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20.06.1997 00:00

Glycogenose - Hoher Medizinpreis für RUB-Wissen

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Bochum, 20.06.1997 Nr. 125

    Wenn die Leber schwillt... Mindestens eines von 20.000 Kindern betroffen

    Preis an RUB-Mediziner: Vererbungsstudien zur Glycogenose

    Wenn die Leber schwillt, muß kein Alkohol im Spiel sein. Kommen noch Schwäche- und Schwindelgefühl hinzu, kommt auch eine tückische Stoffwechselkrankheit in Betracht. Die Rede ist von der Glycogenose, einer genetischen Erkrankung, die immerhin eines von 20.000 Kindern befällt. Sie beruht oft auf einem Mangel des Enzyms Phosphorylase-Kinase und betrifft am häufigsten die Leber. Für die Aufklärung der genetischen Veränderungen und die Verbesserung der bislang sehr schwierigen und unsicheren Labordiagnostik speziell bei der Glycogenose der Leber erhält Prof. Dr. Dr. Manfred W. Kilimann (Institut für Physiologische Chemie, Medizinische Fakultät der RUB) am 25. Juni 1997 im Göttinger Universitätsklinikum den mit DM 20.000,- dotierten, jährlich verliehenen renommierten Preis für Medizinische Grundlagenforschung der SmithKline Beecham-Stiftung.

    Wie Muskeln Zucker speichern ...

    Glycogen ist eine der pflanzlichen Stärke verwandte Substanz. Im menschlichen und tierischen Körper ist sie die Speicherform der Glucose (des ,Blutzuckers"). Große Mengen von Glucose werden nach der Nahrungsaufnahme (gesteuert durch das Hormon Insulin) in Form von Glycogen in den Zellen gespeichert und zwischen den Mahlzeiten oder bei intensiver Muskelarbeit wieder freigesetzt. Bei einer Glycogenose (Glycogenspeicherkrankheit) liegt ein genetischer Defekt eines der Enzyme vor, die den Stoffwechsel des Glycogens steuern. Glycogen wird hauptsächlich in Muskeln und Leber gebildet, aber auch im Herzen, der Niere, dem Hirn und vielen anderen Geweben.

    ... und Zellen Glycogen wie Fremdkörper einschließen

    Biochemische Vorgänge im menschlichen Körper werden durch Eiweißverbindungen, die Enzyme, beschleunigt oder erst ermöglicht. Am komplizierten Stoffwechsel des Glycogens sind mehrere Enzyme (Biokatalysatoren) beteiligt. Ist das Gen (die Erbinformation) für eines dieser Enzyme defekt, so wird das Enzym nur noch mangelhaft oder gar nicht mehr gebildet, und Glycogen häuft sich in den Körperzellen an. Die Zelle und der gesamte Organismus sind nun doppelt beeinträchtigt: Die Zellen bekommen im Bedarfsfall (Aktivität oder Fasten) nicht die benötigte Glucose, außerdem häufen sich viele Glycogenkörnchen in den Zellen an, wirken dort wie eingeschlossene Fremdkörper und beeinträchtigen die Zelle und die Funktion des betroffenen Organs

    Von fünf Genen und fünf Krankheitsformen

    Ein Viertel aller Glycogenosefälle beruht auf einem Defekt des Enzyms Phosphorylase-Kinase. Im Laufe der Jahre beobachtete man, daß es verschiedene Formen der sogenannten Phosphorylase-Kinase-Defizienz gibt, die sich hinsichtlich der betroffenen Organe und der Art ihrer Vererbung unterscheiden. Das Phosphorylase-Kinase-Enzym ist aus mehreren Untereinheiten aufgebaut, die sich von fünf verschiedenen Genen ableiten, welche auf unterschiedlichen Chromosomen sitzen und in unterschiedlichen Körpergeweben abgelesen (exprimiert) werden. Je nachdem, welches dieser Gene betroffen ist, entsteht ein anderes Erscheinungsbild (Phänotyp) der Krankheit. Am häufigsten sind Glycogenosen der Leber durch Phosphorylase-Kinase-Defizienz. Sie machen sich durch eine geschwollene Leber und Symptome eines zu niedrigen Blutzuckerspiegels bemerkbar. Ist die Muskulatur betroffen, so führt dies zu Schmerzen und Krämpfen bei Belastung, Schwäche und Muskelschwund. Glycogenose des Herzens oder der Niere bewirken besonders schwere Beeinträchtigungen, die in den ersten Lebensmonaten bis -jahren zum Tode führen können.Von einigen Formen der Krankheit sind nur männliche Personen betroffen - Frauen sind aber ,Überträgerinnen", wie beispielsweise auch bei der Bluterkrankheit oder der Rot-Grün-Farbensehstörung - von anderen sind beide Geschlechter gleich stark betroffen.

    Bochumer Wissenschaftler entdeckten Mutationen

    Während ihrer langjährigen Untersuchungen konnten die Bochumer Mediziner erstmals mehrere Gene der Phosphorylase-Kinase-Untereinheiten isolieren (klonieren) und in ihrer Struktur erklären. Aufbauend auf der Kenntnis der normalen Genstrukturen wurde dann bei Patienten und erkrankten Tieren nach den Strukturanomalien der Gene gesucht. Inzwischen konnten in vier der fünf Phosphorylase-Kinase-Genen krankhafte Veränderungen (Mutationen) identifiziert werden. Allein die Glycogenspeicherkrankheit der Leber durch den Mangel des Enzyms Phosphorylase-Kinase kann auf Mutationen in drei verschiedenen Genen beruhen. Mutationen im Gen des Lebertyps (Isoform), der a-Untereinheit des Enzyms, bewirken einen X-chromosomal vererbten leberspezifischen Defekt, der g-Untereinheit dagegen einen autosomal (nicht durch Geschlechtschromosomen) vererbten Enzym-Mangel. Wenn hingegen die b-Untereinheit betroffen ist, entsteht eine autosomal vererbte Glycogenose der Leber und der Muskulatur.

    Blutproben aus aller Welt

    Da jede einzelne Variante der Phosphorylase-Kinase-Defizienz selten und ihre Diagnose oft unsicher ist, werden die untersuchten Fälle weltweit zusammengetragen. Patientenproben kommen von ,nebenan" (Düsseldorf), aber auch aus Österreich, Holland, Frankreich, Norwegen, Schottland, Spanien, Israel, Saudi-Arabien, USA und Japan. Eine für Prof. Kilimann und seine Mitarbeiter besonders befriedigende und ermutigende Erfahrung ist das Interesse und die Kooperationsbereitschaft der Patienten, die Blut- und selbst Muskelgewebeproben zur Verfügung stellen, um zum Verständnis ihrer genetischen Krankheit beizutragen.

    Weitere Informationen

    Prof. Dr. Dr. Manfred W. Kilimann, Ruhr-Universität Bochum, Institut für Physiologische Chemie, Medizinische Fakultät, 44780 Bochum, Tel.: 0234/700-7927, Fax.: 0234/7094-193.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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