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08.09.2010 11:38

Pilzköpfe im Vakuum

Dr. Anke Feiler-Kramer Presse und Kommunikation
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

    Kieler Wissenschaftler erforschen biologisch inspirierte Haftstrukturen

    In der aktuellen online-Ausgabe des renommierten Royal Society Journals In-terface vergleichen Kieler Wissenschaftler die Haftkraft von biologisch inspirier-ten Haftfolien unter Atmosphärendruck und im Vakuum. Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung können dazu beitragen, neuartige Materialien zum Bei-spiel für die Raumfahrttechnik, Medizin oder Meerestechnik zu entwickeln.

    Ob vertikal am Fenster hochklettern oder an der Unterseite eines Blattes kleben – von der Tierwelt kann der Mensch in vielerlei Hinsicht etwas lernen. Mit den Fortbewegungsmethoden und speziell den Hafteigenschaften von männlichen Blattkäfern haben sich der angehende Doktorand und Autor der Publikation Lars Heepe und Professor Stanislav Gorb, beide Institut für Spezielle Zoologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), beschäftigt. Gorb: „Die Hafteigenschaften von Tieren bieten sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus technologischer Sicht einen großen Inspirationsreichtum. Seit mehr als zehn Jahren arbeiten Biologen, Physiker, Chemiker und Ingenieure auf dem Gebiet der biologischen und biologisch-inspirierten Haftung zusammen, um die Form und Struktur von tierischen Gliedmaßen mit herausragenden Haftungsei-genschaften zu untersuchen.“ Diese morphologischen Analysen erlauben einen Blick auf Tausende bis Millionen von kleinen Härchen im Mikro- bis Nanometer Bereich, mit deren Hilfe ein intimer Kontakt zum Untergrund aufgebaut werden kann. (Zur Erklärung: ein Mikrometer entspricht einem Tausendstel Millimeter; ein Nanometer einem Millionstel Millimeter) Dank dieser vergleichsweise schwachen Bindungskraft (genannt Van-der-Waals Kraft) ist es den Tieren möglich, zumindest theoretisch bis zu einem Vielfachen ihres eigenen Körper-gewichtes zu halten. Auch Feuchtigkeit kann dazu beitragen, dass diese Här-chen besseren Halt sogar an glatten Glasflächen bieten.

    Detailliertere vergleichende Studien der funktionellen Morphologie dieser Tiere zeigten überdies Unterschiede in den Kontaktgeometrien, also den Enden der Härchen. Als besonders haftstark stellte sich der Pilzkopf heraus. Dieser findet sich beispielsweise unter den Füßen männlicher Blattkäfer. Das internationale Forscherteam (Kooperation mit Dr. Michael Varenberg, Israel) nahm diese Er-kenntnisse zum Anlass, um gemeinsam mit einem Industriepartner die Haft-strukturen künstlich nachzubauen und weitere Untersuchungen der beteiligten Haftmechanismen an diesem Modellsystem durchzuführen. „Die biologisch-inspirierte, mikrostrukturierte Polymerfolie haftet aufgrund ihrer pilzkopfförmigen Geometrie etwa doppelt so gut wie eine flache, unstrukturierte Kontrollprobe desselben Materials. Unter Wasser ist der Effekt sogar noch ausgeprägter“, erklärt Heepe. Dies lege die Vermutung nahe, die künstlichen Strukturen wür-den sich wie einfache Saugnäpfe verhalten.

    Um dieser Hypothese auf den Grund zu gehen führten die Forscher Experimen-te im Vakuum durch. Da ein Saugnapf seine Kraft durch die Druckdifferenz ge-neriert, die innerhalb und außerhalb des Saugnapfes herrscht, kann es inner-halb eines Vakuums zu keiner Saugkraft kommen. Bei dem Vergleich der Haft-kraft unter Atmosphärendruck und im Vakuum wurde deshalb die strukturierte Polymerfolie gegen eine glatte Glasfläche gedrückt und die Kraft gemessen, um die Folie vom Glas abzuziehen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Pilzkopf-Strukturen unter gewissen Umständen einen Saugeffekt aufweisen können, allerdings beträgt dieser maximal zehn Prozent der gesamten Haftkraft. Heepe: „Damit ist der Saugeffekt nicht ursächlich für die Haftung der Polymerfolie ver-antwortlich. Daraus schließen wir, dass für die erhöhte Haftung dieser klebstoff-freien, wiederverwendbaren Folie eine Kombination der biologisch-inspirierten Geometrie und der Van-der-Waals Kräfte verantwortlich ist.“

    Link zum Royal Society Journal Interface:
    http://rsif.royalsocietypublishing.org

    Zwei Bilder stehen zum Download bereit:

    http://www.uni-kiel.de/download/pm/2010/2010-143-cover.jpg
    Bildunterschrift: Mikroskopische Auf-nahme der biologisch inspirierten, mikrostrukturierten Haftfolie.
    Bild: Stanislav N. Gorb

    http://www.uni-kiel.de/download/pm/2010/2010-143-blattkaefer.jpg
    Bildunterschrift: Mikroskopische Auf-nahmen der pilzköpfigen Hafthaare des männlichen Blattkäfers Chrysoli-na fastuosa; (Gorb&Gorb 2002, Ent. Exp. Appl.)
    Bild: Stanislav N. Gorb

    Kontakt:
    Prof. Stanislav N. Gorb
    Telefon: 0431 880-4513
    E-Mail: sgorb@zoologie.uni-kiel.de

    Lars Heepe
    Telefon: 0431 880-4504
    E-Mail: lheepe@zoologie.uni-kiel.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Tier / Land / Forst, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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