beschäftigten stieg stark an.

    Die Wirklichkeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist jedoch insgesamt weniger aufregend, als der jeweils neueste "Megatrend" vermuten lässt. Das gilt - wieder entgegen der öffentlichen Wahrnehmung - auch für andere Länder: Selbst in den Stammländern des "Turbo-Kapitalismus", Großbritannien und USA, streiten sich die Experten, ob die Beständigkeit der Beschäftigung überhaupt abgenommen habe.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht, Wirtschaft
    regional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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