idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
15.07.2010 12:15

Mit Antibiotika nachhaltig gegen Malaria vorbeugen

Dr. Annette Tuffs Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universitätsklinikum Heidelberg

    Eine Antibiotika-Behandlung während des Leberstadiums der Malaria erzeugt eine schützende Immunität bei Mäusen

    Bekommen Mäuse über drei Tage ein Antibiotikum verabreicht und werden sie zur gleichen Zeit mit Malariaerregern infiziert, so treten keine krankmachenden Parasiten im Blut auf. Die so behandelten Tiere entwickeln zusätzlich eine stabile, langanhaltende Immunität gegen nachfolgende Infektionen. Dieses hat jetzt ein Team um Dr. Steffen Borrmann aus dem Department für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg in Zusammenarbeit mit Dr. Kai Matuschewski vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin herausgefunden. Die Wissenschaftler sind der Meinung, dass eine sichere und bezahlbare Prophylaxe mit Antibiotika möglich sein könnte, die das Potential habe, als natürliche Impfung “ohne Spritzen“ gegen Malaria zu funktionieren (Science Translational Medicine, 14. Juli 2010).

    Malaria ist immer noch die häufigste und gefährlichste, von Insekten übertragene Krankheit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass jährlich eine Millionen Menschen daran sterben, vor allem Kinder in afrikanischen Ländern. Global sind über drei Milliarden Menschen dem Risiko einer Malariainfektion ausgesetzt. Noch immer gibt es kein Medikament, das gleichzeitig die Menschen zuverlässig vor einer Infektion schützt und gleichzeitig den Aufbau einer langanhaltenden Immunität fördert.

    Mäuse im Modell komplett geschützt

    Die Wissenschaftler entwickelten an Mäusen folgendes Immunisierungsmodell: Die Tiere erhielten Sporozoiten (infektiöses Stadium der Malariaerreger) direkt ins Blut gespritzt. Zur gleichen Zeit wurden sie drei Tage lang mit den Antibiotika Clindamycin oder Azithromycin behandelt. Normalerweise wandern die Sporozoiten zunächst in die Leber, wo sie zu den krankmachenden Blutstadien (Merozoiten) heranreifen. Die Medikamente bewirkten zwar keine Verlangsamung der Reifung der Merozoiten in Leberzellen, verhinderten anschließend aber einen Befall der roten Blutkörperchen im Blut. Die typischen, ausschließlich von Blutstadien hervorgerufenen Krankheitssymptome traten also nicht auf. Die in den Leberzellen angereicherten Parasiten boten einen ausreichenden Reiz für das Immunsystem, eine stabile und dauerhafte Immunität zu entwickeln. Nach 40 Tagen, vier und sechs Monaten infizierten die Forscher die Mäuse wieder mit Sporozoiten, diesmal ohne erneute Antibiotikagabe. Alle Tiere waren vollständig gegen die Malaria geschützt.

    Übertragbarkeit auf den Menschen

    Natürlich stellt sich die Frage, ob diese Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind. Unter Feldbedingungen wird der menschliche Organismus beim Mückenstich zwar mit häufigen, aber eher niedrig dosierten Erregerkonzentrationen konfrontiert. Beim Nachahmen dieses Infektionsmodus im Mausmodell waren immer noch 30 Prozent der Mäuse geschützt. Bei 85 Prozent der trotzdem erkrankten Mäuse verlief die Malaria ohne einen Befall des Gehirns, was prognostisch günstig zu bewerten ist.

    „Die verwendeten Antibiotika sind bezahlbare Medikamente ohne schwerwiegende Nebenwirkungen. Eine periodische, kurzzeitige Antibiotikagabe an Bewohner von Malariagebieten hat das Potential als „Nadel-freie“, natürliche Impfung gegen Malaria vor Reinfektionen zu schützen. Damit hätten wir ein zusätzliches schlagkräftiges Instrument gegen die Malaria in der Hand“, meint Dr. Steffen Borrmann. Dr. Kai Matuschewski fügt hinzu: “Eine wesentliche Motivation für unsere Studie war ein einfaches Konzept, das auch in Malariagebieten verwirklichbar ist, zu testen. Wir sind überzeugt, dass abgeschwächte Erreger den besten Impfschutz gegen eine so komplexe parasitische Erkrankung wie Malaria erzeugen.“

    Neuer Angriffspunkt für zukünftige Medikamente

    Der Angriffsort der verabreichten Antibiotika liegt im Apicoplast der Parasiten. Das ist ein kleines Zellorgan bakteriellen Ursprungs, das für die Parasiten unbedingt notwendig ist, um in weitere Zellen des Wirtsorganismus einzudringen. Da die medikamentöse Blockierung des Apicoplast aber nicht verhindert, dass sich die Sporozoiten in der Leberzelle vermehren, wird das Immunsystem der vollen Antigenlast einer natürlichen Infektion ausgesetzt. Das ist bei den bisher entwickelten Impfstoffen mit bestrahlten oder gentechnisch abgeschwächten Malariaerregern nicht der Fall. „Selbst wenn sich unsere Ergebnisse im Feldversuch nicht bestätigen ließen, stellt doch der Apicoplast ein äußerst vielversprechendes Angriffsziel zukünftiger Medikamente dar“, erklärt Dr. Johannes Friesen vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie.

    Literatur:
    Johannes Friesen, Olivier Silvie, Elyzana Dewi Putrianti, Julius C.R. Hafalla, Kai Matuschewski, Steffen Borrmann: Natural Immunization against Malaria: Causal Prophylaxis with Antibiotics. Johannes Science Translational Medicine, 2010, Online-Publikation, 14. Juli 2010.

    Weitere Informationen über das Department für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg im Internet:
    www.klinikum.uni-heidelberg.de/Hygiene-Institut--Department-fuer-Infektiologie.106583.0.html

    Ansprechpartner:
    Dr. Steffen Borrmann
    Department für Infektiologie
    Universitätsklinikum Heidelberg
    Tel.: 06221 / 56 77 56
    Tel. mobil am 15./16.07.2010: +254 723 / 487 242
    Fax: 06221 / 56 50 03
    E-Mail: steffen.borrmann@urz.uni-heidelberg.de

    Dr. Kai Matuschewski
    Abteilung für “Parasitologie“
    Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie
    Tel.: 030 / 28 460 535
    Fax: 030 / 28 460 225
    E-Mail: matuschewski@mpiib-berlin.mpg.de

    Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
    Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
    Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 7.600 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 40 Kliniken und Fachabteilungen mit ca. 2.000 Betten werden jährlich rund 550.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.400 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland.

    www.klinikum.uni-heidelberg.de

    Max-Planck-Gesellschaft
    Die Max-Planck-Gesellschaft fördert Grundlagenforschung auf internationalem Spitzenniveau in den Lebens-, Natur- und Geisteswissenschaften. In ihren 80 Instituten beschäftigt sie rund 13.000 Mitarbeiter, davon etwa 4.800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Diese Wissenschaftler schaffen neue medizinische Anwendungen, finden neuartige Wirkstoffe und Materialien, und beraten Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Fragen der Entwicklung unseres Landes. Sie bilden Tausende Nachwuchswissenschaftler aus, melden Patente an, erwirtschaften Einnahmen über Lizenzen, gründen Firmen und schaffen Arbeitsplätze. So machen sich Investitionen in Grundlagenforschung auf lange Sicht um ein Vielfaches bezahlt.

    Bei Rückfragen von Journalisten:
    Dr. Annette Tuffs
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heidelberg
    und der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
    Im Neuenheimer Feld 672
    69120 Heidelberg
    Tel.: 06221 / 56 45 36
    Fax: 06221 / 56 45 44
    E-Mail: annette.tuffs(at)med.uni-heidelberg.de

    Diese Pressemitteilung ist auch online verfügbar unter
    www.klinikum.uni-heidelberg.de/presse

    TN


    Bilder

    Ein Plasmodium Sporozoit (beim Mückenstich übertragenes infektiöses Stadium des Malariaparasiten) beim Eintritt in die erste Wirtszelle im menschlichen Körper, d.h. in die Leberzelle.
    Ein Plasmodium Sporozoit (beim Mückenstich übertragenes infektiöses Stadium des Malariaparasiten) be ...
    Quelle: Quelle: Dr. Volker Brinkmann, Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, Berlin.


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Ein Plasmodium Sporozoit (beim Mückenstich übertragenes infektiöses Stadium des Malariaparasiten) beim Eintritt in die erste Wirtszelle im menschlichen Körper, d.h. in die Leberzelle.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).