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17.07.2001 15:22

Nach einem halben Jahrhundert zurück in den Hörsaal

Monika Wegener Referat für Kommunikation und Marketing
Leibniz Universität Hannover

    An der Universität Hannover feiern Bauingenieure ihr 50-jähriges Examensjubiläum

    Die Kriegswirren waren gerade vorbei, doch die Trümmer lagen noch überall. Die Zukunft von vielem war ungewiss. Hannover war nach den Bombenangriffen ein riesengroßer Schuttberg. So oder so ähnlich hat es in Hannover und rund um das Welfenschloss der Universität Hannover ausgesehen, als rund 60 junge Männer ihr Bauingenieurstudium an der damals noch Technischen Hochschule starteten. Sie waren der erste Jahrgang nach dem Krieg. Ihren Abschluss machten sie alle in den Monaten Mai und Juni 1951, vor einem halben Jahrhundert.

    Für ihr Jubiläumstreffen kehren die Studenten von damals zurück an die Universität Hannover. Insgesamt drei Tage spazieren die 75- bis 85-Jährigen auf alten hannoverschen Spuren. Am Dienstag, 24. Juli von 10 bis 12 Uhr schauen sie sich in der Universität Hannover um, dort werden sie in ihrem ehemaligen Bahlsen-Hörsaal vom Präsidenten Prof. Dr. Ludwig Schätzl und von Dekan vom Fachbereich Bauingenieur- und Vermessungswesen Prof. Dr. Peter Wriggers begrüßt. Die damaligen Absolventen des ersten Nachkriegsjahrganges sind unterschiedliche Wege gegangen, unter ihnen sind Selbstständige, Professoren, Beamten und Angestellte im In- und Ausland.
    Die Absolventen Hans-Leo Seiffert und Kurt Wrede können sich noch gut an die Zeit in der Alma Mater erinnern. Ihre Kommilitonen mussten die Trümmer auch aus der Hochschule räumen. "Erst wer ein Semester Trümmer geräumt hatte durfte studieren", erklärt Kurt Wrede. Der Lichthof war noch dunkel, ein Notdach deckte ihn ab, der Bahlsen-Hörsaal, in dem die Jubilare feiern, wurde erst im Jahre 1949 wiederhergestellt. Der 79-Jährige hat nach dem Studium das Ingenieurbüro seines Vaters übernommen. Seinen Kommilitonen erging es oft weniger rosig. Hans-Leo Seiffert erzählt: "Es lagen überall Trümmer und Schutt herum, eigentlich hätten wir als Bauingenieure sofort einen Arbeitsplatz bekommen müssen, aber dem war nicht so, und ich hatte schon eine Familie. Eine merkwürdige Situation - die Arbeit lag buchstäblich auf der Straße, aber wer sollte uns bezahlen? Der Wiederaufbau startete später." Nach einigen Jahren machte sich das Fehlen der Männer-Jahrgänge bemerkbar, die im Krieg gefallen waren.

    Eine Verbindung hatten die Studenten teilweise schon vor dem Studium zur Hochschule. Seit 1942 bekam Wrede Feldpostbriefe der Technischen Hochschule Hannover, nachdem er von der Fernimmatrikulation Gebrauch gemacht hatte. Nach einigen Kriegseinsätzen kam die Post nicht mehr bei Wrede an, doch die Vorstellung in Hannover zu studieren, gab er nicht auf. Wrede versuchte noch im Jahre 1944 in den Kriegswirren seine akademische Laufbahn zu starten. Er wurde nach einer schweren Kriegsverletzung aus der Wehrmacht entlassen. "Ich wollte in Hannover mein Studium beginnen, musste aber wegen der Zerstörung nach Dresden ausweichen. Nach dem Flächenbrand dort war aber nichts mehr geregelt. Wir Studenten mussten den Flüchtlingen helfen, nur für sie gab es Fahrkarten aus Dresden weg, alle anderen sollten bleiben. Einige der Studenten waren am Fahrkartenschalter eingesetzt und konnten uns unter der Hand Karten verschaffen. So kam ich zurück in meine Heimatstadt Hannover."

    Doch auch in Hannover war der Lehrbetrieb nicht immer unbeschwert. 1946 gab es riesige Überschwemmungen und die Kälte war weit unter den erträglichen Temperaturen. "Unsere Füllfederhalter sind eingefroren", beschreibt Seiffert. Und die Herren wurden aufgefordert, ihre Mützen aufzubehalten, da es nicht gut sei, wenn der "Geist" friert. Vielleicht war es gerade das, was den Zusammenhalt unter den Studenten förderte. "Wir waren eine starke Gemeinschaft, oft haben wir was zusammen unternommen, später auch mit unseren Frauen. Bis heute treffen wir uns alle zwei Jahre", erzählt Seiffert.

    Studentisches Engagement war damals schon gefragt. Zweimal gingen die angehenden Ingenieure auf die Straße. "Mit der Währungsreform 1948 ging die finanzielle Grundlage verloren. So kam es zu einer Demonstration der Studenten von Technischer Hochschule und Tierärztlichen Hochschule vor dem Niedersächsischen Landtag. Die Hilfe des Kultusministers hieß ,Help yourself!' Mit so genannten Fleißprüfungen konnten Ermäßigungen der Studiengebühren erreicht werden. 1949 wollte der Ministerpräsident Kopf die Technischen Hochschule auflösen. Der damalige Minister fand, dass die hannoversche Hochschule ,überflüssig' neben der Technischen Universität Braunschweig sei. Es gab damals wenige Hochschulen, die Ingenieure ausbildeten. Daher studierten viele angehenden Ingenieure aus Nordrhein-Westfalen in Hannover. Die Professorenschaft und Ingenieure schafften es, die Hochschule zu erhalten. Wir dankten ihnen mit einem Fackelzug", erklärt Wrede.

    Eine Mensa hatten die Studenten von damals auch schon. Im Marstallgebäude, gegenüber der heutigen Technischen Universitätsbibliothek, konnten sie für wenig Geld Essen bekommen. "Dort gab es Steckrüben in den verschiedensten Variationen, doch meist ohne Fleisch. Wir nannten sie schon Oldenburger Südfrüchte. Ab und zu gab es auch Care-Pakete, so dass es sporadisch eine Abwechselung im Speiseplan gab", erinnern sich Wrede und Seiffert.

    Ganz aus den Augen verloren hat Kurt Wrede die Universität Hannover nicht, als so viel zerstört war und wiederaufgebaut oder umgebaut wurde, entstand auch das Audimax der Hochschule. Ein Stück der Steintreppe von damals hat er seit Jahrzehnten im Garten.

    Hinweis an die Redaktionen
    Für weitere Informationen stehen die Jubiläumsabsolventen am Dienstag, 24. Juli, ab circa 11.30 Uhr zu Gesprächen zur Verfügung. Fragen vorab beantworten Ihnen Dipl.-Ing. Kurt Wrede, Telefon 0511/540101, und Hans-Leo Seiffert, Telefon 0511/832905.
    Am 24. Juli informiert auch Werner-Dietrich Schmidt.


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    Deutsch


     

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