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02.08.2001 10:42

Physiker und Linguisten erforschen, wie das Gehirn richtige Saetze von falschen unterscheidet

Andrea Benthien Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Potsdam

    Irritation und Verstaendnis
    Physiker und Linguisten erforschen, wie das Gehirn richtige Saetze von falschen unterscheidet

    Manche halten das menschliche Gehirn fuer das komplexeste System des Universums. Das mag uebertrieben scheinen, doch kompliziert ist unser Denkapparat durchaus, denn schon jede einzelne der Milliarden Nervenzellen ist ein nichtlineares System, das nicht mehr einfach zu modellieren ist. Und zudem ist jede Nervenzelle im Durchschnitt mit zehntausend anderen Nervenzellen vernetzt, es gibt Rueckkopplungen und merkwuerdige Effekte, die all die Prozesse ermoeglichen, die wir als geistig bezeichnen, so auch das Verstehen von Sprache. Doch das Gehirn laesst sich nur sehr indirekt beim Denken zusehen. Als ueberaus fruchtbar erweist sich dabei die Zusammenarbeit zwischen so verschiedenen Disziplinen wie der Linguistik und der Physik. Der Linguist Prof. Dr. Douglas Saddy und der Physiker Dr. Peter beim Graben von der Universitaet Potsdam ließen bei 26 Versuchspersonen ein so genanntes Elektroenzephalogramm (EEG) aufzeichnen, waehrend diese auf einem Computerbildschirm etwa 40 verschiedene Saetze lasen. Dabei handelte es sich um ganz besondere Saetze, denn die Haelfte von ihnen war auf subtile Weise falsch und irritierte. Fuer die EEG-Aufnahmen trugen alle Teilnehmer eine Kappe, die mit Elektroden bestueckt war und die an der Kopfhaut die kleinen Spannungsunterschiede registrierten, welche durch Hirnaktivitaet entstehen. Aus einem EEG lassen sich normalerweise nur sehr grundlegende Dinge ablesen, wie beispielsweise epileptische Anfaelle, der Schlafzustand oder der Hirntod. Mit einer mathematischen Analyse erwiesen sich die EEG-Bilder jedoch als weitaus aussagekraeftiger, zeigte beim Graben.
    Der Satz: "Kein Mann war jemals gluecklich" ist ein normaler Satz, dessen grammatische Struktur keine besondere Aktivitaet im Gehirn erzeugt. Eine kleine Veraenderung genuegt jedoch, um zu irritieren, denn das Woertchen "jemals" funktioniert nur in Verbindung mit einer Verneinung. Der Satz: "Ein Mann war jemals gluecklich" ist grammatisch falsch, was das Gehirn nach rund 400 Millisekunden erkennt. Dieser "grammatische Juckreiz" kann mit anderen Methoden als so genanntes ereignisbezogenes Potential nachgewiesen werden, ist aber im EEG normalerweise kaum sichtbar. Dr. Peter beim Graben legte nun die EEG-Aufnahmen aller Versuchsteilnehmer und aller Saetze aufeinander und untersuchte die gestapelten Zeitreihen. Mit Hilfe eines Maßes fuer die Unordnung ließen sich die Unterschiede in den EEG-Aufnahmen zwischen grammatisch korrekten und nicht korrekten Saetzen deutlich herausarbeiten. "Das verbessert enorm das Signal-Rausch-Verhaeltnis", erklaert Peter beim Graben. Dazu verwendete der Physiker die Methoden der nichtlinearen Dynamik und der Komplexitaetstheorie, die unter dem Schlagwort Chaosforschung bekannt geworden sind. Die Arbeit von beim Graben und Saddy, die auch in der renommierten Wissenschaftszeitschrift "Physical Review" veroeffentlicht wurde, hat zu einer neuen Erkenntnis gefuehrt. Das "Staunen" des Gehirns aehnelt einem Umschaltvorgang, wie er aus einfacheren biologischen Prozessen schon laenger bekannt ist.

    Hinweis an die Redaktionen:
    Weitere Informationen erhalten Sie bei Dr. Peter beim Graben, E-Mail: peter@ling.uni-potsdam.de, Tel.:0331/977 2371, oder bei Prof. Dr. Douglas Saddy, E-Mail: Saddy@ling.uni-potsdam.de, Tel.:0331/977 2319, aus dem Interdisziplinaeren Zentrum fuer Nichtlineare Dynamik der Universitaet Potsdam.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Mathematik, Medizin, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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