idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
15.08.2001 14:07

Wer schützt die Privatsphäre im Internet

Dipl.-Journ. Tove Simpfendörfer Pressestelle
Hochschule Ravensburg-Weingarten

    Weingartener FH-Professor veröffentlicht Lehrbuch über die Verschlüsselung von Daten

    "Das Bewusstein für die Datensicherheit ist noch nicht vorhanden", sagt Professor Dr. Wolfgang Ertel von der Fachhochschule Ravensburg-Weingarten. Dabei führe die Spionage übers Internet allein in Deutschland zu jährlichen Verlusten der Industrie in zwei- bis dreistelliger Milliardenhöhe. Grund genug für den Informatik-Professor, im Fachbuchverlag Leipzig ein Lehrbuch mit dem Titel "Angewandte Kryptographie" zu veröffentlichen. Auf 190 Seiten vermittelt Ertel zukünftigen Informatikern das Wissen über das Verschlüsseln von Nachrichten.

    Die Kryptographie kommt aus dem militärischen Bereich. Logischerweise wollen die Armeen es unbedingt verhindern, dass ihre Nachrichten abgehört oder gar verstanden werden können. Aufgrund der weltweiten Vernetzung der Computer hat seit einigen Jahren das Verschlüsseln von Nachrichten Bedeutung für fast jedermann gewonnen. Das Internet hat zwar den großen Vorteil, dass man problemlos mit unzähligen Menschen auf der ganzen Welt kommunizieren kann, auf der anderen Seite können elektronische Briefe relativ problemlos abgehört werden.

    Daher ist es wichtig, dass Unternehmen ihre E-Mails, Dateien und Webseiten verschlüsseln, um beispielsweise ihre Angebote und Patente aber auch ihre Geschäftspolitik nicht preiszugeben. Dies scheint dringend nötig: "Die Vereinigten Staaten", erklärt Professor Ertel, "haben zusammen mit anderen Staaten ein weltumspannendes Abhörsystem mit dem Namen Echelon aufgebaut, das der Industriespionage dient." Vor kurzem erst sei dies von der Europäischen Union offiziell bestätigt worden.

    Wolfgang Ertel hat an der Uni Konstanz Mathematik und Physik studiert. Nach Assistentenzeit und Promotion an der Technischen Universität München wechselte der gebürtige Leutkircher 1993 an das International Computer Science Institute der Universität Berkeley in Kalifornien. Damals befasste er sich nicht nur mit künstlicher Intelligenz, sondern auch mit Kryptographie. 1994 wurde der passionierte Bergsteiger an die Fachhochschule Ravensburg-Weingarten berufen, 1996 hielt er erstmals die Vorlesung "Datensicherheit". Im Rahmen der Vorbereitung bemerkte er, "dass es kein deutsches Buch gibt, das die Anwendung der Kryptographie in den Vordergrund stellt". Aus dem Skript zur Vorlesung ist das Lehrbuch entstanden.

    Neben dem Verschlüsseln von Daten ist die digitale Unterschrift die zweite zentrale Aufgabe der modernen Kryptographie. "Diese", davon ist der 42-jährige Professor überzeugt, "wird das Medium E-Mail in den nächsten Jahren zu einem seriösen Werkzeug für den effizienten Austausch von Verträgen und anderen wichtigen Dokumenten machen." In seinem Buch beschreibt Ertel, wie eine digitale Signatur funktioniert, wie auch der "Normalbürger" das technisch realisieren kann, wie man digitale Signaturen anwendet, welche Software man sich besorgen muss und welche Fallgruben es gibt.

    Professor Ertel, der auch Firmen beim Aufbau ihrer Sicherheitsstrukturen berät, hält ein leidenschaftliches Plädoyer für die Anwendung von kryptographischen Verfahren und empfiehlt beispielsweise PGP. Erhältlich ist PrettyGoodPrivacy im Internet. Auf seiner Homepage www.fh-weingarten.de/~ertel/kryptobuch.html verrät Wolfgang Ertel die Adresse. Durchaus vergleichbar ist übrigens die Sicherheit einer Internetseite mit der Sicherheit eines Hauses. Absolute Sicherheit gibt hier wie dort nicht, prinzipiell ist ein Einbruch immer möglich. Deswegen muss es das Ziel sein, es dem Dieb so schwer wie möglich zu machen. "Bei Nutzung von entsprechenden Kryptographie-Programmen", so Ertel, "wird der Aufwand so groß, dass sich ein Angriff nicht mehr lohnt."

    Einen Teil seines Kryptographie-Lehrbuches hat Wolfgang Ertel in den USA geschrieben, wo er im Sommersemester 2000 das Forschungssemester verbrachte. Die Firma Maxtor baut Festplatten für ganz normale PC's. Damit Hacker keinen Zugriff auf den Rechner haben, möchte man die Daten auf der Festplatte verschlüsseln. Dies geschieht mit Hilfe von zufälligen Zahlenreihen.

    Bei Maxtor schrieb Ertel nicht nur das Kapitel über Zufallszahlen, sondern bestieg auch den mit 4.400 Metern höchsten Berg der USA, den Mount Whitney, über den schwierigen Ostpfeiler. Auch im Privatleben setzt er innovative Technik ein, mit Frau und drei Kindern wohnt er im ersten Passivhaus des Schussentals. Neben der Datensicherheit lehrt Wolfgang Ertel auch Mathematik und Künstliche Intelligenz. Mit LEXMED hat er ein erfolgreiches Expertensystem zur Diagnose von Blinddarmentzündung entwickelt.

    Zukünftig, so Ertels Prognose, wird die Kryptographie wesentlich an Bedeutung gewinnen. "In einigen Jahren", ist der Informatik-Professor überzeugt, "werden wir alle den digitalen Personalausweis mit Chipkarte haben." Mit dieser Karte werden Passwörter für Computerzugang oder Geheimnummern zum Online-Banking überflüssig. Auf diesem Ausweis ist unter anderem der persönliche geheime Signaturschlüssel gespeichert. Außerdem sorge ein Minichip auf der Karte dafür, dass beim Signieren von Nachrichten keine Information über den Schlüssel aus der Chipkarte herausgelangt. Zur Diebstahlsicherung werde auf der Karte wahrscheinlich noch ein Fingerabdrucksensor angebracht, der die Karte nur bei richtigem Daumenmuster aktiviere.

    Info: Kurse zum Thema Datensicherheit im Internet bietet die Koordinierungsstelle für Wissenschaftliche Weiterbildung (kww) an der FH Ravensburg-Weingarten an. Ein Seminar von Professor Ertel im Oktober wendet sich an Systemadministratoren in mittelständischen Firmen. Einzelheiten unter Fon (07 51) 5 01-97 25, E-Mail: kkw-org@fh-weingarten.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).