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16.06.2010 10:00

Geologe Prof. Ratschbacher: Rohstoffreichtum in Afghanistan schon lange bekannt

Christel-Maria Höppner Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Technische Universität Bergakademie Freiberg

    Es ging diese Woche durch alle Medien: Amerikanische Geologen hätten riesige Rohstoffvorkommen in Afghanistan entdeckt. Prof. Lothar Ratschbacher vom Institut für Geologie der TU Bergakademie Freiberg stellt klar, was diese Meldung wert ist und was dahinter steckt.

    Seit über 20 Jahren forscht der Professor für Regionale und Strukturgeologie in dieser Region. Lothar Ratschbacher musste über diese Meldung schmunzeln, "weil hier Journalisten, Militärs und Politiker wissenschaftliche Berichte in Schlagzeilen umsetzen. Denn erstens gibt es keine Neuuntersuchungen durch amerikanische Geologen und zweitens wurden gar keine systematischen Untersuchungen vor Ort durchgeführt." Der wissenschaftliche Hintergrund ist eine Neubewertung geologischen Materials, vor allem von Karten aus der Zeit der Sowjetunion, die Afghanistan vor allem in den 1970er Jahren systematisch geologisch erforscht hatte. "Übrigens aufbauend auf deutschen Arbeiten, die vor allem in den 1960er Jahren, in einer friedlicheren Epoche in Afghanistan, durchgeführt wurden." Die jetzt verbreiteten Untersuchungen stammen vom geologischen Dienst der USA. Dazu kamen noch neuere fernerkundliche Untersuchungen, die jedoch für eine Bewertung einer Lagerstätte nicht aussagekräftig sind. 

"Dass diese Region reich an Rohstoffen ist, ist seit langem bekannt", so Prof. Ratschbacher. Denn die geologischen Einheiten Afghanistans seien auch in den Ländern Tadschikistan, im Nordteil Pakistans und im Westen Chinas anzutreffen. Diese Gebiete kenne man bereits viel besser als Afghanistan. "Meine Forschungsgruppe arbeitet seit 1993 im angrenzenden Pamirgebirge, das zu Tadschikistan, Kirgistan und China gehört", berichtet er. Zurzeit läuft ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Projekt, in dem Wissenschaftler der Universitäten Freiberg, Jena und des GeoForschungsZentrums Potsdam geologisch-geophysikalisch-geomorphologische Untersuchungen zur Entstehung des Pamir-Tibet Plateaus durchführen. In diesen Wochen ist aber auch eine zweite Freiberger Gruppe im afghanisch-tadschikischen Becken unterwegs. Diese Forschung wird von der französischen Ölfirma TOTAL finanziert und zielt auf eine Analyse möglicher Erdgasvorkommen. 

Obwohl die Bereiche Tadschikistans, Pakistans und Chinas ähnliche geologische Einheiten wie Afghanistan aufweisen, wird dort Zurzeit kein aktiver Bergbau betrieben. Aktive Gold- und Kupferminen finden sich nur weiter nördlich im Tien Shan. "Reiche Lagerstätten sind nur ein Aspekt. Die wirtschaftliche Verwertbarkeit und die politische Situation sind ein andere", gibt der Professor zu bedenken. "So gibt es am Tibetplateau auch bedeutende Salzseen die Lithium enthalten. Nur liegen diese Seen auf 5000 Meter Höhe. Dort waren bisher viel weniger Menschen als in der Antarktis." Der Grund dafür sind die unglaublich aufwändigen Arbeiten, diese Lagerstätten zu erforschen, zu erschließen und wirtschaftlich zu betreiben. Selbst wenn es genügend Nachfrage gerade aus dem Boomland China gäbe. Prof. Ratschbacher führt noch ein weiteres Beispiel an: Reiche, bereits genau untersuchte Kupfer- und Goldlagerstätten befinden sich beispielsweise in Südtibet, in geologischen Einheiten, wie sie in Afghanistan vorliegen. Aber auch diese werden Zurzeit nicht weiter aufgeschlossen, obwohl die neue Lhasa-Golmud Bahnlinie diesen Raum mit Westchina verbindet. Dazu müssten erst der Weltmarkpreis beträchtlich steigen und sich die chinesische Politik ändern. Denn China behält sich bewusst strategische Reserven vor. Und für Afghanistan gilt, dort zuerst einmal die Infrastruktur aufzubauen, um nach einer langen Phase der Neuerkundung und Erschließung zu einer wirtschaftlichen sinnvollen Verwertung zu kommen.

    
Bei allen diesen Fragen komme noch die politische Situation hinzu. TOTAL weiß genau, dass es auch mittelfristig keinen Sinn macht, Erdgas aus dem afghanisch-tadschikischen Becken zu fördern, da es problematisch ist, die Vorräte zu vermarkten. Die Firma finanziert deshalb nur eine Ausweitung der Grundlagenforschung, um an Daten zu kommen. Damit man im Fall von politisch-ökonomischen Änderungen reagieren kann. Prof. Lothar Ratschbacher und seine Gruppe brechen im Sommer 2010 in diese Region auf, um genau nordwestlich der an Gold-, Eisen- und Kupfer reichen afghanischen Provinzen Badachshan und Wachan in der tadschikischen Provinz Gorny-Badakshan zu arbeiten. "Wir wollen zum Beispiel Prozesse verstehen, die zur Lagerstättenbildung führen." Für 2011 ist eine Expedition in die afghanische Provinz Wachan geplant. "Wir Wissenschaftler von der Ressourcenuniversität Freiberg haben die Kompetenz, auch Firmen zu unterstützen, die in dieser Region tätig werden möchten. Wenn es Interesse gibt, wir können weiterhelfen.

    

Information zu den Arbeiten der Ressourcenuniversität Freiberg in Zentralasien befinden sich auf der Website des Asia Geoscience Research Center (GEOARC): http://tu-freiberg.de/fakult3/geoarc/


    Weitere Informationen:

    http://tu-freiberg.de/presse/aktuelles/aktuelles_detail.html?Datensatz=997


    Bilder

    Die Geologin Dr. Konstanze Stübner von der TU Bergakademie Freiberg und ihr tadschikischer Kollege Negmat Rajabov nahe der afghanischen Grenze.
    Die Geologin Dr. Konstanze Stübner von der TU Bergakademie Freiberg und ihr tadschikischer Kollege N ...
    Foto: TU Bergakademie Freiberg / Institut für Geologie
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    Topographische Karte, die den Rohstoffreichtum Afghanistans zeigt.
    Topographische Karte, die den Rohstoffreichtum Afghanistans zeigt.
    Grafik: TU Bergakademie Freiberg / Institut für Geologie
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geowissenschaften, Politik, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Die Geologin Dr. Konstanze Stübner von der TU Bergakademie Freiberg und ihr tadschikischer Kollege Negmat Rajabov nahe der afghanischen Grenze.


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    Topographische Karte, die den Rohstoffreichtum Afghanistans zeigt.


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