Fotoausstellung zeigt ab 23. September Ergebnisse eines Forschungsprojekts der Universität Jena
Jena (20.09.10) Die Sonne brennt. Eine junge Frau watet langsam mit gerafftem Rock durch den Fluss. Das Wasser steht still, bis auf den kleinen Schleier aus Wellen, den sie hinter sich her schleift. Es sind nur noch wenige Schritte bis zum anderen Ufer. Ob sie es erreicht hat, ist nicht sicher. Denn die Szene stammt von einem etwa 70 Jahre alten Foto aus dem Zweiten Weltkrieg. Ein Blick auf die Rückseite offenbart die gesamte Tragik, die sich hinter dieser scheinbar harmlosen Begebenheit verbirgt. Dort steht: „Die Minenprobe. Vom Donez zum Don 1942“.
„Die Wehrmacht missbrauchte in besetzten Gebieten Zivilisten als lebendige Schutzschilde“, erklärt die Kunsthistorikerin Dr. Petra Bopp. „So wie auf dem Bild schickten deutsche Soldaten sie etwa durch einen Fluss, in dem Minen vermutet wurden. Erst wenn die Person das andere Ufer unbeschadet erreicht hatte, folgten die Militärfahrzeuge.“ Seit 2004 beschäftigt sich Petra Bopp im Rahmen des Forschungsprojektes „Fremde im Visier. Privatfotografie der Wehrmachtsoldaten im Zweiten Weltkrieg“ der Universitäten Jena und Oldenburg mit solchen Fotos. Ihre Forschungsergebnisse stellt sie nun in einer Ausstellung vor, die am Donnerstag (23. September 2010) im Stadtmuseum Jena eröffnet wird. Die Schau machte bereits in Oldenburg, München und Frankfurt/Main Station.
Etwa 150 Alben aus norddeutschem Privatbesitz sowie aus Museen und Archiven bilden den Grundstock der Ausstellung. Sie zeigen Eindrücke des Kriegsalltages – so, wie sie die Soldaten wahrnahmen. „Diese Fotos zeigen, wie der Krieg gesehen wurde, nicht wie er war“, betont Sandra Starke, die Mitkuratorin der Ausstellung. Oftmals sind die Konvolute in der Chronologie des Krieges geordnet: Überfall auf Polen 1939, „Blitzkrieg“ im Westen 1940, Vernichtungskrieg im Osten ab 1941. Die Ausstellung zeigt Bilder aus allen Frontabschnitten, von Norwegen bis Nordafrika. Von der Kriegsgefangenschaft sind nur wenige Fotos aus englischen Lagern in Nordafrika und aus sowjetischen Lagern überliefert.
Dass die Wehrmachtsoldaten so viele Bilder knipsten, ist kein Zufall. 1939 besaßen immerhin zehn Prozent aller Deutschen eine Kamera. So früh hatten Hitler und Goebbels die Privatfotografie als wichtiges propagandistisches Instrument erkannt und eingesetzt. Auch die Soldaten erhielten den Auftrag, die Kamera im Krieg nicht ruhen zu lassen und die Fotos nach Hause zu schicken. Zusammen mit Feldpostbriefen sollte so der Zusammenhalt zwischen Heimat und Front gestärkt werden.
Zu Beginn der Alben sind besonders viele Bilder aus dem soldatischen Leben zu sehen, die mit einer erstaunlichen Nüchternheit den Alltag des Krieges an der Front einfangen. Viele Aufnahmen haben scheinbar touristischen Charakter. „Doch die Art des Fotografierens ist doch stark beeinflusst von der Nazi-Propaganda“, sagt Petra Bopp. „So setzten sich viele Soldaten als Eroberer in Szene, wenn sie etwa Sehenswürdigkeiten in Paris besichtigten.“ In den besetzten Gebieten und an der Front richtete sich die Kamera nicht nur auf die Zerstörungen der Wehrmacht sondern auch auf die flüchtende Zivilbevölkerung und die Kriegsgefangenen. Die Sichtweise auf das Fremde ist dabei auch durch die rassistische NS-Propaganda geprägt.
Heimgekehrt sortierten viele Soldaten ihre Erinnerungen in Alben, um sie zu bewahren und um Erlebtes verarbeiten zu können. Oftmals sehen sich Angehörige erst jetzt – 65 Jahre nach Kriegsende mit diesen visuellen Nachlässen ihrer Väter konfrontiert und wissen oft nicht, wie sie damit umgehen sollen. Diese Erfahrung machten die Mitarbeiter des Stadtmuseums Jena bei der Erarbeitung eines eigenen Teils der Ausstellung mit Alben und Leihgebern aus Thüringen. Nach einem Presseaufruf hatten sich mehr als 40 Personen mit solchen Fotos gemeldet. Viele von ihnen haben die Bilder erst bei der Haushaltsauflösung ihrer Eltern oder Großeltern gefunden und stehen nun vor Fragen, die niemand mehr beantworten kann.
Die Ausstellung „Fremde im Visier – Fotoalben aus dem Zweiten Weltkrieg“ ist vom 23. September 2010 bis 30. Januar 2011 im Stadtmuseum Jena zu sehen.
Kontakt:
Dr. Petra Bopp
Tel.: 0172 5960904
E-Mail: mail[at]petrabopp.de
"Die Minenprobe" ist eines der Fotos, die in der Ausstellung zu sehen sind.
Foto: Privatbesitz Archiv Reiner Moneth/Norden
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie
regional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
Deutsch
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