Soziologen der TU Berlin erforschen die Strukturen von Fan- und Markengemeinschaften
Es ist derzeit nirgendwo zu übersehen und zu überhören: Die Deutschen sind Fans. Und die Fußballweltmeisterschaft macht aus Berlin, der Hauptstadt der bekennenden Singles, die Hauptstadt einer riesigen Fußball-Fan-Community. Die Farben Schwarz, Rot und Gold flattern an Autofenstern, zieren Rückspiegel, Kühlerhauben und setzen ungewohnte Akzente im Gesicht. Beim Public Viewing liegen sich einander ansonsten völlig Fremde selig in den Armen und zelebrieren gemeinsam den Sieg ihres Teams. Aber wie wird ein Individuum zum Teil einer Fanfamilie? Und warum?
Am Institut für Soziologie der TU Berlin befasst sich Dr. Kai-Uwe Hellmann wissenschaftlich mit Markengemeinschaften und Fankulturen. In Kooperation mit Wirtschaftswissenschaftlern interessiert ihn dabei, was Firmen für ihr Produktmarketing von den Konsumenten, den Fans eines Produktes lernen können. „Fans sind Personen,“ so definiert der Soziologe, „ die längerfristig eine leidenschaftliche Beziehung zu einem für sie externen, öffentlichen Objekt eingehen, sei es eine prominente Person, Gruppe oder Organisation, sei es ein Artefakt oder Symbol, für das sie vergleichsweise viel Zeit, Geld und Aufmerksamkeit aufbringen.“
Hellmann untersucht seit einigen Jahren die Begeisterung von Autonarren für „ihren“ Golf GTI und hat außerdem Fußballfans der Vereine Borussia Dortmund, Hertha BSC und Arminia Bielefeld befragt. „Uns interessierte unter anderem, inwieweit man die Fans von Konsumgütern und deren Rituale mit den Fußballfans vergleichen kann“, berichtet er. Ähnlich sei, so haben Hellmann und seine Mitarbeiter herausgefunden, dass Markengemeinschaften wie Fankulturen sich durch Kollektivbewusstsein (Wir-Gefühle), bestimmte Rituale und Traditionen sowie moralische Solidarität füreinander auszeichnen.
Ganz unterschiedlich sei allerdings der Zugang der Fans zur Marke beziehungsweise zum Verein. Während die Konsum-Fans zu 56 Prozent eher zufällig auf „ihre“ Marke stoßen, spielen für den echten Fußballfan der lokale Aspekt, die Familie und Freunde eine große Rolle. „Sie werden praktisch hineingeboren, weil sie in der Stadt leben, weil schon der Vater Fan dieses Vereins war“, erläutert Hellmann. Auch bei den Ritualen gebe es Unterschiede: Während sich die bekennenden GTI-Fahrer einmal jährlich am Wörthersee treffen, um ihrem Kultobjekt zu huldigen, leben fanatische Fußball-Anhänger mit dem Spielplan ihres Vereins. „Man trifft sich am Tag des Spiels, geht ins Stadion oder schaut an bestimmtem Plätzen die Auswärtsspiele. Trikots des Teams, Fahnen, Schals und Mützen in den Vereinsfarben werden angelegt“, sagt Hellmann.
Mit diesen Devotionalien ausgestattet, demonstrieren die Fans ihre Zugehörigkeit zum Verein und zur großen Gemeinschaft derjenigen, die dem gleichen Verein huldigen. Während einer Weltmeisterschaft wird diese Gemeinschaft noch größer und eint letztlich die Fans ansonsten rivalisierender Vereine. Seit der vergangenen Weltmeisterschaft im eigenen Land feiern auch immer mehr Frauen bei den friedlichen Fußballfesten mit. „Letztlich geht es darum, in die Fangemeinschaft abzutauchen. Der Einzelne wird zeitweilig davon entlastet, ein Individuum zu sein – was auch ganz schön anstrengend sein kann“, sagt Hellmann.
Andrea Puppe
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Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Dr. Kai-Uwe Hellmann, Institut für Psychologie der TU Berlin, Franklinstr. 28/29, 10587 Berlin, Tel.: 030/314-73308, E-Mail: hellmann@markeninstitut.de, http://www.kaiuwehellmann.de
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Psychologie, Sportwissenschaft
überregional
Forschungsprojekte
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