In genau einem halben Jahr, am 9. Januar 2011, wird das Ergebnis eines Referendums im Südsudan bekannt gegeben. Zur Abstimmung wird nichts Geringeres als die Abspaltung oder den Erhalt der Einheit des Landes stehen. Experten des BICC (Internationales Konversionszentrum Bonn) begleiten seit Jahren den Friedensprozess und beobachten die Vorbereitung des Referendums vor Ort.
Der 9. Januar 2011 ist ein Tag im Sudan, der einerseits herbeigesehnt und anderseits gefürchtet sein dürfte. „Nach 22 Jahren blutigem Bürgerkrieg und knapp sechs Jahre nach dem Friedensschluss zwischen der Regierung in Khartum und der Südsudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) steht der Sudan am Scheideweg“, erläutert BICC-Projektleiter Wolf-Christian Paes, der im Auftrag des Auswärtigen Amtes und der Kreditanstalt für Wideraufbau (KfW) als Langzeitexperte die Südsudanesische Kommission für Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration berät.
Vor allem birgt der genaue Grenzverlauf im Falle einer Sezession Sprengstoff. So dürften sich zwischen 80 und 95 Prozent der bekannten sudanesischen Ölreserven nach einer Abspaltung im Süden befinden, was die Frage nach der Teilung der Gewinne aufwirft. Aber auch weitere Probleme sind ungeklärt, etwa, wie die sudanesischen Staatsschulden aufgeteilt sowie welche Währung in Zukunft im Süden genutzt werden soll. Auch die Verwendung des Nilwassers in der Region flussabwärts bleibt ein potentieller Streitpunkt.
„Positiv ist, dass das Panel der Afrikanischen Union unter Leitung des ehemaligen Südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki beauftragt wurde, sich mit nach dem Referendum zukunftsweisenden Themen wie Staatsbürgerschaft, Sicherheit, Finanzen, Wirtschaft, natürliche Ressourcen und internationale Verträge/Rechtsfragen zu befassen“, sagt Peter J. Croll, Direktor des BICC. Weiterhin wurde eine südsudanesische Referendum Task Force eingerichtet, um das Referendum vor- und nachzubereiten. Allerdings stehen die Mitglieder der Task Force noch nicht fest. Viel hängt auch davon ab, ob die Wählerregistrierung nun zügig beginnt, da sie bereits im September 2010 abgeschlossen sein muss.
Seit dem Friedensschluss 2005 hat sich viel getan im Südsudan. 31 neu eingerichtete Ministerien und 18 Kommissionen bzw. Kammern haben in diesen fünf Jahre erste Erfahrungen gesammelt. Auch die Infrastruktur in der Hauptstadt Juba hat sich beachtlich entwickelt. Der Wille der südsudanesischen Regierung, den Herausforderungen gerecht zu werden, ist unverkennbar. Allerdings ist der Unterstützungsbedarf beim Kapazitätsaufbau in den Regierungsstellen und Verwaltung sowie der Armee und Polizei weiterhin gewaltig.
Das Ziel der Regierung, die menschliche Sicherheit in den Städten und Gemeinden zu erhöhen, ist sehr ambitioniert, denn die Erblasten des Bürgerkrieges umfassen:
- Eine durch Armut, schwach ausgebildete Infrastruktur und zumeist Subsistenzwirtschaft geprägte Volkswirtschaft,
- eine Masse an unkontrollierten Kleinwaffen (UN Schätzungen von 2007 sprechen von 1,9 bis 3,2 Millionen, wovon sich deutlich über 50 Prozent in Händen der Zivilbevölkerung befinden),
- gewaltsame Zusammenstöße zwischen ethnischen Gruppen, insbesondere im Zusammenhang mit Viehdiebstahl aus kulturellen und ökonomischen Gründen sowie
- mangelnde Kapazität und Ausbildung der Sicherheitskräfte, um den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten.
Noch im Jahr 2009 sind in Folge dieser Probleme ca. 2.500 Menschen ums Leben gekommen und ca. 350.000 intern vertrieben worden. Das Welternährungsprogramm berichtet, dass der Anteil der unterernährten Menschen um 47 Prozent beträgt. Dennoch gibt es auch Anzeichen für eine Verbesserung der Lage. So kehrten seit 2005 zwei Millionen Menschen in ihre Heimat zurück und viermal so viele Kinder als vor dem Friedenschluss gehen wieder zur Schule.
„Die Herausforderung für die internationale Staatengemeinschaft und für Deutschland ist es, den Schutz der Zivilbevölkerung und den Wiederaufbau des Landes weiter zu unterstützen und nicht unabhängig voneinander zu betreiben“, schätzt Marius Kahl, Sudan-Länderbearbeiter am BICC, ein. So ist die soziale und wirtschaftliche Reintegration von Exkombattanten und anderem Personal aus dem Sicherheitssektor allein quantitativ eine große Aufgabe für die Volkswirtschaft, die derzeit ohnehin wenige Arbeitsmöglichkeiten bietet. „Die Unterstützung der Reintegration durch geeignete entwicklungspolitische Maßnahmen, auch beim Polizeiaufbau oder der Kleinwaffenkontrolle, wäre für den Erfolg der Programme äußerst hilfreich“, ergänzt Marius Kahl.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Politik, Recht
überregional
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Deutsch
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