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23.04.1998 00:00

Pro und Contra Tierversuche

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Bochum, 23.04.1998 Nr. 82

    Tierversuchsgegner auf dem RUB-Campus

    Bochumer Neurowissenschaftler widersprechen

    Für und gegen Versuche mit und an Primaten

    Auf seiner Tour durch Forschungsstandorte der Bundesrepublik kommt das Infomobil des Bundesverbands der Tierversuchsgegner auch nach Bochum: Am Freitag, 24.04.1998, 10-16 Uhr, wird der Verband auf der Petschelt-Brücke zwischen Uni-Center und Universität (vor dem Musischen Zentrum der RUB) auf einen Stand gegen Tierversuche von Neurowissenschaftler der RUB protestieren. Um eine ehrliche Diskussion zu ermöglichen, haben sich die Neurowissenschaftler der RUB unter Leitung von Prof. Dr. Klaus-Peter Hoffman entschlossen - zusammen mit dem Tierschutzbeauftragten der RUB, Privatdozent Dr. Falko von Stralendorff -, persönlich anwesend zu sein. Sie wollen mit diesem Informationsangebot offen und kompetent ihre Argumente in eine Diskussion mit den Tierversuchsgegnern einbringen und damit für Transparenz der Argumente und Gegenargumente sorgen.

    Die Medien und die Öffentlichkeit sind herzlich willkommen; nur durch Teilnahme an solchen Diskussionen, kann jeder sich eine eigene Meinung bilden.

    Thesen und Gegenargumente

    Die zentralen Thesen der Tierversuchsgegner gegen Versuche an und mit Primaten und die Gegenargumente der Bochumer Wissenschaftler lauten:

    Versuche unethisch oder notwendig?

    1. These: ,Versuche an Affen sind unethisch". Die von Bochumer Neurwissenschaftlern durchgeführten Experimente, wie auch die Experimente der anderen Bochumer Arbeitsgruppen, die an anderen Vertebraten (Wilbeltieren) arbeiten, sind grundsätzlich durch das Tierschutzgesetz erlaubt. Die Rechtslage schreibt ein strenges Antragsverfahren für Experimente vor, die zudem laufend überwacht werden müssen. Unethische bzw. ethisch bedenkliche Experimente werden von den öffentlichen Behörden nicht genehmigt. Für die Vorprüfung sorgt der Tierschutzbeauftragte der RUB, Privatdozent Dr. Falko von Stralendorff. Die Bochumer Wissenschaftler sind davon überzeugt, daß die von ihnen durchgeführten Experimente ethisch vertretbar sind, weil sie dazu beitragen, Wissen zu erlangen, das der Gesellschaft nutzen kann, um Mitmenschen zu helfen. Sie sind sich sehr wohl bewußt, daß sie immer wieder vor einer Güterabwägung stehen, mit jährlich 4-6 Affen pro Forschungsinstitut Versuche durchzuführen, um das Leid jener Mitmenschen mildern zu können, die an Erkrankungen des Nervensystems leiden. Sie halten es darüber hinaus für vertretbar, die Experimente an wachen, trainierten Affen durchzuführen, da sie nur in Kooperation mit dem Versuchstier und damit kontrollierbar schmerz- und angstfrei Experimente durchführen können. Gerade diese Kooperation mit dem Versuchstier entkräftet die Vorwürfe, daß Versuchstiere gequält werden. Die Bochumer Wissenschaftler entscheiden sich für das ,mit Wissen verantwortlich handeln können" und gegen das ,nichts über das Gehirn wissen wollen".

    Falsche oder richtige Methoden?

    2. These: ,Versuche an Affen sind aus methodischen Gründen zu verbieten". Die Tierversuchsgegner wiederholen immer wieder das Argument, die Ergebnisse aus Tierversuchen seien nicht auf den Menschen übertragbar und unterstützen diese Aussage durch Einzelbeispiele. Dem halten die Bochumer Neurowissenschaftler entgegen, daß durch Tierversuche immer wieder Ergebnisse erzielt werden konnten, die zum direkten Nutzen für Menschen umgesetzt wurden, so etwa die Frühbehandlung von Sehfehlern oder die Behandlung des Parkinsonsyndroms z.B. durch l-dopa, Laesions- und Stimulationstechnik. Dabei erwartet niemand und es kann niemand erwarten, daß das einzelne Experiment von heute bereits morgen zu einer direkten Anwendung führt. Außerdem: Die direkte und kurzfristige Umsetzung von Forschungsergebnissen kann nicht einziges Ziel wissenschaftlichen Arbeitens sein. Eine Vielzahl von segensreichen Entwicklungen geht sowohl auf eher zufällige wie auch auf systematisch erzielte Entdeckungen zurück. Bei den wissenschaftlichen Untersuchungen mit Hilfe von Tieren geht es darum, Erkenntnisse zu gewinnen, die hilfreich für den Menschen eingesetzt werden können. Eine direkte Vorhersage, welchen Nutzen das einzelne Experiment bringen kann, ist nur selten möglich.

    Medizinisch unsinnig oder notwendig?

    3. These: ,Versuche an Affen sind aus medizinischen Gründen zu verbieten". Tierversuchsgegner werden nicht müde zu behaupten, daß die Menschen trotz medizinischer Behandlung immer kränker würden. Diese Behauptung ist durch nichts bewiesen; sie leugnet außerdem die großen Fortschritte von Medizin und Wissenschaft in diesem Jahrhundert. Daß die Lebenserwartung der Menschen drastisch gestiegen ist, ist u.a. das Ergebnis einer Vielzahl von Erkenntnissen, die durch Tierversuche gewonnen wurden. Dazu zählen etwa Impfungen, verbesserte chirurgische Methoden, neue Medikamente. Doch nicht allein die reine Lebenserwartung, sondern auch die deutlich verbesserte Lebensqualität älterer Menschen wird durch medizinische Fortschritte - und somit auch durch Tierversuche - erzielt. Dabei spielt nicht nur das körperliche Befinden, sondern auch die geistige Fitness eine große Rolle. Je besser der Alterungsprozeß des Gehirns verstanden wird - das Gehirn ist das wichtigste noch unerforschte Organ unseres Körpers -, desto mehr werden Wissenschaftler dazu beitragen können, die steigende Lebenserwartung mit der entsprechenden Lebensqualität und geistigen Fitness zu ermöglichen. Um diese Erkenntnisse zu erlangen, sind Tierversuche unumgänglich. Präziser: Zellkulturen sehen, fühlen und agieren nicht. Sogenannte alternative Methoden haben bislang auch kaum Erkenntnisse gezeitigt, etwa in Fragen zur Informationsverarbeitung und deren Störungen im Gehirn. Deshalb gilt: Ein intaktes Nervensystem mit Sensoren und Effektoren ist nicht durch ein Zellkultursystem zu ersetzen. Die Neurowissenschaften haben mit großer Verantwortung grundlegende Vorgänge des Nervensystems an adäquaten Tiermodellen untersucht. Erst nachdem sie alle anderen Methoden ausgeschöpft haben, untersuchen sie nunmehr verantwortungsvoll auch an höheren Tieren die Funktionsweise des Gehirns. Es ist die Überzeugung der Bochumer Neurobiologen, ,daß unsere Ergebnisse zur Minderung des Leids bei Menschen mit verletzten oder alternden Gehirnen führen."

    Weitere Informationen

    Prof. Dr. Klaus Peter Hoffmann, Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Biologie, Lehrstuhl für allgemeine Zoologie und Neurobiologie, 44780 Bochum, Tel. 0234/700-4363, Fax: 0234/7094-185.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin, Politik, Psychologie, Recht
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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