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08.08.2001 10:41

"Time is Brain": Bei Schlaganfall rettet nur die Akut-Therapie in einer Stroke Unit

Dr. Wolfgang Hirsch Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Jena (08.08.01) 400 Patienten werden nach akutem Schlaganfall jährlich in die Jenaer Universitätsklinik für Neurologie eingeliefert. "In solchen Situationen zählt - genauso wie beim Herzinfarkt - jede Minute", weiß Prof. Dr. Otto W. Witte, der designierte Direktor der Klinik. An seiner künftigen Jenaer Klinik wurde daher 1997 eine so genannte Stroke Unit mit vier Betten und angeschlossener Intensivabteilung eingerichtet. - Damals ein Novum, inzwischen haben drei weitere Kliniken in Erfurt, Weimar und Gera nachgezogen. "Die Akut-Versorgung von Schlaganfall-Patienten hat sich in Thüringen während der letzten fünf Jahre erheblich verbessert", urteilt Witte, der vom Düsseldorfer Uni-Klinikum in den Freistaat wechselt. "Das war auch dringend erforderlich."

    Bei einem Schlaganfall setzt sich ein Blutgerinnsel in einer Gehirnarterie fest und schneidet die lebensnotwendige Versorgung des Organs mit Sauerstoff ab. Je nachdem, wie groß die betroffenen Areale sind, klagen die Patienten über Taubheitsgefühle bis hin zu Lähmungen in Armen und Beinen, Seh-, Sprach- oder Orientierungsstörungen, in schweren Fällen werden sie bewusstlos. "Ein Schlaganfall ist immer akut lebensbedrohlich", erklärt Prof. Witte. "Selbst wenn die Symptome anfangs nicht so schwerwiegend erscheinen, kann sich das Ausmaß binnen der ersten Stunden nach dem Ereignis noch ausdehnen."

    Für die Soforttherapie haben die Jenaer Ärzte ein minuziöses Programm ausgearbeitet, das maximale Hilfe in kürzester Zeit sicherstellt. Per Rettungswagen kommen die Patienten zuerst in das Nothilfezentrum, wo eine Computer-Tomographie (CT) des Kopfes aufgenommen wird. "Großgeräte-Diagnostik ist beim Schlaganfall das A und O", weiß Witte. Noch vor wenigen Jahren hatten die ostdeutschen Patienten in dieser Hinsicht fast keine Chance; die teure Medizintechnik kam erst nach der Wende. "Mit dem Schädel-CT müssen wir zunächst ausschließen, dass der Patient eine Hirnblutung hat", erklärt Witte. "Das kommt immerhin in zehn bis 15 Prozent der Fälle vor." Bei allen anderen beginnen die Ärzte sofort mit einer Lyse-Therapie, bei der sie ein gerinnungslösendes Medikament in die Blutbahn injizieren.

    Aber mit dem CT ist die Diagnostik längst noch nicht abgeschlossen. Beim nächsten Schritt hilft ein zweites Großgerät: Mittels Magnetresonanztomographie (MRT) - inzwischen Standard bei der Weichteil-Darstellung - erkennen die Neurologen das Ausmaß des Schlaganfalls direkt im Gehirn und stellen fest, ob das Organ angeschwollen ist. Eine zusätzliche Ultraschall-Untersuchung klärt, welche Gefäße verschlossen sind. Bei einer Hirnschwellung helfen die Ärzte in der Stroke Unit mit einer Kältetherapie oder lassen durch neurochirurgische Kollegen die Schädeldecke öffnen, damit keine gesunden Gehirnareale gequetscht werden.

    "Die genauen Abläufe beim Schlaganfall kennen wir längst noch nicht bis ins letzte biochemische Detail", gesteht Prof. Witte. "Da liegt in der Forschung noch viel Arbeit vor uns, damit wir den Patienten noch besser helfen können." So hat Witte gerade mit seiner Düsseldorfer Arbeitsgruppe herausgefunden, dass die so genannten Glia-Zellen im Gehirn eigene Wasserkanäle - Aquaporine - besitzen, die sich in bei Schlaganfall in einer Schockreaktion weit öffnen und vermutlich die gefährliche Hirnschwellung mit verursachen. In Jena will Witte unter anderem an diesem Problem weiterarbeiten.

    In der zweiten Phase, nach der unmittelbaren Akut-Therapie, bleibt der Patient noch bis zu drei Tagen auf Intensivstation. Witte: "Wir müssen ihn weiter beobachten und verhindern, dass sich der Schlaganfall ausdehnt." Aber schon parallel dazu verordnen die Ärzte erste rehatherapeutische Behandlungen, also etwa Krankengymnastik und Ergotherapie. "Abgestorbene Gehirnareale können wir leider nicht mehr wiederbeleben", bedauert der Neurologe. "Aber das Gehirn ist ein enorm lernfähiges Organ, und es beginnt unmittelbar nach einem traumatischen Ereignis mit der Umorganisation der Strukturen."

    In dieser Phase "lernt" der Patient am besten, ausgefallene Körperfunktionen durch andere Gehirnbereiche zu steuern. "Früher mussten wir Neurologen uns im großen und ganzen auf die reine Diagnostik eines akuten Schlaganfalls beschränken", schildert Witte den medizinischen Fortschritt. "Heute können wir den Patienten schon recht weitgehend helfen. Wir sind zuversichtlich, dass die rasante Hirnforschung, die uns gerade in den letzten Jahren viele neue Perspektiven aufgezeigt hat, hier noch viele weitere Verbesserungen bringen wird."

    Ansprechpartner:
    Prof. Dr. med. Otto W. Witte
    Tel.: 03641/935005, Fax: 935399
    E-Mail: owitte@med.uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    regional
    Forschungsprojekte, Organisatorisches
    Deutsch


     

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