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07.08.2001 12:12

Exoten aus dem Saale-Schlamm

Ramona Ehret Stabsstelle Kommunikation, Events und Alumni
Technische Universität Berlin

    Wissenschaftlern des Instituts für Biotechnologie der TU Berlin gelang es, ein ungewöhnliches Bakterium aus dem Schlamm der Saale zu isolieren. Das Isolat "Stamm CBDB1" ist auf die Veratmung von Chlorbenzolen angewiesen, so wie Säugetiere von Sauerstoff abhängig sind. Es ist das erste Bakterium der neu beschriebenen Dehalococcoides-Gruppe, das auf einem rein synthetischen Medium wächst. Die bei der Isolierung von Stamm CBDB1 entwickelten Methoden werden die Kultivierung, Isolierung und Charakterisierung von verwandten Bakterien erleichtern.

    Wissenschaftsdienst der TU Berlin, Nr. 3, August 2001

    Biochemie
    Exoten aus dem Saale-Schlamm

    Wissenschaftlern des Instituts für Biotechnologie der TU Berlin gelang es, ein ungewöhnliches Bakterium aus dem Schlamm der Saale zu isolieren. Das Isolat "Stamm CBDB1" ist auf die Veratmung von Chlorbenzolen angewiesen, so wie Säugetiere von Sauerstoff abhängig sind. Es ist das erste Bakterium der neu beschriebenen Dehalococcoides-Gruppe, das auf einem rein synthetischen Medium wächst. Die bei der Isolierung von Stamm CBDB1 entwickelten Methoden werden die Kultivierung, Isolierung und Charakterisierung von verwandten Bakterien erleichtern.

    Neben aeroben Mikroorganismen, die wie der Mensch Sauerstoff benötigen, sind viele anaerobe Gattungen bekannt, die mit alternativen Atmungsvorgängen ihren Energiebedarf decken. So kennt man Nitrat-, Sulfat-, CO2-, Fumarat oder Eisen-Atmung, bei denen die durch Oxidation von organischen Verbindungen oder von Wasserstoff anfallenden Elektronen zur Reduktion der genannten Verbindungen führen. Über eine Elektronentransport-gekoppelte Phosporylierung wird dabei Energie gewonnen. In den letzten Jahren wurden anaerobe Bakterien beschrieben, die sogar durch reduktive Dehalogenierung von chlorierten Kohlenwasserstoffen Energie gewinnen können. Bisher bekannte Bakterien, die durch diese Dehalorespiration wachsen, verwerten mehr oder weniger gut wasserlösliche chlorierte Kohlenwasserstoffe wie Chlorbenzoate. Aus Untersuchungen mit anaeroben Sedimenten war bekannt, dass auch die schwerlöslichen Chlorbenzole unter anaeroben Bedingungen langsam dechloriert werden können.
    Dr. Lorenz Adrian aus der Arbeitsgruppe von Prof. Helmut Görisch an der TU Berlin gelang es, ein extrem Sauerstoff-empfindliches Bakterium zu isolieren, das Trichlorbenzole zu Dichlorbenzolen dechloriert. Er konnte zeigen, dass das Bakterium CBDB1 mit Acetat als Kohlenstoffquelle wächst, die Trichlorbenzole mit Hilfe von Wasserstoff unter Abspaltung von Chloridionen reduziert und diesen Vorgang zur Energiegewinnung nutzt. Die Arbeit wurde im Rahmen des Sonderforschungsbereichs "Biologische Behandlung industrieller und gewerblicher Abwässer" (Sfb 193) durchgeführt und kürzlich in "Nature" publiziert (Adrian, L., Szewzyk, U., Wecke, J., Görisch, H. (2000): Bacterial dehalorespiration with chlorinated benzenes. Nature, 408, 580-583).
    Das Bakterium CBDB1 wächst auf einem rein synthetischen Medium ohne komplexe Nährstoffzusätze und benötigt neben H2, Trichlorbenzolen und Acetat nur noch Spurenelemente und Vitamin B12. Das sehr spezialisierte Bakterium kann Glucose und viele andere Kohlenstoffquellen nicht verwerten. Auch in anderer Hinsicht zeigt "Stamm CBDB1" ungewöhnliche Eigenschaften. Er vermag in Gegenwart hoher Konzentrationen der Antibiotika Vancomycin oder Ampicillin zu wachsen, was darauf hindeutet, dass der Organismus nicht die übliche Peptidoglycan-Zellwand der Bacteria besitzt. Elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigen, dass die kokkoiden Zellen mit einem Durchmesser von etwa 1 µm mit einer hochgeordneten Struktur von regelmäßig angeordneten Partikeln bedeckt sind. Die Zellen weisen auch Einkerbungen verschiedener Größe auf.
    Ein Ähnlichkeitsvergleich zeigt, dass "Stamm CBDB1" mit dem Bakterium Dehalococcoides ethenogenes eng verwandt ist. Beide bilden eine neue Unterabteilung der Bacteria, die phylogenetisch weit entfernt von allen anderen reduktiv dechlorierenden Bakterien angesiedelt ist. In Proben von Standorten, die mit chlororganischen Verbindungen belastet sind, konnte mit molekularbiologischen Methoden das Vorkommen vieler verwandter Mitglieder der Dehalococcoides-Gruppe nachgewiesen werden. Diese Organismen sind alle noch unbekannt, da sie bisher nicht in Reinkultur gebracht werden konnten.
    Während des kürzlich vom Sfb 193 veranstalteten internationalen Colloquiums "Anaerobic Dehalogenation" stellte sich heraus, dass der "Stamm CBDB1" und sehr nah verwandte Organismen an vielen Standorten, die mit chlorierten Kohlenwasserstoffen verunreinigt sind, vorkommen und in Anreicherungskulturen nachgewiesen werden können. Da "Stamm CBDB1" das erste Bakterium der neu beschriebenen Dehalococcoides-Gruppe ist, das auf einem rein synthetischen Medium wächst, ist es möglich, die Physiologie des Organismus genau zu studieren und es biochemisch zu charakterisieren. Die bei der Isolierung von "Stamm CBDB1" entwickelten Methoden werden die Kultivierung, Isolierung und Charakterisierung von verwandten Bakterien erleichtern.

    Datenbank
    Ansprechpartner: Prof. Dr. H. Görisch, Dr. Lorenz Adrian, TU Berlin, Institut für Biotechnologie, Fachgebiet Technische Biochemie
    Kontakt: Seestraße 13, 13353 Berlin, Tel.: 030/314-27581, E-Mail: goerisch@lb.tu-berlin.de, lorenz.adrian @tu-berlin.de, Internet: www.tu-berlin.de/fb15/techbio
    Projekt: Mikrobiologie und Enzymatik des anaeroben Chlorbenzolabbaus und der mikrobiellen Eliminierung von Dichlordiisopropylether im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 193
    Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft

    Weiteres Angebot von "Forschung Aktuell" unter:
    www.tu-berlin.de/forschung-aktuell

    Der Wissenschaftsdienst Nr. 3, August 2001 im Internet unter:
    www.tu-berlin.de/presse/wissenschaftsdienst/

    Der Expertendienst der TU Berlin im Internet unter:
    www.tu-berlin.de/presse/wissenschaftsdienst/experten/

    "Forschung Aktuell" ist ein Dienst der Pressestelle der TU Berlin:
    www.tu-berlin.de/presse/index.html


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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